Konstantin Wecker ist einer der einflussreichsten Liedermacher im deutschsprachigen Raum. Für die Leserinnen und Leser der Graswurzelrevolution kommentiert er den Krieg in Libyen. (GWR-Red.)
Liebe Freundinnen und Freunde!
Das Leben als Pazifist ist nicht immer die reine Freude. Besonders diese selbsternannten „Realisten“ können sich gar nicht groß genug tun mit ihren vermeintlichen Einsichten in das leider, leider Notwendige.
Jetzt also Libyen – scheinbar eine ganz besonders harte Nuss für uns Pazifisten. Zuverlässige Kriegsgegner wie der von mir seit jeher geschätzte Uri Avnery gehen diesmal vor der „Ausweglosigkeit“ einer Lage, die angeblich nur noch westliche Militärschläge retten können, in die Knie.
Ich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich in meinem Pazifismus selten so sehr bestärkt wie durch das libysche Dilemma.
Warum?
Zunächst einmal ist der Einsatz des Militärs immer nur dann „alternativlos“, wenn man sich die zulässigen Alternativen von jenen vorschreiben lässt, für die Frieden sowieso immer nur der Zustand zwischen zwei Kriegen ist. Natürlich möchte auch ich nicht sehen, wie eine Stadt im Aufstand von Gaddafis Söldnern niedergemetzelt wird. Aber diese Alternative „Bomben oder Zuschauen“ ist doch immer schon das Ergebnis fehlerhafter Entwicklungen und einer grundlegend falschen Politik.
Gewaltfreiheit ist keine Taktik, die man mal kurz aus dem Hut zaubert, wenn schon alles verloren und schiefgegangen ist. Die Weltinnenpolitik wird doch seit Jahren konsequent militarisiert. Die Logik des Krieges wird von Großmacht bis Kleinstaat überall durchgesetzt. Und dann plötzlich ist die Überraschung groß, wenn es wieder irgendwo losgeht?
Nehmen wir also Libyen: die dortige Situation ist undenkbar ohne westliche Waffenlieferungen, ohne die Öldeals mit Gaddafi in den letzten Jahren – und ohne eine Politik speziell der USA, aber auch Russlands und der EU, die Krieg und Besatzung seit Jahrzehnten zum Dauerzustand in der arabischen Welt und Afrika gemacht hat.
Dazu kommt eine geostrategisch motivierte Haltung des Westens, die je nach Willfährigkeit der jeweiligen Diktatur völlig unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Schließlich könnte man mit haargenau derselben Argumentationslinie, mit der jetzt in Libyen gebombt wird, auch für Einsätze in Saudi-Arabien oder Bahrain eintreten.
Das tue ich aber auch nicht.
Sondern ich sage: genau dieses jetzige Dilemma zeigt wieder einmal, dass konsequente Gewaltlosigkeit der einzige Weg ist, zu einer friedlichen Welt zu kommen. Aber natürlich muss diese Logik des Friedens dauerhaft betrieben werden.
Wo sind die Institutionen, die auf zivile Konfliktlösung spezialisiert sind und mit den gleichen Geldmitteln ausgestattet wären wie die NATO? Wo gibt es auch nur einen glaubhaften staatlichen Akteur, der eine Politik der Verständigung und des Ausgleichs betriebe? Sogar die UNO ist verkommen zu einer Abnickvereinigung immer neuer Kriegseinsätze!
Ohne Unterlass werden Konflikte weltweit und gezielt angeheizt, um Waffen zu verkaufen – und hinterher heißt es dann: leider, leider müssen wir diese Waffen jetzt benutzen, um den Frieden wiederherzustellen…
Nein, liebe Freundinnen und Freunde! Auf diesen blutigen Leim gehe ich nicht. Nicht im Kosovo, nicht in Afghanistan und auch nicht in Libyen.
Nur der Frieden selbst schafft und sichert den Frieden.