antifaschismus

Weder blind noch taub

Ein Kommentar zum Neonaziterror in Deutschland

| Dju

2010 besang die Naziband "Die braunen Stadtmusikanten" in einem Lied die Mörder, die bundesweit an Dönerbuden Menschen mit Migrationshintergrund erschossen hatten, und stilisierte sie zu faschistischen Helden.

„Neunmal hat er es jetzt schon getan. Die Soko Bosporus, sie schlägt Alarm. Die Ermittler stehen unter Strom. Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom. Sie drehen durch, weil man ihn nicht findet. Er kommt, er tötet und er verschwindet. Spannender als jeder Thriller, sie jagen den Döner-Killer [ …] Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gerne spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug.“

Das Lied wurde auf CD publiziert. Offensichtlich wusste die faschistische Szene, dass Neonazis die TäterInnen waren.

Den staatlichen Behörden von Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft war dieses Lied nicht unbekannt.

Das Problem ist nicht, dass die Strafverfolgungsbehörden zu wenig wussten, sondern dass sie sehenden Auges von ernsthaften Ermittlungen abgesehen haben. Insofern haben auch die Forderungen nach noch mehr Polizeistaat, neuen Datenbanken, der weiteren Auflösung der Grenzen zwischen Verfassungsschutz und Polizei usw., die wieder mal gestellt werden, nichts mit den Morden zu tun. Im Gegenteil, sie würden Strafverfolgungsbehörden und polizeistaatliche Strukturen stärken, die gerade Teil des Problems und nicht der Lösung sind.

Laut SPIEGEL vom 21.11.2011 wurden seit 1990 mehr als 140 Menschen durch Neonazis in Deutschland ermordet.

Ab und an wird darüber berichtet, real passiert aber von Seiten des Staates und der „bürgerlichen Mitte“ kaum etwas.

Im Gegenteil, die in der Bundesregierung zuständige Ministerin Kristina Schröder sieht das Problem vor allem im „Linksextremismus“ und in der „Deutschenfeindlichkeit“.

In weiten Teilen der deutschen Nomenklatura, der Mittelschicht und erst Recht in den Reihen der UniformträgerInnen der verschiedenen Dienste und des Militärs herrscht die offene Akzeptanz und Unterstützung rassistischer und sozialrassistischer Ideologien vor.

Die Verfolgungsbehörden wissen genau zwischen linker und rechter Gewalt zu differenzieren. Während linksradikale Gewalt, die sich gegen Personen und Institutionen der Herrschaft richtet und damit eben auch gegen die Repressionsorgane, mit viel Aufwand verfolgt wird, bringen die Neonazis ja „nur Leute um“, deren Leben im Denken vieler Beschäftigter dieser Dienste nur nachgeordneten Wert besitzt.

Wer gegen MigrantInnen hetzt und die Opfer kapitalistischer Ausbeutung als „Sozialschmarotzer“ diffamiert und sich dann mit Betroffenheitsmiene darüber wundert, dass Nazis diesen Worten Taten folgen lassen, ist niemand, von dem Menschen Schutz und Gerechtigkeit erwarten können.

Noch dazu, wo auch aus der Polizeiarbeit viele Fälle direkter rassistischer und sozialrassistischer Gewalt bekannt sind, sei es, dass ein verhafteter Migrant bei Magenspülungen ertränkt wird oder Obdachlose „Verletzungen erleiden“, u.a.

Die Biedermänner und -frauen stehen verdeckt hinter den BrandstifterInnen.

Eine antirassistische und soziale Gesellschaft wird gegen diese Kräfte und gegen Neonazis von der Basis aus durchgesetzt werden müssen.

Eine Ausweitung der Polizeibefugnisse führt nur zur Verfolgung gewaltfrei agierender AntiFa-Gruppen, wie das Beispiel Jena zeigt.

Blockaden und andere konsequente, gewaltfreie Aktionen sind dabei die Mittel, die wirken, denn auch mit „gut gemeinter“ Gewalt werden letztendlich Hierarchien und autoritäre Strukturen gestützt und damit auch die Neonazis gestärkt.