Am 19. Mai 2011 haben GWR-Praktikant Max und Redakteur Bernd Drücke im Studio des Medienforum Münster den telefonisch zugeschalteten Udo Buchholz (47) vom Gronauer Arbeitskreis Umwelt (AKU) interviewt. Wir drucken Auszüge aus dem redaktionell bearbeiteten Gespräch, das am 22. Mai als Radio Graswurzelrevolution-Sendung auf Antenne Münster (95,4 Mhz.) ausgestrahlt wurde und auch auf www.freie-radios.net/41123 zu hören ist. (1)
Bernd: Ich fange an mit einem Zitat aus den Westfälischen Nachrichten vom 19. April:
„Gronau – Udo Buchholz ist einer von diesen Leuten, über die man nach Fukushima denkt, dass man ihnen vielleicht doch öfter hätte zuhören sollen. 30 Jahre hat er gegen die Atomkraft gewettert, hat ungezählte Pressemitteilungen geschrieben, hat Spaziergänge rund um die Urananreicherungsanlage (UAA) organisiert. Udo Buchholz scheint für seinen Widerstand gegen die Atomkraft zu leben.
Heiner Möllers, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gronauer Rat und nicht im Verdacht, guter Freund von Buchholz zu sein oder zu werden, beschreibt den Vorsitzenden des Arbeitskreises Umwelt irgendwo zwischen ‚wohlmeinendem Idealisten und verbohrtem Weltverbesserer‘. Wo dazwischen er Buchholz sieht, will der CDU-Mann aus Angst vor einer Klage nicht sagen, aber es gebe keine Ratssitzung, ‚in der Herr Buchholz es nicht fertig bringt, die Urenco zur Sprache zu bringen‘. Bei dem Versuch, eine neue Energiepolitik ‚geordnet ans andere Ufer zu kommen, ist Herr Buchholz jedenfalls kein Brückenpfeiler‘, sagt er.
Und Joachim Ohnemus, Geschäftsführer der Urenco, bewundert zwar ‚die Ausdauer und Hartnäckigkeit‘ Buchholz trotz dessen ‚andauernder Erfolglosigkeit‘, gleichzeitig scheue der Atomkraftgegner aber die fachliche Auseinandersetzung. ‚Er stellt sich nicht dem fachlichen Disput‘, sagt Ohnemus. ‚Bemerkenswert‘ sei immerhin, dass in Japan ein Reaktorunfall passiert ist und nun, ohne dass es einen sicherheitstechnischen Zusammenhang gebe, über die UAA diskutiert wird.“
Hallo Udo.
Udo: Hallo.
Bernd: Es ist bemerkenswert, wenn dich politische Gegner so beschreiben. Was sagst du dazu?
Udo: Ja, das ist auch ein Zeichen dafür, dass man ernst genommen wird, dass das aktive Handeln wahrgenommen wird und irgendwo Nadelstiche hinterlässt. Außerdem haben sie nicht ganz bzw. gar nicht recht. Vor allem, wenn der Urenco-Chef Dr. Ohnemus sagt, dass ich mich der sachlichen Diskussion entzöge. Er müsste das besser wissen, weil ich viel länger „im Geschäft“ bin als er. Ich bin schon im Info-Center von Urenco gewesen, da gab es ihn in Gronau noch gar nicht. Und als Schüler habe ich schon vor rund 30 Jahren Informationen für meine Referate im Info-Center abgeholt. Ich habe mich mit der Thematik auseinandergesetzt, habe an Erörterungsterminen zum Ausbau der Anlage teilgenommen, dabei fachliche Diskussionen geführt. Kurz: Ich habe mich intensiv mit der Anlage beschäftigt und weiß, warum ich dagegen bin.
Max: Lieber Udo, es ist für Neulinge in der Anti-Atombewegung schwierig, etwas mit Begriffen wie Urenco und UAA anzufangen. Könntest du diese erklären und uns einen Einblick geben?
Udo: Ja. Die Urananreicherungsanlage in Gronau ist die einzige dieser Art in Deutschland. Sie hat, vereinfacht gesagt, den Zweck, das Natur-Uran für den späteren Einsatz in den Atomkraftwerken vorzubereiten. Natur-Uran kann in den meisten Reaktoren nicht so eingesetzt werden, weil es zu wenig Uran 235 enthält. Dieser Urananteil ist für den Spaltprozess erforderlich, d.h. in der UAA wird der Anteil des Urans 235 ca. von 0,7 Prozent der gesamten Uranmenge auf ca. 5 Prozent erhöht. Später kann das Uran mittels dieser Konzentration in den Atomkraftwerken eingesetzt werden.
