Politische Kunst in Mexiko wird gemeinhin mit den großen Wandbildern (Murales) assoziiert, die im Anschluss an die Mexikanische Revolution (1910 -1920) von Malern wie Diego Rivera, David Álfaro Siqueiros u.a. im öffentlichen Raum entstanden. Als sich in den 1960er Jahren auch in Mexiko die Arbeitskämpfe ausweiteten und eine Studierendenbewegung entstand, galt der Muralismus längst als erstarrte Staatskunst. Wie sonst nur im Pariser Mai, kam es im Kontext der mexikanischen 68er-Bewegung zu einer enormen Produktion von Gebrauchsgrafik, mit denen die studentischen Forderungen nach mehr Demokratie an Häuserwände und Busse geklebt wurden. Die Bewegung wurde am 2. Oktober 1968, keine zwei Wochen vor der prestigeträchtigen Eröffnung der Olympischen Spiele, mit einem Massaker niedergeschlagen, das das Militär an einer studentischen Demonstration verübte. In den frühen 1970er Jahren konnte soziale und politische Mobilisierung außerhalb der Staatspartei Institutionell Revolutionäre Partei (PRI) schnell lebensgefährlich werden. Innerhalb des künstlerischen Feldes jedoch entwickelte sich Einzigartiges: Ab den frühen 1970er Jahre gründeten sich eine Vielzahl künstlerischer Kollektive - mit Namen wie Grupo Suma, Proceso Pentágono oder schlicht El Colectivo -, die die (lateinamerikanische) Kunstgeschichte mittlerweile als "Los Grupos", "die Gruppen" kennt. Los Grupos stehen einerseits für lateinamerikanische Ansätze konzeptueller Kunst, zielten andererseits aber nicht nur auf die Erneuerung künstlerischer Ausdrucksformen, sondern auch auf die des Verhältnisses von Kunst und politischem Aktivismus. (1) Wegen dieses Anspruches und der kollektiven Produktionsformen schrieb die Kunsthistorikerin Cristina Híjar die Gruppen (Los Grupos) einer "anarchistischen Tradition" ein. (2)
Arnulfo Aquino Casas verkörpert in besonderer Weise die Kontinuität von 1968 in die künstlerischen 1970er Jahre: Der Künstler und spätere Kunstprofessor war sowohl Aktivist der mexikanischen 68er-Bewegung als auch Mitbegründer einer der wichtigsten Kollektive von Los Grupos, der Grupo Mira (1977-1982). Ab 1974 war er Professor am der Grafik-Design Hochschule des Nationalen Instituts der Schönen Künste (INBA) in Mexiko-Stadt, sein Werk wurde in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und mit einer Vielzahl von Preisen gewürdigt. Heute lebt er in Oaxaca. Das Interview, das im Januar 2012 von Jens Kastner für die GWR per Email mit ihm geführt wurde, ist Teil einer Interview-Reihe zu den mexikanischen 1970er Jahren. (3)
GWR: Lassen sich die künstlerischen Bewegungen der 1970er Jahre als Reflex auf die Proteste von 1968 beschreiben und wenn ja, in welcher Hinsicht?
Arnulfo Aquino Casas: Es müsste Gruppe für Gruppe untersucht werden, um die spezifische Geschichte mit dem Kontext der 1960er Jahre in Verbindung zu bringen, die ja eine Dekade intensiver populärer und politischer Bewegungen waren. Viele später wichtige Entwicklungen begannen in diesem Jahrzehnt, etwa der Arbeiteraufruhr für eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung und für bessere Löhne und Sozialleistungen, die Universitätsreform mit der Gründung der Universidad Autónoma Metropolitana (UAM) [1974] und die Konfrontationen in den öffentlichen Universitäten in den Bundesstaaten Guerrero, Puebla, Oaxaca, Sinaloa, Nuevo Leo…, die schließlich am 10. Juni 1971 in Mexiko-Stadt durch die paramilitärische Gruppe „Die Falken“ („Los Halcones“) niedergeschlagen wurden, die extra für die Unterdrückung der Studierenden gegründet worden war.
Darüber hinaus sind die Befreiungsbewegungen in Nikaragua, El Salvador, Vietnam, die Kuba-Solidarität und die Bewegungen der Chicanos und der Schwarzen in den USA zu erwähnen.
