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Es gibt Schöneres als „Die Linke“

Zur Sozialismuskonferenz in Münster

| Horst Blume

Am 29.1. und 12.2.2011 veranstalteten attac, Linkspartei und DKP eine "Sozialismus-Konferenz" im Bennohaus Münster. (1) Wenn man der marxistischen Tageszeitung junge Welt vom 14.2. glaubt, herrschte auf der abschließenden Podiumsdiskussion der Konferenz "Einmütigkeit". (2) Wie bitte?! Die waren wohl auf einer anderen Konferenz?! Einmütigkeit zwischen einem Anarchisten und KommunistInnen? Wohl kaum! Tatsächlich stritten sich auf dem Podium, unter reger Anteilnahme von ca. 100 BesucherInnen, GWR-Redakteur Bernd Drücke, jW-Chefredakteur Arnold Schölzel, Inge Höger (MdB, Die Linke), Bettina Jürgensen (DKP-Bundesvorsitzende), Robert Steigerwald (Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung) und Kathrin Vogler (MdB, Die Linke). (GWR-Red.)

Es war durchaus ungewöhnlich, dass auf der „Sozialismus-Konferenz“ für die Podiumsdiskussion „Sozialismus-Konzeptionen und Sozialismus-Herausforderungen“ nicht nur die üblichen Verdächtigen aus Linkspartei und DKP eingeladen wurden, sondern mit Bernd Drücke auch ein Vertreter des Anarchismus. Man konnte gespannt sein, wie Podium und Publikum auf einen ausgewiesenen Kritiker des autoritären Sozialismus reagieren würden. Um es vorweg zu nehmen, das „Kuckucksei“, wie Bernd sich selbst ironisch bezeichnete, wurde tatsächlich freundlich willkommen geheißen und es wurde betont, dass Anarchisten durchaus „dazugehören“.

Bei der Vorstellung der PodiumdiskutantInnen breitete die DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen bis in alle Einzelheiten ihre „Parteikarriere“ seit 1971 aus. Die Aneinanderreihung von Partei- und Gewerkschaftsfunktionen ließ leider keinen Raum für eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem gescheiterten „Sozialismus“-Versuch in der DDR und mit den möglichen Folgen für das eigene Politikverständnis.

Kathrin Vogler betonte als Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Basisaktivistin im Gegensatz hierzu recht glaubwürdig und realistisch, dass eine Parlamentspartei nur das verstärken kann, was die sozialen Bewegungen vorher erkämpft und vorbereitet haben.

Der Altkommunist Robert Steigerwald war für seine 86 Jahre noch bemerkenswert agil und sogar unkonventionell, aber das alles passte sich jedoch immer noch in das klassische marxistisch-leninistische Grundgerüst ein.

Enttäuschend war der Beitrag der Bundestagsabgeordneten Inge Höger (Die Linke), die routiniert einen ökologisch-sozialistischen Forderungskatalog ohne einen einzigen originellen Gedankengang herunterbetete. Das hatte mit den Anforderungen an eine zukünftige Sozialismuskonzeption, die aus den Fehlern der diktatorisch-bürokratischen Vergangenheit lernt, wenig zu tun. Über die Unterdrückung in der DDR und über den Stalinismus haben diese PodiumsteilnehmerInnen gerade mal 21 Jahre nach dem Ende der Diktatur nicht mehr geredet.

Also blieb es Bernd Drücke vorbehalten, den Finger in die Wunde zu legen und auch diese wichtigen Tatbestände nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Er wies darauf hin, dass in der DDR eine kleine libertäre Opposition existierte, die u.a. mit den Umweltblättern ihren publizistischen Ausdruck fand und von der Stasi erbittert bekämpft wurde. Mit Bakunin- und Malatesta-Zitaten unterstrich er die Notwendigkeit der Freiheit im Sozialismus und betonte Basisdemokratie und die Gewaltfreiheit als Mittel bei der Durchsetzung politischer Ziele, was zu Gemurmel und vereinzelten Zwischenrufen aus dem Publikum führte.

Mit Ausnahme einiger weniger libertär angehauchter Linksparteimitglieder bestanden die ZuhörerInnen vor allem aus dem seit Jahrzehnten typischen Umfeld der marxistischen DKP und der Linkspartei, so dass nur wenige AdressatInnen anwesend waren, bei denen seine Worte auf fruchtbaren Boden hätten fallen könnten.

Die DKP verliert immer mehr Mitglieder, die Linkspartei stagniert und der Widerstand gegen Sozialraub kommt im Gegensatz zu anderen Bewegungen nicht so recht voran. Es herrschte eine gewisse Ratlosigkeit vor, und wie immer, wenn die Karre richtig tief im Dreck liegt, dürfen dann sogar drei Frauen und ein Anarchist aufs Podium.

Es gibt in der Bundesrepublik Hunderttausende von Menschen, die sich in Basis- und Bürgerinitiativen gegen die herrschenden ungerechten Verhältnisse und gegen konkrete Missstände engagieren.

Die weitgehende Ignorierung ihrer Bedürfnisse nach eigenständiger Organisierung und Kooperation und das auf der Konferenz vorherrschende Funktionärskauderwelsch hätten diese Menschen wohl kaum angesprochen, wenn sie da gewesen wären.

Aber darüber müssen wir als Libertäre nicht besonders traurig sein. Unser hauptsächliches Betätigungsfeld liegt ein bisschen woanders.