Für die Urananreicherung gibt es verschiedene Technologien.
1970 haben Deutschland, die Niederlande und Großbritannien den Vertrag von Almelo (Niederlande) abgeschlossen und gemeinsam beschlossen, die Urananreicherung nach dem sogenannten Zentrifugenverfahren zu entwickeln und zu forcieren. Das ist darin gemündet, dass in jedem dieser drei Staaten, in Gronau, Almelo und Capenhurst, jeweils eine Urananreicherungslage gebaut wurde, die mit dem Zentrifugenverfahren arbeitet.
Die Zentrifugentechnologie ist für die Atomindustrie die günstigste, weil sie im Vergleich zu anderen Technologien relativ energiesparend arbeitet.
Die Urenco ist in den letzten Jahren gut auf dem Weltmarkt angekommen, da mit der Zentrifugentechnik billiger angereichert werden kann als mit dem sogenannten Diffusionsverfahren, welches in Frankreich und den USA angewendet wird. Der Weltmarktanteil der Urenco liegt derzeit bei rund 20 bis 25 Prozent. Die Tendenz ist steigend, da sie das Uran relativ günstig anbieten kann.
Die Anlage in Gronau trägt ein Drittel der gesamten Urenco-Strukturen, und hinter der Urenco-Deutschland steckt zu hundert Prozent die Firma Uranit aus Jülich, welche ihren Sitz in der Nähe eines bekannten Kernforschungszentrums hat. Die Uranit-Führung wird zu fünfzig Prozent von RWE und Eon gehalten. Indirekt wird die UAA Gronau also von Letzteren betrieben.
Bernd: Der AKU hat sich vor 30 Jahren gegründet. Was war damals eure Motivation und wie bist du in die Anti-Atom-Bewegung gekommen?
Udo: 1970 wurde der Vertrag zu Almelo abgeschlossen. Und Anfang der 70er Jahre gab es die sogenannte Ölkrise. Die damalige sozialliberale Bundesregierung hat daraufhin gesagt, dass man auf Atomkraft setzen muss, um vom Öl unabhängiger zu werden. Demnach war klar, dass rohmaterielles Uran importiert werden muss.
In Deutschland eine Urananreicherungsanlage zu bauen, war ursprünglich verboten gewesen: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das durch internationale Abkommen geregelt, weil die Urananreicherungsanlagen auch für den Bau von Uranwaffen bzw. -bomben geeignet sind.
Die erste Pilot-Anlage der Bundesrepublik wurde zunächst in Almelo gebaut. Mitte der 70er Jahre wurden die internationalen Bedenken geringer und Deutschland durfte eine eigene Anlage bauen. Letztlich hat die Stadt Gronau das Rennen bei der Standortsuche gemacht, weil sie großzügig gegenüber der Uranit (der späteren Urenco) war.
Uranit bekam ein großes Gelände von der Stadt zur Verfügung gestellt, die Gemeinde hat Erschließungskosten und Abwasserkanäle übernommen.
Die Stadt hat 15 Millionen DM gezahlt, um die Anlage nach Gronau zu holen. Seit der Zeit der Pläne Mitte der 70er Jahren hat sich in Gronau eine Bürgerinitiative gegründet, die BI gegen Urananreicherung. Zu ihr bin ich 1980 gestoßen, da habe ich an einer Fahrrad-Demo teilgenommen.