Die Grupo Mira hat einen direkten Bezug zum mexikanischen 1968. Er besteht in der Teilnahme an der Bewegung, in der grafischen Produktion von `68 und den künstlerischen Vorschlägen dieser Ära. Proceso Pentágono hat ebenfalls einen Bezug zur Studierendenbewegung und zur Konfrontation mit dem Militarismus und den US-Interventionen in Lateinamerika.
Andere Gruppen stießen sich eher an der anachronistischen künstlerischen Ausbildung in den Kunsthochschulen ab und haben sich sozialen und öffentlichen Kunstformen verpflichtet. Dies war im Fall der Grupo Suma in der Akademie von San Carlos und der Gruppe Germinal in der Kunsthochschule La Esmeralda ebenso der Fall wie bei Gruppen, die sich rund um die Stadtteilarbeit gründeten, wie etwa Tepito Arte Acá [benannt nach dem Armenviertel Tepito in Mexiko-Stadt].
GWR: Der Konzeptkünstler und Chronist des Lateinamerikanischen Konzeptualismus, Luis Camnitzer, beschreibt die konzeptuelle Kunst in Lateinamerika als sehr politisch. (4)
Allerdings war hier häufig gar nicht von „konzeptueller Kunst“ die Rede, sondern man sprach mit einem Begriff des peruanischen Kunsthistorikers Juan Acha von „arte no-objetual“, nicht objekthafter Kunst. Die Performance-Künstlerin und heutige Kunstprofessorin Maris Bustamante prägte später den Begriff „formas PIAS“ – als Abkürzung für performance, instalación und ambientación -, um die Kunstformen der 1970er und frühen 80er Jahre zusammenzufassen. Welches sind die zentralen Charakteristika dieser Kunstformen? Würden Sie Camnitzer zustimmen?
Arnulfo Aquino Casas: Mit dem Begriff „arte no-objetual“ wollte man in der Tat zu Beginn der Konzeptualismen gegen das konventionelle Kunst-Objekt Stellung beziehen und Performances, Installationen und die Umgebung einbeziehende, szenische Kunst, auf die Maris Bustamente sich bezieht, als Gegenvorschläge installieren. Auch die waren in den 1960er Jahren aufgetaucht, so etwa in Form der Happenings, die Alejandro Jodorovsky in San Carlos veranstaltete oder in Form einiger Installationen der Gruppe 65 und von Arte Otro, die ebenfalls in San Carlos zu sehen waren, oder im Salon Independiente [Der Salon Independiente, Unabhängiger Salon, war als selbstorganisierte Ausstellung 1968 von KünstlerInnen als Reaktion auf das offizielle Kulturprogramm zu den Olympischen Spielen gegründet worden.]
Aber das waren nicht immer politische Vorschläge, es handelte sich allenfalls um Infragestellungen der traditionellen oder akademischen Künste: Malerei, Skulptur und Grafik. Man sprach in jenen Jahren auch von Neografik oder von alternativer Grafik, die teilweise eine klar politische Intention hatte, wie das etwa im Falle des „Comunicado Gráfico“ der Grupo Mira und der monumentalen Transparente von Germinal der Fall war.
Aber man müsste das genauer ansehen, um den Sinn des Politischen zu bestimmen.
Beispielsweise entstand in den aufgewühlten 1960er Jahren grafische Propaganda, die mit den Arbeitern verknüpft war, mit ihren Treffen, Demonstrationen und anderen politischen Aktivitäten, an denen KünstlerInnen und DesignerInnen teilnahmen. Die Gruppe Proletarische Propaganda etwa war kein künstlerisches Kollektiv, sondern eine Arbeiterpropagandagruppe. Dennoch hatte ihre Arbeit kein geringes künstlerisch-formales Niveau. Letztlich lässt sich das alles nicht verallgemeinern, man müsste das genauer aufschlüsseln.
GWR: Wie wurde auf die Stadt und das Urbane Bezug genommen?
Wurde der Stadtraum als besonderer Raum wahrgenommen, in den mit besonderen Mitteln interveniert werden sollte? Gab es eine Vorstellung der Herstellung von Öffentlichkeit, für die sich die Stadt als (möglicherweise zu erobernder) Raum besonders anbot?
