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Die Revolution der Frauen in Ägypten

Die ägyptische Filmemacherin Nadia Kamel beschreibt ihre Eindrücke

| Nadia Kamel

Durch weitgehend gewaltfreie Massenproteste wurden die Autokraten Ben Ali in Tunesien und Mubarak in Ägypten entmachtet. In anderen arabischen Ländern droht den von der EU und den USA jahrzehntelang gepäppelten Diktatoren ein ähnliches Ende. Die GWR beleuchtet die Freiheitskämpfe und Umbrüche im Nahen Osten aus der Sicht sozialer BewegungsaktivistInnen. (GWR-Red.)

Die Haltung der ägyptischen Bevölkerung war beispielhaft, wunderbar. Alle sind auf die Straße gegangen und die DemonstrantInnen waren so weise, gewaltfrei und entschlossen zu bleiben – trotz der Provokationen des Regimes und der Angst vor einem Blutbad.

Mehr und mehr hat sich die Bewegung ausdifferenziert und bestand aus DemonstrantInnen aller sozialer Schichten – und vor allem aus enorm vielen Frauen. Viele sind ohne ihren Ehemann gekommen. Es waren Frauen aller Art: Verschleierte, Verarmte, Laizistische, Intellektuelle. Sie haben sich in die Protestbewegung auf bisher unvorstellbare Weise eingebracht, sie waren unaufhörlich laut und ermüdeten nie.

Die westlichen Medien haben die Rolle der Frauen nicht angemessen gezeigt. Und doch ist ihre Beteiligung die andere Seite der Revolution. Sie haben durch ihr Agieren eine Atmosphäre geprägt, die bisherigen Protestbewegungen gefehlt hat, eine offene und lebenslustige Atmosphäre, die dazu beitrug, aus der Revolution ein Laboratorium der sozialen Transformation zu machen, in dem sich Bevölkerungsgruppen mischen konnten, die ansonsten durch die Tradition der getrennten Sphären voneinander geschieden sind. Aber dieses rigide soziale Milieu, welches das Land vergiftet hat, ist dabei sich aufzulösen.

Die Haltungen verändern sich und Tabus brechen auf: diejenigen der LaizistInnen gegenüber den Religiösen, diejenigen der Männer gegenüber den Frauen. Die Männer waren sehr selten aggressiv gegenüber Frauen und zeigten auch nicht diese krankhafte Haltung des Anmachens, das normalerweise auf den Straßen herrscht.

Männer und Frauen sind in den Demonstrationszügen Seite an Seite gelaufen – was ebenfalls zeigt, dass die Protestbewegung keine religiöse Schlagseite hatte. Den DemonstrantInnen war bewusst, dass sie sich nicht in einer islamistischen Bewegung befanden und sie haben das auch klar gezeigt, etwa durch ihre Slogans, die hauptsächlich Rufe nach Freiheit und Demokratie waren.

Es gibt eine Änderung der Mentalitäten, die an Bedeutung gewinnt. Die Ägypter und Ägypterinnen hören sich gegenseitig zu, sie schreien sich nicht mehr so schnell an, sie entdecken die Möglichkeiten des Dialogs, die ihnen vorher fast unbekannt zu sein schienen. Sie sind selbst überrascht von dem, was sie erreicht haben und von der festlichen Atmosphäre, innerhalb der sich die Bewegung abgespielt hat. Das war wirklich die schönste Überraschung.

Anmerkungen

aufgeschrieben von Raphaël Duizend, in: Libération, 12.2.11, S. 11; Übersetzung: Lou Marin