Danach bin ich mit den Leuten der BI in Kontakt gekommen und eingestiegen. 1981, also fast auf den Tag genau vor 30 Jahren, hatte der erste Erörterungstermin zum ersten Ausbauschritt der damaligen Anlage stattgefunden. Es gab Ende der 70er Jahre rund 7.000 Einsprüche gegen den Bau der Anlage und die sollten bei diesem Termin erörtert werden. Im Mai 1981 wurde die BI in „Arbeitskreis Umwelt“ umbenannt, weil auch andere Themenbereiche bearbeitet wurden, wie Verkehrspolitik und ökologischer Landbau. Es wird bearbeitet, was gerade aktuell ist. Wichtig ist eben auch, dass über den Tellerrand geschaut wird, dass man nicht nur einen Punkt heraus greift und den bearbeitet, dass man schaut, wo die Zusammenhänge sind, wo vielleicht gleiche Strukturen und Konzerne sind, die dahinter stecken. Man schafft nicht, alles zu bearbeiten, weil die Themen-Vielfalt zu umfangreich ist, aber es ist wichtig, das Bewusstsein zu haben. Das Ganze ist eine vernetzte Sache. Wir vernetzen uns mit Gruppen im Friedensbereich und anderen sozialen Bewegungen und versuchen, bestmöglich zusammenzuarbeiten.
Bernd: Ihr habt nun zum Tschernobyl-Jahrestag eine große Demo in Gronau organisiert. Es waren 15.000 Leute da, die größte Demonstration in der Geschichte Gronaus. Du hast sie maßgeblich mit organisiert. In den letzten 30 Jahren gab es immer nur kleinere Aktionen und Demonstrationen, an denen nie mehr als 500 Leute teilgekommen haben. Hängt der bisher geringe Widerstand mit dem Sponsoring der Urenco zusammen? Oder wie erklärst du dir das?
Udo: Da gibt es viele Gründe. Es gab schon in den 70er Jahren eine BI, die aber nie richtig probiert hat, eine große Demo auf die Beine zu stellen. Anders als bei anderen Standorten gab es keinen nennenswerten Widerstand aus der Landwirtschaft. Nehmen wir zum Beispiel Ahaus mit dem Atommülllager, da gibt es die Bauern, die mit den Traktoren immer auffahren. Das ist hier nie der Fall gewesen. Ganz im Gegenteil, die Landwirte, die betroffen von der UAA waren, sind ausgesiedelt worden und haben neue Hofstellen und Geld bekommen.
Auch von Gewerkschaften und anderen sozialen Verbänden gab es keinen größeren Protest. Im Stadtrat auch nicht.
Dass die UAA kommen soll, ist in den 70er Jahren mit 42 zu 1 Stimmen beschlossen worden. Es gab kein breites Umfeld, was den Protest auf den Weg hätte bringen können.
Wir haben immer wieder versucht, etwas auf die Beine zu stellen. Das hier ist bundesweit einer der Standorte, der kontinuierlich am Ball geblieben ist. Bloß der große Zulauf ist ausgeblieben. Als alte BI hat der AKU einiges vorzuweisen. In den letzten Jahren gab es verstärkt Proteste gegen die Urantransporte von Gronau nach Russland. Da gab es kleinere Blockaden. Zum Beispiel hat sich eine junge Kletteraktivistin auf der Strecke von einem Baum abgeseilt und somit den Zug zum Stehen gebracht. Das hat eine größere Öffentlichkeit auf die Anlage aufmerksam gemacht.
Letztlich hat auch Fukushima mobilisierend mitgewirkt, so dass verstärkt Leute in Gronau und Umgebung gesagt hatten: „Moment mal, hier steht auch eine Anlage in Gronau und wir müssen auch dagegen arbeiten, weil das Uran, das in Gronau angereichert wird, für AKWs in aller Welt genutzt wird.“
Die Demo am 25. April 2011 wurde landesweit geplant und stand im bundesweiten Kontext. Es gab am Ostermontag an vielen Atomstandorten Aktionen und Großdemonstrationen (vgl. GWR 359). In dem Rahmen ist das auf Landesebene vorbereitet wurden. Es war toll, dass 15.000 Menschen demonstriert haben. Man spürt, dass die Stimmung in der Stadt nun anders ist. Man wird von vielen Leuten angesprochen: „Ihr habt eine tolle Sache gemacht und es wird Zeit, dass etwas hier passiert.“ Jetzt müssen wir überlegen, wie die Sache weiter am Leben erhalten wird und wie Folgeaktionen geplant werden können, damit noch mehr Leute aus Gronau den Mut haben, mit auf die Straße zu kommen.
Bernd: Die Gronauer Grünen sind aus der Partei ausgetreten, nachdem unter Rot-Grün die Kapazitäten deutlich erhöht wurden. Mit Ausstieg hat das nichts zu tun, was die Regierung aus SPD und Grünen gemacht hat. Kannst du dazu etwas sagen?