Arnulfo Aquino Casas: Im Hinblick auf künstlerische Formen, die den städtischen Raum besetzen, ist die „Ruta de la Amistad“ („Route der Freundschaft“), die [als 17 km langer Innenstadtpfad mit 19 monumentalen Beton- und Stahlskulpturen] unter Leitung des Künstlers Mathias Goeritz [im Auftrag der Mexikanischen Olympischen Komitees] realisiert wurde, sicher der konkreteste Ausdruck. Auch über das [von dem US-amerikanischen Designer Lance Wyman entwickelte] Design der Olympiade müsste man sprechen, das Interventionen in die öffentliche Infrastruktur vornahm […].
Aber man müsste auch von der Studierendenbewegung sprechen, die die Mauern anmalte, politische Grafik auf Wände und auf Busse plakatierte, Figuren und Transparente auf Demonstrationen trug und nicht zuletzt müsste das Wandgemälde erwähnt werden, das KünstlerInnen auf dem mit Blechwänden zugestellten Denkmal des ehemaligen Präsidenten Miguel Alemán auf dem Rektoratsgelände in der Universitätsstadt anfertigten. Diese Umstände haben eine konzeptuelle Veränderung hinsichtlich des städtischen Raumes als öffentlichem Raum ausgelöst, die sich in den 1970er Jahren mit den Arbeiten von beispielsweise Grupo Suma oder den Wandgemälden von Tepito Arte Acá fortgesetzt haben.
GWR: Als wichtiger Aspekt der konzeptuellen Kunst der 1970er Jahre gilt die Kritik an den Institutionen des Kunstfeldes (Museum, Galerien). Was bedeutete das konkret für die künstlerische Produktion?
Arnulfo Aquino Casas: Ebenfalls als Folge von 1968 haben sich die Paradigmen der Produktion, der Zirkulation und des Konsums von Kunst verändert – inklusive der auch damals begonnenen Ablösung der Bezeichnung „artes plásticas“ [meist übersetzt mit „schöne Künste“, wörtlich „plastische Künste“] durch die „artes visuales“ [„visuelle Künste“], was den Begriff der Kunst für die Fotografie und den Film ebenso öffnete wie für Installationen und Performances. Aber um auf die Institutionen zurückzukommen und mit den (Hoch-)Schulen zu beginnen, hier waren neue Studienpläne notwendig geworden; im Fall der Museen bezogen wir uns konkret auf die staatliche Kontrolle über die Räume, die für andere Öffentlichkeiten geöffnet werden mussten.
Als Grupo Mira haben wir unsere Comunicados nicht an das Expertenpublikum oder zumindest nicht an das konventionelle Museums- und Galerienpublikum gerichtet.
Im Fall der Galerien gab es eine Unbedarftheit gegenüber der Kommerzialisierung der Kunst und ihrer Warenförmigkeit, auf diesem Gebiet begannen einige Künstler wie u.a. Melecio Galván oder Jorge Pérez Vega, die Galerien zu ignorieren und verzichteten darauf, ihre Werke zu verkaufen. Als Anekdote scheint mir die Teilnahme der Grupo Mira an einer 1979 im Museo de Arte Moderno (MAM) in Mexiko-Stadt realisierten Ausstellung ein interessantes Beispiel zu sein. Die Einladung war für die Präsentation einiger von den verschiedenen Kollektiven geschaffenen Arbeiten ausgesprochen worden, aber Grupo Mira stellte nicht ihr Comunicado über die Gewalt in der Stadt aus, sondern eine Bildreportage, die die Gruppe im März 1968 an verschiedenen, unkonventionellen Orten ausgestellt hatte. Außerdem schlugen wir für den Katalog, in dem jede Gruppe die eigene Seite gestaltete und ihre Inhalte bearbeitete, eine Kritik an Galerien und Museen als staatlich kontrollierte Kunsträume vor. „Zufälligerweise“ verschwand die Seite und wurde im Katalog nicht gedruckt.
GWR: Worin bestanden die Beweggründe für die kollektive Organisierung? Ließe sich sagen, dass diese einerseits in der (kunstfeldinternen) Ablehnung der Künstler-Schöpfergenie-Ideals bestanden, sich andererseits aber auch als Gegenmodell gegen die als entfremdet ausgemachte kapitalistische Individualisierung der beginnenden postfordistischen Ära richtete? Ist die künstlerische Kollektivität von Los Grupos in dieser zweiten Hinsicht aus der Sicht der AkteurInnen möglicherweise als Alternative zur Guerilla-Organisierung verstanden worden?
