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Die erste libertäre Medienmesse im Ruhrgebiet

Ein Rückblick

| Lou Marin

Vom 3. bis 5. September 2010 fand in Oberhausen im Szenezentrum Druckluft die erste libertäre Medienmesse im Ruhrgebiet statt (vgl. GWR 351, S. 20).

Die VeranstalterInnen waren im Wesentlichen AnarchosyndikalistInnen aus dem Ruhrgebiet, dem Niederrhein und dem Rheinland.

Ihnen ist zu danken, dass die europaweit an der Zahl zunehmende Kultur der libertären Buch- oder Medienmessen nun auch in Deutschland einen Ort gefunden hat. Bisher war die Schweiz das einzige Gastland im deutschsprachigen Raum. In südeuropäischen Ländern verbreiten sich solche Messen seit einigen Jahren in ungeahnter Geschwindigkeit.

Der Unterschied zu den bekannten „linken Buchmessen“ (Berlin, Nürnberg usw.) besteht vor allem darin, dass sich libertäre Medienleute und ihr Publikum hier „unter sich“ treffen und damit die Existenz einer eigenständigen inhaltlichen Strömung markieren, während in den sonstigen linken Buchmessen seit einiger Zeit eher die marxistisch orientierten Verlage und Strömungen dominieren.

Durch die jüngeren Versuche der Vermischung von Anarchismus und (Neo-)Marxismus – auch in der Theorie – werden meiner Ansicht nach die Konturen einer eigenständigen libertären Kultur zu sehr verwischt. Das, was Anarchismus ist oder sein kann, wird dadurch öffentlich weniger sichtbar.

Dass marxistische zusammen mit anarchistischen Verlagen eine linke Buchmesse organisieren – also der bisherige Normalfall für Deutschland -, ist übrigens in Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien oder Portugal undenkbar. Schön also, dass die erste libertäre Medienmesse in Oberhausen endlich an diese südeuropäische Tradition einer schärfer hervorgehobenen Eigenständigkeit libertärer Kultur angeknüpft hat.

Gleichwohl war das inhaltliche Programm der Veranstaltungen sehr variabel und spiegelte die Bandbreite heutiger anarchistischer Kultur gut wieder.

Eine weitere Neuerung war der Begriff „Medienmesse“ – der Schwerpunkt sollte also nicht nur auf den klassischen Printmedien Buch und Zeitung liegen. Einige Veranstaltungen befassten sich daher mit dem Verhältnis von Anarchie und Internet oder es stellte sich das spannende Projekt der (nicht nur) digitalen Anarchistischen Bibliothek & Archiv Wien vor (1).

Die „DadA – Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus“ und weitere ähnliche Projekte waren allerdings noch nicht vertreten, so dass die Tendenz „Medien“ bei kommenden Messen dieses Titels durchaus noch ausgebaut werden kann. Dasselbe könnte über Filme gesagt werden, obwohl einige Filmdokumentationen im Programm waren. Denn in den Ausstellungsräumen dominierten nach wie vor noch Buch und Zeitung.

Es ist schwierig, den Zuspruch der BesucherInnen dieser ersten libertären Medienmesse im Ruhrgebiet richtig einzuschätzen. Die Veranstaltungen, Filme und Konzerte waren, soweit ich das mitbekam, durchweg gut besucht (auch die der Graswurzelrevolution) – in den Messeräumen machte sich das optisch allerdings nicht unbedingt bemerkbar. Am Freitagabend hatte ich den Eindruck, als besuchten lediglich die AusstellerInnen die jeweils anderen Stände, am Samstag blieb dieser Eindruck bis in den frühen Nachmittag hinein bestehen. Dann wurde es allerdings besser und ich sprach am Stand der Graswurzelrevolution mit einigen Leuten, die im Ruhrgebiet leben und sich angesichts dieser ersten Gelegenheit auch vorgenommen hatten, das ein oder andere Buch direkt zu erstehen.

Zwei Rücksichtnahmen hätten vielleicht dazu führen können, dass der Publikumszuspruch weitaus höher hätte ausfallen können. Zum einen war zeitgleich am Wochenende die Mobilisierung gegen den Nazi-Aufmarsch in Dortmund zu deren „Antikriegstag“ am 4. September – das hätte vielleicht bei der Terminierung vorausgesehen werden können, zumal das jedes Jahr stattfindet.

Zum anderen ist ein – zwar sehr schöner und auch bekannter Szenetreff wie das „Druckluft“ vielleicht nicht unbedingt ein Veranstaltungsort für eine solche Messe, der dem Anarchismus ein in die Gesellschaft hineinwirkendes öffentliches Schaufenster geben könnte, d.h. es auch Leuten aus szenefernen Bereichen der Gesellschaft leicht ermöglichen würde, sich einmal die libertäre Kultur anzusehen und von ihr positiv überrascht zu werden.

Die letzte Schweizer libertäre Buchmesse in Biel/Bienne etwa fand in einem der größten Säle des Stadtzentrums statt und zog eine enorme Anzahl von BesucherInnen an, allein durch die Auswahl des Ortes.

Das alles soll aber den positiven Eindruck dieser ersten Medienmesse im Ruhrgebiet nicht trüben, doch wenn daraus eine Reihe oder fest verankerte Tradition werden soll, könnte darüber vielleicht weiter nachgedacht werden. Ein großer Dank jedenfalls an die VeranstalterInnen für ihre Mühe.

(1) Anarchistische Bibliothek und Archiv, Lerchenfelderstr. 124-26, A-1080 Wien, im Hof Tür 1A, http://a-bibliothek.org