aktuelles

Vier Tage im November

Notizen zur Lage des deutschen Staates

| Leonie Felix

24.11.2011: Nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen den Titelerschleicher Karl-Theodor „zu“ Guttenberg hat der frühere Kriegsminister angekündigt, aus seinem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückzukehren. Dabei schloss er auch ein baldiges politisches Comeback nicht aus. – Heißt das, dass Guttenberg deshalb ins Ausland gegangen war, um sich der Strafverfolgung zu entziehen? Gehört ein solches Verhalten zum neuen adeligen „Ehrenkodex“? Früher hätte sich so einer „selbst gerichtet“ (was ja allerdings meist nicht weniger feige war).

24.11.2011: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass sogenannte „Bier-Bikes“ nur noch mit Ausnahme-Genehmigung auf öffentlichen Straßen fahren dürfen. Die Fahrzeuge bestehen aus einer Theke und werden von den daran Sitzenden per Pedalantrieb vorwärtsbewegt.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, der Hauptzweck dieser Gefährte sei nicht die Fortbewegung, sondern das Feiern. – Ist eine staatliche Ordnung, in der Feiern nicht zum Bestimmungszweck von Straßen gehört, einen Pfifferling wert?

Werden politische Demonstrationen in Innenstädten demnächst untersagt, weil ihr Hauptzweck nicht Fortbewegung, sondern Demonstration ist? Werden Autofahrten verboten, deren Hauptzweck nicht Fortbewegung ist, sondern das Vorzeigen eines Prestigesymbols? Letzteres hätte freilich etwas Verführerisches.

25.11.2011: Um den Filmproduzenten der Neonazi-Terrorzelle „NSU“ festzunehmen, setzt der Staat seine „Spezialeinheit“ GSG9 ein. Vielleicht mussten die Jungs endlich mal wieder beschäftigt werden. Aber man kann sich des Verdachts doch kaum erwehren, dass es hier erst in zweiter Linie um eine Festnahme, in erster Linie aber um eine PR-Aktion handelt. Eine Streifenwagen-Besatzung hätte in diesem Fall wohl ausgereicht. – Im Übrigen wünscht man dem Festgenommenen einen Furunkel an den Arsch.

26.11.2011: Bei den Protesten gegen den Castor-Transport vom französischen La Hague ins niedersächsische Gorleben haben französische Polizisten aus Hubschraubern flächendeckend Kampfgas auf ein DemonstrantInnen-Camp versprüht. Deutsche Ordnungskräfte hingegen spritzen es nur den DemonstrantInnen direkt ins Gesicht. – Ist Deutschland also inzwischen zivilisierter als Frankreich?

27.11.2011: Bundesinnenminister Friedrich sagt im Interview mit der „Welt am Sonntag“, die Morde der terroristischen Neonazis belegten, dass „wir“ die Vorratsdatenspeicherung brauchen, und dass V-Leute in der NPD nötig seien. Außerdem denke er über ein NPD-Verbot nach. – Die Verfassungsschutz-Ämter haben mit ihrer Spitzel- und V-Leute-Strategie eine zehn Jahre andauernde Mordserie „nicht bemerkt“. Sie haben V-Männern sechsstellige Jahresgehälter gezahlt, die damit NPD-Parteigliederungen aufbauten, Waffen beschafften und sich mit dieser Blödheit des Staates brüsteten. Der unangenehme Verdacht ist, dass es sich nicht um Blödheit handelte, sondern um echte Kumpanei. – Man liest, dass die antidemokratische Gesinnung der NPD und ihre Nähe zur rechtsterroristischen Kriminalität die entscheidenden Gründe für ein Verbot dieser Partei seien. Wenn diese Kriterien allgemein gelten: Wie kann man dann an einem Verbot des „Verfassungsschutzes“ vorbeikommen? – Aber der Bundesinnenminister will diese offensichtliche Gefahr für unsere Verfassungsordnung nicht auflösen, sondern mit weiteren klandestinen Kompetenzen ausstatten. Ein weiterer Bock als Gärtner.