bücher

Ein Comic, der Lust auf Anarchie macht

Findus' "Kleine Geschichte des Anarchismus"

| Andi Wolff

Findus: Kleine Geschichte des Anarchismus/ Ein schwarz-roter Leitfaden, Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2009, 57 S., 7,80 Euro, ISBN 978-3-939045-11-3

Im kleinen Kaufmannsladen unserer Siedlung versorgten wir uns mit dem Lesestoff, der unser damaliges Weltbild entscheidend mit prägte. Die Erde drehte sich um unsere Superheldinnen und -helden wie Julie Wood, Michael Vaillant, Bud und Chester oder das Yps-Känguru, das uns Woche für Woche in übelster Dealermentalität das Geld im Tausch gegen selten dämliche Gimmicks und einfallslose Fortsetzungs-Bildergeschichten aus der Tasche zog. Zwischen Salinos, Zwei-Pfennig-Kirschlollies und Dolomiti-Eis genossen wir das Stöbern im Comic-Regal.

Es folgten Jahre, in denen Comics den Reiz verloren, bis ich zu Weihnachten Gerhard Seyfrieds „Invasion aus dem Alltag“ geschenkt bekam. Wenn mir Seyfrieds bunte Welt der Freaks und ihr turbulentes Dasein im Berliner Blaulichtgewitter auch noch ein wenig fremd vorkam, begannen mich die Geschichten zu fesseln, und ich begab mich auf Spurensuche, um Genaueres über das immer wieder auftauchende große A im Kreis herauszufinden.

Auf die Frage nach der Bedeutung von Anarchie antwortete mein Vater: „Anarchie ist der Zustand, der entsteht, wenn du mit deinem BMX-Rad einmal quer durch die Innenstadt fährst.“

Anarchie konnte also so schlecht nicht sein. Ich erwarb nach und nach in linken Buchläden erhältliche Klassiker von Bakunin, Goldmann, Rocker oder Kropotkin und erfuhr, dass das „Schweine-System“ mehr war als nur der Produzent von Mortadella- und Grillwurst.

Jahre vergingen und Ordner und Regale füllten sich mit anarchistischem Lesefutter. Doch immer, wenn ich interessiertem Nachwuchs des A-Umkringelns leichter verdauliche Kost zum Thema empfehlen wollte, war ich ratlos. Nur wenige hatten Lust, Zeit und Geld, sich durch Pflasterstein schwere Theoriewälzer zu arbeiten, die oftmals staubtrocken geschrieben waren oder deren Layout und Typografie Augenkrankheiten verursachen konnten.

Eine knappe Zusammenfassung des anarchistischen Gedankens fehlte: ein jugendgerechtes, in wohldosierten Happen erzähltes und möglichst interessant gestaltetes Nachschlagewerk, das Lust auf ein Leben ohne Herrschaft macht.

Findus hat diese Lücke geschlossen. Seine illustrierte comicartige „Kleine Geschichte des Anarchismus“ wird so manchem „Frischling“ der anarchistischen Weltanschauung ein paar kurzweilige „Lehrstunden“ bescheren und hoffentlich für unser Anliegen begeistern können.

Auch die „fortgeschrittene“ AnhängerInnenschaft des libertären Denkens wird ihre Freude am Studium dieses Büchleins haben. In einer witzigen Rahmenhandlung erklären Findus‘ Protagonisten die Grundzüge des Anarchismus, seine wichtigsten Strömungen und den lebendigen Anarchismus des letzten Jahrhunderts und der Gegenwart.

Literaturempfehlungen runden die einzelnen Kapitel ab und geben Interessierten die Chance, das Wissen in den unterschiedlichen Bereichen zu vertiefen.

Die in schwarz-weiß gehaltenen Illustrationen sind plakativ und bebildern und unterstreichen abwechslungsreich die Kurztexte. Die Zeichnungen sind spürbar mit Herzblut gefüllte Träger der anarchistischen Sache.

Findus hat allein durch seine regelmäßigen, lebendigen Cartoons und Text kommentierenden Zeichnungen in der Graswurzelrevolution Zeichen gesetzt.

Es bleibt zu hoffen, dass er der libertären Szene erhalten bleibt, um auch weiterhin Bleiwüsten mit schwarzer Tinte und roter Farbe zu bewässern, damit auf wohltuende Art und Weise Graswurzel-Pflänzchen in ihrem Wachstum gefördert werden.