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Krise und soziale Kämpfe in Portugal

Die portugiesische Regierung setzt weiterhin auf die neoliberale Krisenbewältigung, vorgegeben durch die EU und den Internationalen Währungsfond (IWF). Die Maßnahmen zielen darauf ab, die staatlichen Ausgaben zu senken und die Einnahmen zu erhöhen. Dafür werden einerseits Löhne, Renten und andere Leistungen wie etwa das Arbeitslosengeld gekürzt und andererseits die Steuern und die Preise für den öffentlichen Nahverkehr usw. erhöht. Für die portugiesische Bevölkerung bedeutet dies eine Senkung des Einkommens bei gleichzeitiger Erhöhung der Lebenshaltungskosten.

Diese Regierungspolitik erzeugt an verschiedenen Fronten Opposition. Selbst der konservative Staatspräsident kritisiert die Regierung für einige der besonders unsozialen Maßnahmen. Die Kommunistische Partei und der ihr nahestehende Gewerkschaftsverband CGTP mobilisieren wiederholt zu Massenprotesten und Streiks. Nach dem Generalstreik im November 2011 fand am 2. Februar ein Streik im öffentlichen Nahverkehr statt. Am 11. Februar mobilisierte der Gewerkschaftsverband zu einer Demonstration in der Hauptstadt, wobei die CGTP angibt, dass 300.000 Menschen teilgenommen haben – Presseangaben sprechen von mehr als 100.000 DemonstrantInnen. Die nächsten Massenproteste werden am 29. Februar stattfinden und der nächste Generalstreik ist für den 22. März angesetzt.

Auch an anderen Fronten gehen die Auseinandersetzungen weiter. Das soziale Zentrum Es.Col.A. in Porto soll Ende März geräumt werden. Die Stadtverwaltung hatte im letzten Jahr das soziale Zentrum durch einen Polizeieinsatz räumen und schließen lassen. Nach einer langen und intensiven Kampagne war die Räumung im Herbst 2011 wieder rückgängig gemacht worden. Die BesetzerInnen mobilisieren derzeit für den Erhalt des Zentrums:

Offener Brief an die Stadtverwaltung bzgl. der angedrohten Räumung des sozialen Zentrums Es.Col.A. im Ende März

Die leerstehende ehemalige Schule Alto da Fontinha wurde, nachdem das Gebäude über fünf Jahre dem Verfall preisgegeben war, am 10. April 2011 besetzt, um den öffentlichen Raum wieder für die Menschen im Stadtteil nutzen zu können. Die Besetzung bekam schnell Unterstützung und es sammelte sich eine wachsende Gruppe von AktivistInnen, die angetrieben waren von der Idee, ein Projekt zu schaffen für soziale und kulturelle Aktivitäten – ohne finanzielle Zuschüsse, selbstverwaltet und mit und für die lokale Bevölkerung.

Die Instandsetzung des Gebäudes und der Gerätschaften begann – ebenso die sozialen und kulturellen Aktivitäten. Am 10. Mai, nur einen Monat nach der Besetzung, wurde das Gebäude auf Anweisung der Stadtverwaltung durch einen massiven Polizeieinsatz geräumt. Das Gebäude wurde wieder eingemauert und blieb mehr als zwei Monate leer, bis eine starke Mobilisierung der Bevölkerung den Stadtrat von Porto dazu trieb, die Zwangsräumung am 25. Juli wieder rückgängig zu machen und anschließend einen Nutzungsvertrag mit den BesetzerInnen abzuschließen.

Das Projekte kehrt wieder in das Gebäude zurück und die Aktivitäten wurden wieder aufgenommen und erweitert, entsprechend der Bedürfnisse der Menschen im Stadtteil: Es finden Kurse und Seminare für Alphabetisierung, Musik, Malerei, Schach, Yoga, Capoeira usw. statt. Das soziale Zentrum hat ebenfalls eine Stadtteilküche, eine Fahrradwerkstatt, eine Bibliothek, Internetzugänge, Theateraufführungen und ein Kino.

In den sieben Monaten seit der Wiederbesetzung hat die Stadtverwaltung keinen Versuch unternommen, einen Austausch mit dem Projekt und den Menschen im Stadtteil zu schaffen. Die jetzt angesetzte Räumung ignoriert ebenfalls, dass die im Nutzungsvertrag aufgeführten Anforderungen seitens der BesetzerInnen erfüllt wurden. Hier wird sichtbar, dass die Stadtverwaltung nur daran interessiert ist, das soziale Zentrum Es.Col.A. zu zerstören – und damit die bisherige Arbeit für das Stadtteil zunichte zu machen.

Angesichts dieser Haltung der Stadtverwaltung von Porto, die von Verachtung und Ignoranz gegenüber den Menschen vor Ort gekennzeichnet ist, können wir nur darauf hinweisen, dass wir, die BesetzerInnen, die angesetzten Räumung nicht für legitim halten. Das soziale Zentrum Es.Col.A. will auch weiterhin das Gebäude nutzen und die sozialen und kulturellen Aktivitäten fortführen, unter der Wahrung unserer Grundsätze: Unabhängige Strukturen ohne parteipolitische und ökonomische Interessen, selbstverwaltet und autonom, frei von Hierarchie, basisdemokratische und konsensuale Entscheidungen durch die Vollversammlung.

„Seja bem-vindo quem vier por bem“ (José Afonso) („Willkommen sind diejenigen, die mit guten Absichten kommen“)

Kontakt

Soziales Zentrum Es.Col.A.
Porto, Portugal
es.col.a.da.fontinha@gmail.com
http://escoladafontinha.blogspot.com/