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Maßnahmen, die uns vor dem Atomtod retten

Fukushima. Trauer, Wut und Widerstand

| Bernd Drücke, 28.3.2011, 2 Uhr morgens

Die Katastrophe in Japan erschüttert uns.

Wir trauern um unzählige Menschen, die dem Erdbeben, dem Tsunami und seit dem 11. März 2011 dem Super-GAU in Fukushima zum Opfer gefallen sind bzw. angesichts der freigesetzten radioaktiven Strahlung wahrscheinlich noch zum Opfer fallen werden.

In die Trauer mischt sich Wut. Die Wut auf eine Industrie und auf PolitikerInnen, die nach den weitgehend vergessen gemachten schweren Atomunfällen im britischen Windscale (1957), im russischen Majak (1957/58), im US-amerikanischen Harrisburg (1979), 25 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl und wenige Tage nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima weiter auf die Atomkraft setzen.

Den Atomkonzernen und ihren LobbyistInnen geht es um die enormen Profite, die sie dank willfähriger PolitikerInnen und auf Kosten tausender Generationen mit ihren Atomanlagen machen können.

Wir sollten uns bewusst machen, dass es sich dabei um verbrecherische Organisationen handelt, die zur eigenen Profitmaximierung dazu bereit sind, hunderttausende Jahre strahlenden Atommüll zu produzieren, nicht kontrollierbare Atomkatastrophen, Verstrahlung und unzählige Menschenopfer in Kauf zu nehmen.

Aber es regt sich Widerstand.

Seit dem Super-GAU in Fukushima haben Hunderttausende in der Bundesrepublik für den sofortigen Atomausstieg demonstriert. Auf 45 Kilometern forderten 60.000 Menschen am 12. März bei einer Menschenkette zwischen Stuttgart und dem AKW Neckarwestheim den Ausstieg.

Am 14. März demonstrierten in 400 Orten der Bundesrepublik rund 120.000, am 21. März in über 700 Orten 140.000 und am 26. März 2011 ging eine Viertelmillion für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen auf die Straße, davon 120.000 in Berlin, 50.000 in Hamburg und jeweils 40.000 in Köln und München.

Die Regierung steht unter großem Druck. Überraschend schnell verkündete Kanzlerin Merkel ein Moratorium. 7 Altmeiler sollen kurzfristig vom Netz genommen und die Laufzeitverlängerungen für drei Monate ausgesetzt werden, um die Sicherheit der Atomreaktoren zu überprüfen.

Daraufhin empörten sich die Grünen. Jürgen Trittin forderte ein Zurück zum rot-grünen „Atomkonsens“. Er will keine sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Er will zurück an die Macht.

Die Internet-NGO Campact startete im März eine neue Onlinekampagne. Mit einer Unterschriftenliste wird an Angela Merkel appelliert: „Schalten Sie Atomkraftwerke ab!“

Liebe Leute von Campact, das ist zu wenig! Nicht umsonst fordert die unabhängige Anti-Atom-Bewegung die SOFORTIGE ABSCHALTUNG ALLER ATOMKRAFTWERKE!

Durch das Fehlen des bestimmten Artikels „die“ legt Campact nahe, dass nicht alle AKWs abgeschaltet werden sollen.

Ersetzt Euer butterweiches „Schalten Sie Atomkraftwerke ab!“ bitte durch „ALLE AKWs abschalten – und zwar jetzt!“

Wer zu wenig fordert, bekommt bekanntlich fast nichts, bzw. nur das, was Merkel und Co. jetzt gerade beschließen, um bei den nächsten Wahlen nicht komplett abzustürzen. Und das ist bei weitem zu wenig!

Wer sagt mir denn, dass es nicht ausgerechnet in dem nicht abgeschalteten AKW um die Ecke morgen einen Super-GAU gibt?

Der unter Rot-Grün geschlossene „Atomausstieg“ ist eine Mogelpackung. Diese rot-grüne Bestandsgarantie für die Atomindustrie dient lediglich zur „Befriedung“ (Gabriel) großer Bevölkerungsteile, die sich von Gabriel, Trittin und Co. nur allzu gern betäuben lassen.

Liebe Campact-Leute, hört bitte auf, Euch durch solch harmlose Appelle bei Grünen und SPD anzubiedern. Das ist peinlich und schadet letztlich mehr, als es der Anti-Atombewegung nützt.

Im Juli 1989 habe ich im Atomkraft Nein! Kalender u.a. folgendes geschrieben:

„Der Ausstieg aus dem atomaren Wahnsinn kann nicht durch Parteien, sondern nur durch massiven Druck einer internationalistisch denkenden und agierenden Widerstandsbewegung von unten erreicht werden. Und Sonnenenergie, Wasser- und Windkraft gibt es genug. ‚Die auf die Erde einwirkenden Sonnenstrahlen entsprechen theoretisch der elektrischen Leistung von 135.000.000 Kraftwerken der heute möglichen Größenordnung von je 1.300 MW. Diese Menge übersteigt den jährlichen Energiebedarf der Welt (…) um den Faktor 15.000‘ (…) Wir müssen diese Energien nur nutzen und das Energiemonopol der Strommultis zerschlagen. Also Stillegung der Atomanlagen weltweit!“

„Stilllegung“ wird mittlerweile mit drei „l“ geschrieben. Und die Forderung nach Enteignung der Atomkonzerne wirkt heute, auch nach dem Super-GAU in Japan, auf viele Menschen weltfremd, verbalradikal, unrealistisch und verrückt.

Der US-amerikanische Soziologe Charles Wright Mills wusste es dagegen schon 1959:

„Im Namen des Realismus werden die Menschen total verrückt, und genau das, was sie utopisch nennen, ist die Vorbedingung für den Fortbestand der Menschheit. Utopische Maßnahmen sind Maßnahmen, die uns vor dem Atomtod retten; realistische, gesunde, vernünftige, praktische Schritte sind heute die Aktionen der Verrückten und der Dummköpfe.“

In diesem Sinne: Atomfeindliche Grüße,