anti-repression

Ein Anti-Knast-Bericht

Kletteraktivistin Franziska Wittig: "Ätsch! Repression kann zu politischem Engagement führen!"

| Franziska Wittig

Wegen einer zwölfstündigen Ankettaktion im Gleisbett der Castorstrecke musste die GWR-Autorin und Anti-Atomkraft-Aktivistin Franziska Wittig eine 69tägige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim in Frankfurt/M. antreten. Am 21. Dezember 2011 wurde die 29-Jährige aus der Haft entlassen. Für die GWR-LeserInnen beschreibt sie ihre dort gemachten Erfahrungen. (GWR-Red.)

Im November 2008 hielten wir in einer Kleingruppe den Castor-Transport von LaHague nach Gorleben über zwölf Stunden auf (die GWR berichtete).

Dies war eine von vielen effektiven Ankettaktionen, die es in den letzten Jahren gab.

Besonders war in unserem Fall, dass die Aktion den Castor unerwartet früh blockierte. Eine unterhalb der Gleise eingelassene Ankettvorrichtung aus Beton und Kunststoffröhren war an der eingleisigen Strecke zwischen dem pfälzischen Berg und Wörth am Rhein vorhanden gewesen.

Unser Aktionsort befand sich also nicht im Wendland, sondern nahe der deutsch-französischen Grenze. Kurz nachdem zwei befreundete Aktivisten und ich in den Mittagsstunden des 08.11.2008 unsere Arme in die Kunststoffröhren steckten, demonstrierten etwa 16.000 Menschen in Gorleben gegen den Transport.

Für uns folgten Strafbefehle und Verfahren. Die Strafverfahren gegen vier UnterstützerInnen, die ursprünglich der Beihilfe zur Nötigung beschuldigt wurden, wurde zwar eingestellt – seit einer Weile stehen gegen diese vier allerdings Bußgeldbescheide wegen „Verstoß gegen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung“ im Raum.

Diesbezüglich wird es voraussichtlich zu Ordnungswidrigkeiten-Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam kommen.

Im Gegenzug für Einstellung dieser vier Beihilfe-Verfahren mussten wir Angeketteten unsere Strafbefehle akzeptieren.

Dass die damit rechtskräftige Geldstrafe abzusitzen war, war für mich klar. Denn so konnte ich zeigen, wie dieses System mit KritikerInnen wie uns umgeht. Eine Bezahlung wäre schließlich genauso eine Bestrafung gewesen. Deshalb trat ich am 14. Oktober 2011 eine Freiheitsstrafe im sog. „Offenen Vollzug“ der JVA Frankfurt III an.

Ich kann gut verstehen, dass Personen sich in vielen Fällen auch entscheiden, Strafgelder zu bezahlen. Trotzdem war es für mich in diesem Fall die richtige „Entscheidung“, dies zu verweigern – doch was ist das überhaupt für eine Entscheidung? Eine Wahl zwischen zwei Übeln, so frei, wie die Entscheidung einer Maus zu rennen oder gefressen zu werden. Doch – um in diesem Bild zu bleiben – auch Mäuse können sich wehren.

Bestraft werden sollten wir wegen unseres Protestes gegen Atomkraft

Indem wir uns dem Transport in den Weg gelegt hatten, hatten wir deutlich gemacht, dass wir die Vorgaben von Staat und Atomlobby nicht akzeptieren würden.

Eingesperrt wurde ich, weil ich diesem Staat kein Geld geben wollte. Also weil ich keine Struktur unterstützen will, die mit ihren Mitteln Atomkraftwerke versteckt subventioniert, Transporte gegen den Willen der Bevölkerung von Tausenden PolizistInnen „durchprügeln“ lässt und kritische Menschen wie uns bestraft. Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig.

Ein aktueller Grund gegen die Zahlung von Strafgeldern in die Staatskasse wären die geplanten Hermesbürgschaften der deutschen Regierung für AKW-Neubauten in Brasilien, Indien, China und weiteren Staaten. Der sog. „Atomausstieg“ ist eine Mogelpackung, wie auch die Erweiterung der Uranfabrik in Gronau zeigt.

Dort wird Uran für die Weiterverarbeitung zu Brennstäben angereichert und also auch an dem Betrieb von AKW anderswo mitverdient.