Arnulfo Aquino Casas: Auch die kollektive Arbeit war ein Produkt der Studierendenbewegung. Die Werke wurden nicht unterzeichnet und man reklamierte auch nicht die damit verbundene Anerkennung für sich. Solches Verhalten resultierte aus der nachdrücklichen Aktivität der Bewegung, und so übertrugen sich auch andere Aspekte der Bewegung in die 1970er Jahre. Die Zurückweisung des Künstlers als genialem Schöpfer war eine Interpretation von Kritikern wie Alberto Híjar, der auch ein aktiver und wichtiger Teil der Organisierung von Los Grupos war. Híjar war auch der Initiator der Frente Mexicano de Grupos Trabajadores de la Cultura [Mexikanische Front der Gruppen von Kulturarbeitern], eine Organisation, die die Gruppen nach der Paris Biennale 1977 und bis zur Ausstellung „América en la mira“ Ende der 1970er Jahre zusammenhielt. [Die Frente löste sich 1982 auf] Und wenn es eine Ablehnung der Individualisierung als Produkt des Kapitalismus gab, dann ohne theoretische Klarheit darüber, denn gleichzeitig identifizierten wir uns mit der Arbeit der Arbeiterinnen und Arbeiter, weshalb wir uns als Kulturarbeiter bezeichneten. Und was die Guerilla betrifft, müsste auch hier Fall für Fall betrachtet werden. Für die Grupo Mira, denke ich, war zu keinem Zeitpunkt die kollektive Organisierung als eine Alternative zur Guerilla gedacht. Es gab in Wirklichkeit keine klare Organisationsstruktur, die Zusammenarbeit ergab sich vielmehr in jedem einzelnen Projekt und entlang bestimmter historischer Themen, an denen wir im Kontext unserer Berufsausbildung arbeiteten, sowie in Bezug auf andere Themen, mit denen wir uns beschäftigten.
GWR: Hat sich die Kritik der Repräsentation, ein weiteres Kennzeichen der „arte no-objetual“, auch auf die eigene künstlerische Arbeit bezogen, in Form eines selbstreflexiven Umgangs mit Formen der Darstellung und der Stellvertretung?
Arnulfo Aquino Casas: Auch die Repräsentationsformen waren sehr unterschiedlich. Jeder einzelne und jede Gruppe hat das für sich selbst in der eigenen individuellen oder kollektiven Arbeit entwickelt. Ich denke nicht, dass die theoretische Reflektion darüber besonders ausgeprägt war.
Zudem entschieden sich auch nicht alle für die nicht-objekthafte Kunst, in einigen Fällen gab es eine Suche nach den PIAS-Formen wie etwa bei No Grupo, Proceso Pentágono oder Peyote. Letztere versuchte, Installationen als politische Statements zu realisieren, Grupo Suma arbeitete auf der Straße mit ästhetischen Mitteln, die an das Soziale gebunden waren, Tepito Arte Acá bemalte Wände in den Stadtteilen, Germinal nutze Transparente als tragbare Wandgemälde in der Ausbildung für junge Grafik-Designer, Grupo Mira fand in den grafischen Comunicados eine Möglichkeit, modulare und monumentale figurative Grafik mit großer kommunikativer Ausstrahlung zu verbreiten.
Man müsste die Techniken und Technologien, die auch Teil der Formalisierung der kollektiven Produktion waren, genauer untersuchen.
GWR: Wie steht es um das Politische dieser 70er-Jahre Bewegungen? Handelt es sich bei den KünstlerInnegruppen um neue Formen der politischen Artikulation, die in der Tradition von künstlerischen Kollektiven in Mexiko stand, oder, wie der marxistische Kunsthistoriker Alberto Híjar Serrano meint, um eine Entpolitisierung, die nur um ihre eigene Selbstbestätigung kreist, und mit jener Tradition geradezu bricht? (5)
Arnulfo Aquino Casas: Wie schon gesagt, in einigen Momenten war die Studierendenbewegung sehr präsent, was auch mit einer politischen Position gegen den mexikanischen Staat und sein Verständnis von Vaterland und Geschichte einherging.