Udo: Es gab ein neues Genehmigungsverfahren, die Kapazitäten der Anreicherungslage sollten von 1.800t Trennleistung auf 4.500t Trennleistung hochgefahren werden.
Die Trennleistung gibt den Faktor an, mit dem das Uran für AKWs produziert werden kann. 2005 wurde dann unter Rot-Grün in Düsseldorf und der rot-grünen Bundesregierung in Berlin die Ausbaugenehmigung für 4.500t erteilt. Das ist dann die Kapazität, mit der jährlich in Gronau für 30 bis 35 Atomkraftwerke Uran vorbereitet werden kann.
Als die Genehmigung schließlich durch war, haben wir als Ortsverband die Landes- und Bundes-Grünen angeschrieben: „Wir sind hier vor Ort gegen die Anlage und wollen dagegen opponieren. Wie soll jetzt der Widerstand weiter laufen aus eurer Sicht?“ Keiner hat geantwortet. Dann haben wir gesagt: „Okay, also wenn ihr uns nicht braucht, dann brauchen wir euch auch nicht mehr.“
Dann haben wir die Auflösung des Ortsverbands beschlossen und bis auf ein Mitglied sind alle privat aus der Partei der Grünen ausgestiegen.
Wir waren damals zu Zweit in der Ratsfraktion in Gronau und da haben wir die Fraktion in GAL (Grün-Alternative Liste) umbenannt. Zu den letzten Kommunalwahlen wurde dann ein Verein gegründet, eine Wählergemeinschaft, auch die GAL. Wir sind mit Fraktionsstärke in den Stadtrat wieder reingekommen. Bis auf private Kontakte haben wir keine Verbindung mehr zur Bundespartei Die Grünen.
Max: Wie sieht deine Meinung zur Bundespolitik aus und wie verhält sich der Stadtrat in Gronau zur Atompolitik und zur UAA?
Udo: Auf Bundesebene sind die Verhältnisse relativ klar. CDU und FDP sind unterm Strich für den Weiterbetrieb von Atomkraftanlagen. Die Opposition ist mehr oder weniger dagegen.
Obwohl man dabei genauer hinschauen muss, wie wer wann dagegen spricht. Wichtig ist auf jeden Fall, dass der Druck der Straße weiter aufgebaut wird. Es gibt seit dem Super-GAU in Fukushima die Montagsmahnwachen in vielen Städten.
Es gab die großen Demos zum Ostermontag und es gibt in den nächsten Wochen und Monaten weitere Aktionen. (2) Da ist Bewegung in der Bundespolitik. Es ist wichtig, dass weiterhin gezeigt wird, dass die Bevölkerung gegen die Atomanlagen ist, und man darf sich nicht mit irgendeinem „Kuhhandel“ zufrieden geben.
Die neueren AKWs sind mittlerweile um die 25 Jahre alt. In unserer Region ist es zum Beispiel das AKW Lingen II, das auch schon seit Ende der 80er Jahre in Betrieb ist.
In Lingen ist auch ein altes AKW stillgelegt, welches schon seit den 60er Jahren in Betrieb war. Die Bevölkerung im Münsterland und im Emsland wird von Lingen aus schon seit 50 Jahren bestrahlt. Da ist es eine Verhöhnung zu sagen: „Lingen ist ein neues AKW, das ist alles nicht so schlimm.“
Auch die sogenannten neuen AKWs sind Alt-AKWs und müssen sofort stillgelegt werden.
In Gronau sieht es durchwachsener aus. Nichtsdestotrotz ist es gelungen, durch Anträge der GAL einen Beschluss der Stadt Gronau gegen den Bau eines neuen AKWs in Holland zu erwirken, und die Stadt Gronau hat auch wiederholt Einsprüche für den In- und Ausbau der Anlage in Almelo erhoben. Problem ist, was die UAA angeht.
Die Stadt Gronau ist nicht Genehmigungsbehörde. Dafür ist das Land NRW zuständig, speziell der Wirtschaftsminister Fuchsberger, und da muss der öffentliche Druck weiter auf die Landesregierung, speziell auf den Wirtschaftsminister, gerichtet werden.