Meine Entscheidung konnte im Rückblick unter anderem deshalb „richtig“ sein, weil ich eine starke Unterstützung von außen erfuhr. Dazu gehören die Menschen aus dem politischen und persönlichen Freundeskreis, die mir regelmäßig schrieben, genauso wie fremde Personen, die Zeitungsartikel und Aufrufe zum Anlass nahmen, mir ermunternde Post zu schicken. Einige schrieben, dass sie sich durch meine Haft ermutigt fühlten, sich ebenfalls an den Protesten gegen Castortransporte zu beteiligen. Derartige Rückmeldungen stärken und motivieren.

Hinzu kommt, dass öffentliche Aufmerksamkeit in der Regel nicht ohne Einfluss auf die Haftbedingungen bleibt.

Die Entscheidung, in den Knast zu gehen und so die Strafe zur Aktion zu machen, kann auch Teil eines offensiven Umgangs mit staatlicher Repression sein. Beispielsweise läuft die regelmäßige Androhung von Erzwingungshaft bei Bußgeldern ins Leere, wenn sie nicht mehr geeignet ist, etwas zu erzwingen. Auch in strafrechtlichen Fällen wie meinem, kann die bewusste Inkaufnahme der Strafe offensiv gesehen werden, wenn mensch deutlich macht, dass diese uns nicht von weiterem Protest und Widerstand abhalten kann.

Haft

Inhaftierung wirkt mit allen Begleitumständen auf verschiedene Menschen unterschiedlich. Möglicherweise kann eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema Knast eine hilfreiche Vorbereitung sein.

Die Überlegung konkreter Strategien zur Nutzung der einsamen Zeit im Haftraum ist angeraten. Mir hat es auch geholfen, die zeitliche Begrenzung der Haftzeit vor Augen zu haben.

Der Aufbau eines Unterstützernetzwerkes und die Entwicklung von Konzepten für einen Freikauf in Notfällen ist sinnvoll.

Mit all dieser Unterstützung war meine Lage aber nicht mehr vergleichbar mit der Situation anderer inhaftierter Frauen, die kaum oder gar keine Briefkontakte haben. Eine junge Frau, die ich dort traf, hatte niemandem in ihrem persönlichen Umfeld von ihrer Haft erzählt. Da sie lediglich die Raten einer geringen Geldstrafe wegen Schwarzfahrens nicht schnell genug bezahlen konnte, hatte sie gehofft, innerhalb eines Monats wieder draußen zu sein und ihrem Freund telefonisch mitgeteilt, sie sei mit einer Freundin in Holland.

Als sie wegen einer weiteren Schwarzfahr-Strafe länger bleiben musste, wurde der bereits ohnehin misstrauische Partner ärgerlich und beendete die Beziehung.

Wenig später konnte sie eine Vertrauensperson erreichen, die sie freikaufte, doch ihre mehrjährige Beziehung konnte sie trotz starker Bemühungen nicht wieder herstellen. Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Knast soziale Gefüge zerstört. Natürlich könnte mensch hier argumentieren, dass eine Beziehung, in der solche Lügenmärchen aufgetischt werden, ohnehin kaum etwas wert sei – doch eine solche Wertung sollte den Beteiligten überlassen bleiben. Auch eine Mutter, die ihrer Tochter erzählt, sie sei über ein Jahr lang im Krankenhaus, können wir wohl erst dann richtig verstehen, wenn wir uns in ihrer Situation befinden.

Ohnehin gehören die allein erziehenden Mütter und ihre Kinder zu einer der Personengruppen, die meiner Ansicht nach am meisten unter den Folgen der Haft leiden. So stehe ich in Kontakt mit mehreren inhaftieren Frauen, die darüber klagen, welche Folgen ihre Haft für ihre Kinder hat. Wenn kein Partner und keine freundliche Verwandtschaft da ist, werden die Kinder einfach ins Heim gesteckt. Die ohnehin schwierigen Haft-Besuche werden damit in vielen Fällen noch aufwändiger und seltener. Schulische Leistungen lassen nach, Lebenswandel und Freundeskreis ändern sich. Von der Haftleitung bekommen die besorgten Mütter dann in vielen Fällen nur zu hören, das hätten sie sich schließlich auch vor Begehung der jeweiligen Straftat überlegen können, und offenbar sei ihnen erst jetzt eingefallen dass ihnen etwas an ihren Kindern läge.