Zugleich gab es auch eine Ablehnung gegenüber der Militarisierung des Landes, die noch mit dem Massaker vom 2. Oktober 1968 zusammenhing. Was es nicht gab, war eine Klarheit gegenüber den Traditionen, auf die Alberto Híjar sich bezieht. In der Praxis gab es eine ablehnende Haltung der mexikanischen Kunstgeschichte gegenüber, ab den 1960er Jahren empfanden wir uns als Teil eines Bruchs mit der offiziellen Geschichte, inklusive Muralismus und Taller de Gráfica Popular [Werkstatt für Populäre Grafik, 1937 gegründet], und waren auf der Suche nach zeitgenössischen Ausdrucksformen in der Kunst.
Aber wie ich auch schon betont habe, gab es eine Identifizierung mit den Arbeiterbewegungen und eine Solidarität mit den Befreiungsbewegungen gegen den „Yankee-Imperialismus“. Es gab eine prinzipielle Ablehnung gegenüber aufgezwungenen Autoritäten, die sich auch auf die AktivistInnen innerhalb der politischen Parteien bezog. Auch hier müsste wieder jeder Fall für sich untersucht werden, aber ich denke, nur die wenigsten dieser KünstlerInnen haben sich mit linken Parteien eingelassen, als diese [ab Anfang der 1980er Jahre] offiziell zugelassen wurden.
Grupo Mira etwa hatte sich geweigert, an dem Oppositionsfestival teilzunehmen, das die Kommunistische Partei Mexikos organisiert hatte – das war kurz, nachdem wir den Intergrafik-Preis in der DDR [vergeben vom Verband Bildender Künstler der DDR, VBK] gewonnen hatten. Alberto Híjar hat immer die Kontinuität zu den historischen Koalitionen und Kollektiven hervorgehoben, aber man muss die unterschiedlichen Kontexte zur Kenntnis nehmen, um die Gruppen der 1970er Jahre richtig einordnen zu können.
Die Selbstbestätigung mag in einigen Fällen eine Rolle gespielt haben, ich würde es aber eher als Konfusion gegenüber dem komplexen Panorama an Veränderungen in jener Ära beschreiben, die den Eintritt in die Globalisierung kennzeichnet.
(1) Die Bezeichnungen konzeptuelle Kunst oder Konzeptualismus sind umstritten, sowohl was etwa die konkreten künstlerischen Mittel als auch was die allgemeine historische Einordnung betrifft (Gibt es konzeptuelle Kunst seit Fluxus und Happening, also ab Anfang der 1960er Jahre, seit Marcel Duchamp oder gar seit Diego Velazquez im 17. Jahrhundert?) Tony Godfrey bietet einen hilfreichen Definitionsversuch: "Konzeptuelle Kunst handelt nicht von Formen oder Materialien, sondern von Ideen und Bedeutungen. Sie kann nicht mit den Begriffen irgendeines Stils oder Mediums definiert werden, sondern eher durch die Art und Weise, in der sie infragestellt, was Kunst sein soll. Konzeptuelle Kunst fordert insbesondere den traditionellen Status des Kunstwerks als einmalig, sammelbar und verkäuflich heraus. Weil das Werk keine traditionelle Form annimmt, verlangt es vom Betrachter eine aktivere Reaktion, man kann sogar so weit gehen, zu sagen, dass das konzeptuelle Kunstwerk allein in der geistigen Anteilnahme des Betrachters tatsächlich existiert. Diese Kunst kann verschiedene Formen annehmen: Alltagsgegenstände, Fotografien, Karten, Videos, Tabellen und insbesondere die Sprache selbst." Tony Godfrey: Konzeptuelle Kunst. Berlin: Phaidon 2005, S. 4.
(2) Cristina Híjar: Siete Grupos de Artistas Visuales en los Setenta. Mexiko-Stadt: Conaculata/INBA 2008, S. 19.
(3) Bereits erschienen: Víctor Muñoz: "'Die Dinge konnten nicht so bleiben, als wenn nichts passiert wäre.' Kunstproduktion und soziale Bewegungen im Mexiko der 1970er Jahre." Ein Interview von Jens Kastner. In: Das Argument, Nr. 293, Heft 4/2011, 53. Jg., Berlin, S. 515-522.
(4) Luis Camnitzer: Conceptualism in Latin America. Didactics of Liberation. Austin: University of Texas Press 2007.
(5) Alberto Híjar Serrano: Frentes, Coaliciones y Talleres. Grupos Visuales en México en el Siglo XX. Mexiko-Stadt: Conaculta/ INBA 2007.