Aus unserer Sicht hat er durchaus die Möglichkeit, die Betriebsgenehmigung aufzuheben. Es gibt zahlreiche Argumente gegen die Anlage, das fängt schon da an, dass sie nicht gegen Flugzeuge gesichert ist, und endet beim fehlenden Entsorgungskonzept, d.h. in Gronau wird auch in großen Mengen Atommüll produziert, für den es kein Endlager gibt. Die Anlage ist nicht vertretbar und muss sofort stillgelegt werden.
Bernd: Es wird oft behauptet, dass die Atomkraft eine ökologisch saubere Energieform ist. Aber schon beim Abbau von Uran werden Menschen verstrahlt, zum Beispiel im Niger. Du organisierst auch Aktionen gegen die Urantransporte, die zum Beispiel aus Frankreich in Gronau eintreffen.
Kannst du über den Abbau von Uran und über die Urantransporte etwas erzählen?
Udo: Die Atomindustrie stellt das als sauber dar. Man sieht keine Strahlung und keinen erkennbaren schmutzigen Dreck.
Nur vergessen wir, dass der Uranabbau unter extremen Bedingungen vollzogen wird.
Für Mensch und Umwelt ist das sehr negativ. Wir hatten vor zwei Jahren eine Frau aus Niger in Gronau zum Vortrag eingeladen, die das sehr drastisch dargestellt hat, wie der Uranabbau vollzogen wird. Da sind riesige Abraumhalden, die vor sich hin strahlen, und der Wind treibt die radioaktiven Partikel in die Wohngegenden rein.
Da wird der Abraum zum Straßenbau benutzt, d.h. man läuft und fährt über die verseuchten Straßen hinweg, es werden Gewässer und die Lebensmittel verseucht. Gleichzeitig sind die Leute abhängig von diesen Minen, weil es keine anderen Arbeitsplätze gibt und soziale Absicherung sowieso nicht.
Auf der anderen Seite muss auch der Atommüll, der in Gronau anfällt, irgendwo bleiben. In Gronau selber dürfen mehrere zehntausend Tonnen angereichertes Uranhexafluorid in Containern unter freiem Himmel gelagert werden.
Um den Hof relativ freizuhalten, hat Urenco in den letzten Jahren knapp dreißigtausend Tonnen von dem angelagertem Hexafluorid nach Russland transportieren lassen. Da kam es in verschiedene Atomzentren und liegt teilweise unter freiem Himmel (die GWR berichtete). Aber Urenco kann sagen: Was habt ihr denn, so schlimm ist doch das Ganze gar nicht. Gleichzeitig soll ab Ende 2011 in Gronau ein Zwischenlager gebaut werden, in dem noch sechzigtausend Tonnen Uranoxid gelagert werden sollen.
Bernd: Tepco ist verantwortlich für die Atomkatastrophe in Fukushima und ein Atommafiakonzern. Trotz des Super-GAUs im japanischen Erdbebengebiet plant der Konzern weiterhin u.a. auch im türkischen Erdbebengebiet eines der beiden dort geplanten AKWs zu bauen. Nur peu á peu kommt ans Licht, was in Fukushima geschieht. Das Ausmaß der Katastrophe wird von Regierung, Konzern und Medien runtergeredet. Erst Ende Mai wurde bestätigt, dass mindestens in drei Fukushima-Reaktoren seit dem Tsunami eine Kernschmelze stattfindet.
Kannst du etwas über die Verbindungen von Urenco und Tepco erzählen?
Udo: Die Firma Urenco ist sehr zurückhaltend in der Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben nach Fukushima recherchiert und haben herausgefunden, dass Urenco laut Eigendarstellung in ihren Hochglanzbroschüren auch Uran nach Japan liefert. Wobei Urenco gesagt hat, dass sie nur ein Mal geliefert haben und das nicht in die Krisenregion.
Daraufhin hat der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) herausgefunden, dass allein im Jahr 2010 drei Transporte von Gronau nach Japan gegangen sind. Schließlich kam heraus, dass von Urenco in Almelo auch Uran nach Fukushima geliefert worden war.
Max: Du hattest vorhin die Widersprüche schon angedeutet, die die Atompolitik mit sich bringt. Also dass auf der einen Seite Arbeitsplätze geschaffen werden und auf der anderen diese Arbeit auch schlecht für die Menschen ist bzw. sie tötet. Wie siehst du die Perspektiven für eine starke Anti-Atombewegung?