Doch unabhängig davon, ob es um Kinder oder weitere Verwandtschaft geht, habe ich Frauen erlebt, die angesichts einer Notlage ihrer Angehörigen in Freiheit aufgewühlt und angesichts ihrer persönlichen Lage dann hilflos waren.

Eine Mitgefangene erzählte mir, dass sie einmal, als ihr Vater schwer krank im Krankenhaus lag, mit der Knast-Sozialarbeiterin die Möglichkeiten eines Sonderausgangs für einen Besuch durchsprach.

Ein solcher Ausgang sei ggf. nur für die Beerdigung – nicht für Besuche zu Lebzeiten – möglich, wurde ihr in dem Gespräch gesagt. Entsetzt antwortete die Inhaftierte, dass ihr Vater im Todesfall in sein Heimatland Marokko überführt würde.

„Also nach Marokko kann ich Sie natürlich nicht lassen“, entgegnete die Sozialarbeiterin nur.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Knast ist immer auch zu berücksichtigen, dass die Vollzugsanstalten sich sehr in ihrem Vollzugsalltag unterscheiden können.

So sind beispielsweise Knäste für Frauen ein wenig anders als die für Männer. So müssen z.B. in Hessen männliche Strafgefangene in Anstaltskleidung herumlaufen, während Frauen meist eigene Kleidung erlaubt wird. Auch regional gibt es Unterschiede: so haben viele Bundesländer ein eigenes Strafvollzugsgesetz. Daran hängen wichtige Grundfragen, wie beispielsweise die Frage wann „offener Vollzug“ möglich ist, und die Person also evtl. auch gelegentlich mal den Knast verlassen darf.

Im August 2010 war ich schon einmal zwei Wochen lang in der geschlossenen Anstalt im Baden-Württembergischen Bühl inhaftiert.

Dort war die Grundstimmung unter den Inhaftieren „geselliger“ und vertrauter als im „offenen Vollzug“ der JVA Frankfurt III, wo ein Teil der Frauen mehrere Wochenstunden Ausgang hatte und damit in vielen Fällen auch Kontakt zu nahestehenden Personen pflegen konnte. Bühl schreckte ab mit Details wie u.a. Plastikgeschirr, Postkontrolle und streng stukturierten Abläufen – andererseits gab es dort „Freizeitangebote“ wie gemeinsame Bastelstunden.

Der Alltag in den Anstalten unterschied sich auch dadurch, dass es in Bühl mehr Arbeit gab, und damit auch ein höheres Risiko zur Zwangsarbeit verpflichtet zu werden Ein weiteres Beispiel: Da in Bühl auch Untersuchungsgefangene sitzen, beschränkt dies auch die Haftbedingungen der dort sitzenden Strafgefangenen, so dass hier u.a. jedes Telefonat mitgehört wird.

Aus der Haft entlassen

Am 21.12.2012 wurde ich nach 69 Tagen aus der Strafhaft entlassen. Nach § 17 Abs.1 HstVollzG wurde ich aufgrund der Weihnachtsfeiertage fünf Tage eher als erwartet entlassen.

Dass Strafe und Gefängnisse als solche schon nicht mit einer herrschaftskritischen Grundeinstellung vereinbar sind, versteht sich von selbst. Meine Beobachtungen im Knast, lassen mich allerdings sogar an der Umsetzung jeglichen Resozialisierungsgedanken innerhalb der rechtstaatlichen Logik zweifeln. Nicht nur deshalb spreche ich mich deutlich gegen Knäste und andere Strafsysteme aus und empfehle den Besuch von Anti-Knast-Demos oder auch Briefkontakte mit Langzeitinhaftierten.

Anmerkungen

Gegen die UnterstützerInnen der Aktion, die sich als Polizeikontakt und für unsere Versorgung zur Verfügung stellten, stehen in Kürze Prozesse vor dem Amtsgericht Potsdam an. Wer diese unterstützen will, kann dies persönlich tun (Kontakt: bloXberg@lavabit.com) oder auch mit einer Spende Strafgelder und Prozesskosten abmildern (Solikonto: Konto "Förderverein Spenden und Aktionen", Betreff "Gleisblockade Prozesse", KtoNr 92881806, Volksbank Mittelhessen, BLZ 51390000).

Knasterfahrungen und weitere Infos zum Thema: http://knast.blogsport.de/

Berichte zur Aktion und zum Prozess: http://bloxberg.blogsport.de/