Mit zahlreichen Vorschlägen und Ideen endete ein internationales Treffen zur Kriegsdienstverweigerung letzten Montag in Istanbul. Kriegsdienstverweigerer und AntimilitaristInnen aus der Türkei trafen sich mit VertreterInnen von Connection e.V., der War Resisters' International, dem Quaker United Nations Office und Amnesty International.
"Auf dem Treffen diskutierten wir die Probleme und Schwierigkeiten, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei in Anspruch nehmen zu können", erklärten die Aktiven aus der Türkei nach dem Treffen. "Nach den kürzlich ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erarbeiteten wir Möglichkeiten, wie wir die rechtliche Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung durchsetzen können."
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in zwei Urteilen im November 2011 und Januar 2012 die Türkei verurteilt, weil die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern die Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Artikel 3 (Verbot unmenschlicher Behandlung) und Artikel 6 (Recht auf gerichtliches Gehör) der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzen. Das Gericht stellte klar heraus, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufgrund der Praxis in fast allen Ländern des Europarates ein Menschenrecht darstellt. Die türkische Regierung zeigt sich aber trotz verschiedener Urteil und Gesetzentwürfe bislang nicht bereit, Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen. Die Strafverfolgung wird fortgesetzt.
"Wir rufen zum Widerstand auf"
"Wir betonen", so die Aktiven in der Türkei, "dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Teil einer neuen Verfassung und als Recht für jeden Bürger anerkannt werden muss." Mit einer öffentlichen Kampagne, einem eigenen Gesetzentwurf und Lobbyarbeit wollen sie weiter dafür und gegen die Militarisierung in der Türkei streiten. "Seit vielen Jahren leidet die Türkei unter dem Krieg in Kurdistan. Er hat bereits mehr als 40.000 Menschen das Leben gekostet und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, politische Morde, Vermisste und Folter zur Folge. Der einzige Weg, um den Krieg zu beenden, ist eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage. Wir sehen den Militarismus als das entscheidende Hindernis für eine friedliche und freie Koexistenz. Wir rufen alle zum Widerstand dagegen auf."
Halil Savda in Haft
Nur einen Tag vor dem Treffen wurde der Kriegsdienstverweigerer Halil Savda festgenommen. Er war aufgrund seiner öffentlichen Unterstützung von zwei israelischen Kriegsdienstverweigerern am 1. August 2006 wegen "Distanzierung des Volkes vom Militär" zu fünf Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil gegen Halil Savda erging im Juni 2008, wurde im November 2010 vom Berufungsgericht bestätigt und ihm im Februar 2011 zugestellt. Nun lag ein Haftbefehl gegen ihn vor.
Gegen Halil Savda gibt es drei weitere Verfahren wegen "Distanzierung des Volkes vom Militär". So wurde er im Juni 2010 aufgrund einer öffentlichen Solidaritätserklärung für den türkischen Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir zu sechs Monaten Haft verurteilt.
Halil Savda war bereits 17 Monate wegen seiner Kriegsdienstverweigerung inhaftiert. Er wurde 2008 ausgemustert.
Artikel 318 – Strafverfolgung kritischer Äußerungen
Mit der Strafandrohung von bis zu zwei Jahren wegen "Distanzierung des Volkes vom Militär" werden in der Türkei kritische Äußerungen gegen das Militär strafrechtlich verfolgt. "Artikel 318 des türkischen Strafgesetzbuches ist eines der Gesetze, die die Meinungsfreiheit einschränken", erklärten die Aktiven in ihrer gemeinsamen Erklärung. "Es ist ein Instrument der Unterdrückung gegen Antimilitaristen und Kriegsdienstverweigerer. Der Artikel muss ersatzlos aufgehoben werden."
Bitte um Unterstützung
"Die Türkei setzt die Verfolgung der Kriegsdienstverweigerer fort", so Rudi Friedrich von Connection e.V., der an dem Treffen in der Türkei teilnahm. "Trotz zahlreicher Urteile und Empfehlungen internationaler Institutionen hält die türkische Regierung an ihrer Politik der harten Hand fest. Die Verweigerer brauchen für ihren Kampf für die Menschenrechte dringend weitere Unterstützung."
Kontakt & Infos
Protestschreiben können gesendet werden an Präsident Abdullah Gül, cumhurbaskanligi@tccb.gov.tr
Solidaritätsschreiben an Halil Savda können gesandt werden an:
Halil Savda Dogubeyazit Kapali Cecaevi, Dogubeyazit, Agri, Türkei.
Online-Aktion: Protest- wie Solidaritätsschreiben können auch online über www.Connection-eV.de/halilsavda-form versandt werden.