Udo: Die Anti-Atom-Bewegung ist schon immer vielseitig aktiv gewesen, was gut und wichtig ist. Auf der einen Seite gab es konkrete Aktionen gegen neue geplante Anlagen, Atomtransporte oder jetzt auch verstärkt für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen.
Gleichzeitig gibt es Aktivitäten, wie Unterschriftensammlungen, Info-Kampagnen, Einspruchssammlungen und dann auch die intensive Auseinandersetzung mit der Fachliteratur. Die Vernetzung zwischen inhaltlicher Arbeit und Aktionsarbeit ist wichtig.
Was noch stärker dazu kommen muss, ist die Frage, wie wir an den Standorten mit wirklich erfolgten Anlagenstilllegungen umgehen.
Wenn wir in Gronau erfolgreich sein sollten und die Anlage geschlossen werden muss, wird es Arbeitsplätze geben, die wegfallen. Da muss man in einem gewissen Umfang darlegen, was ein Atomarbeiter machen kann. Ich denke, da sind die Arbeiter in Gronau gut aufgestellt, die könnten sinnvolle zivile Projekte auf den Weg bringen. Die können zum Beispiel Zentrifugen für medizinische Zwecke herstellen.
Wichtig ist, dass man schaut, wie die Arbeitsplätze aufgefangen werden können. Auch sind Standorte zum Teil von der Atomindustrie abhängig, weil sie Gewerbesteuern zahlt und finanziell einbringt. Hier muss man sich Konzepte überlegen, dass dann im Ernstfall, der unserseits erhofft wird, nicht jeder halbe Haushalt in Gronau bzw. der kommunale Haushalt zusammenbricht. Dann muss das Land NRW eingreifen.
Vorhin kam die Frage von Bernd, wie es mit Sponsoring aussieht? Da ist es in Gronau so, dass die Firma Urenco fast jeden Verein „beglückt“. Das ist für Urenco nicht viel Geld, aber für so einen Verein schon, wenn er mal ein paar hundert Euro in die Hand gedrückt bekommt. Oder die gehen auch in Kindergärten, in Schulen, auch Sportvereine werden gesponsert. Die haben sich eingekauft in Gronau.
Bernd: Kann das Sponsoring den Widerstand reduzieren?
Udo: Ja , denn wenn ein Verein, der Spenden angenommen hat, vor der Entscheidung steht, ob er am nächsten Montag zur Demo geht oder nicht, wird er es sich zweimal überlegen. Und man wird auch seinen Mitgliedern sagen: „Moment mal, ihr geht da besser nicht zur Demo, weil ihr wollt ja von Urenco auch weiterhin Geld haben.“
Bernd: Plant Ihr weitere Aktionen?
Udo: Der AKU hat für den 3. Juli eine Kundgebung vor der UAA angemeldet. Mit ihr soll weiterer Druck auf die Landesregierung ausgeübt werden. Sie muß sofort alle Genehmigungen für den Betrieb und Ausbau der UAA aufheben (3).
(1) Als Podcast: www.podcast.de/episode/2251879/Graswurzelradio_M%C3%BCnster_-_Interview_mit_Udo_Buchholz_%C3%BCber _30_Jahre_AKU_Gronau
(2) Ab dem 10.6. gibt es zwei Aktionscamps beim AKW Brokdorf. Außerdem Revisions-Blockaden vom 12. bis mindestens 17.6. Infos: www.x-tausendmalquer.de bzw. www.block-brokdorf.org
Vom 16. bis 20.6. wird es Aktionen zur Tagung der internationalen Atomlobbyorganisation IAEO in Wien geben. Infos: www.contratom.de
Ab dem 13. August wird es gegen den neuesten Reaktor Neckarwestheim 2 eine mehrtägige Abschalt-Blockade unter dem Motto "Stillegung durchsetzen!" geben. Infos: www.neckarwestheim.antiatom.net
Am 20. August wird eine Blockade in Olkiluoto (Finnland) stattfinden. Infos: www.greenkids.de/europas-atomerbe
Im November gibt es direkte gewaltfreie Aktionen und Demos gegen den Castortransport nach Gorleben. Infos: www.bi-luechow-dannenberg.de, www.ausgestrahlt.de
(3) Kontakt/Infos: www.aku-gronau.de