Feind hinterm Fenster. Deckung, orientieren, Schuss. Blitzschnell informiert der Laser-Duellsimulator die Kämpfenden, wer getroffen hat und wer getroffen wurde, wer weiter übt und wer liegenbleibt in der Steppe Sachsen-Anhalts. Das deutsche Heer trainiert im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) - Altmark, wie ein Dorf in Afghanistan, im Kosovo oder - einer Einschätzung der Nato über künftige Kriege folgend - eine beliebige Stadt der Erde überfallen und besetzt werden kann.
Das GÜZ ist für Bundeswehr, NATO und EU ein zentraler Ort. Hier beginnt der Krieg, der weltweit geführt wird. Wir wollen das Camp zu einem zentralen Ort der Bündelung antimilitaristischer Kämpfe machen. Eingeladen sind alle, die der zunehmenden Militarisierung entgegentreten wollen. Wir werden unsere unterschiedlichen Analysen und Zugänge diskutieren und gemeinsam praktische Erfahrung im sabotieren des Krieges machen.
Krieg beginnt hier, wir wollen ihn hier markieren, blockieren, sabotieren!
Das GÜZ Altmark bei Hillersleben/Magdeburg ist der modernste Truppenübungsplatz Europas. Von Kämpfen in Städten bis zum Gefecht von Panzergruppen werden hier militärische Interventionen von Luft- und Bodenmilitärtrupps simuliert. Der Betreiber "Rheinmetall Dienstleistungszentrum Altmark" vermietet das Gelände an die Bundeswehr und andere europäische Armeen, ist Dienstleisterin der gesamten Technik und Logistik und leistet die Vorarbeit für die militärischen Analysen. Hier wird Krieg geübt, ausprobiert, vorbereitet.
Krieg üben ist ein Teil von Krieg führen
Alle Bundeswehr-Soldat_innen, die in einen Auslandseinsatz geschickt werden, müssen sich im GÜZ einem in der Regel zweiwöchigen Kampftraining unterziehen. Samt Ausrüstung werden sie zum GÜZ verfrachtet, hier üben sie mit Laserwaffen, Rauchbomben und Kunstblut Krieg. Inmitten der riesigen Heidelandschaft des GÜZ wird ab 2012 eine moderne Großstadt nachgebaut: Schnöggersburg hat eine U-Bahn, einen Flughafen, eine Innen- und Altstadt, Plattenbauten, Wohnhäuser, Industrie- und Elendsviertel. "Diese Stadt könnte überall auf der Welt stehen" (Oberst Michael Matz, Leiter des GÜZ)
Zivil-militärische Normalität
Nicht erst seit der Aussetzung der Wehrpflicht versucht eine immense Rekrutierungs- und Werbeoffensive der Bundeswehr in Schulen, Unis und Jobcentern eine militärische Durchdringung des "Zivilen" und den gesellschaftlichen Rückhalt der "Heimatfront" abzusichern. Derzeit erleben wir, wie auf allen Ebenen daran gearbeitet wird, Krieg zum Alltag zu machen. Unterschiede zwischen Innen und Außen, militärisch und zivil, Polizei und Militär, Krieg und Frieden, verschwinden zunehmend. Immer mehr gesellschaftliche Bereiche werden durch die zivilmilitärische Zusammenarbeit (ZMZ) vereinnahmt: an der Uni durch die Drittmittelfinanzierung, bei der Post durch Übernahme von Logistikleistungen und bei der so genannten Entwicklungshilfe durch die Kooperation mit Militärs. Dem Konzept der Vernetzten Sicherheit folgend sollen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ihren Beitrag zur Schaffung und Aufrechterhaltung "öffentlicher Ordnung" leisten. Polizeiliche Aufgaben werden zunehmend durch das Militär übernommen. In der EU werden Gesetze und Verfahren harmonisiert, aber noch sind sich die Staaten in Vielem nicht einig. Die Militarisierung ist noch nicht überall so fortgeschritten wie z.B. im italienischen Val di Susa, wo aus Afghanistan kommende Fallschirmjäger gegen Demos eingesetzt werden. Allerdings erzwang das Militär auch in Spanien schon den Abbruch eines Streiks. In Deutschland tun viele immer noch so, als wäre gar nicht "richtig" Krieg. Dabei sind es nicht zuletzt deutsche Kriegstreiber_innen, die die Umsetzung der "vernetzten" Kriegsführung international nach Kräften forcieren.
Aufstandsbekämpfung – Städte als Kriegsgebiet
Das Nato-Strategiepapier "Urban Operations in the Year 2020" konstatiert, dass weltweit mehr und mehr Menschen in Städten leben und dort verarmen. Daher sei es nötig, Defizite der Einsatzfähigkeiten der Militärs im urbanen Raum zu beheben. Unruhen werden schlicht als erwartbare Herausforderungen kalkuliert, die bekämpft werden müssen. Neben baulichen Besonderheiten stellt vor allem das Operieren in bewohntem Gebieten die Armee vor Probleme: Wo Kämpfer_innen von der Bevölkerung kaum zu unterscheiden sind, gibt es angesichts ziviler Opfer schnell Proteste. Deshalb will das Militär näher ran und rein in die Gesellschaft, mit wissenschaftlichen Sozialstudien, Spionen, Aufklärungskompetenzen, Medienregulierungen, Zersetzungsstrategien. Ob mit "robusten" oder "Crowd-Control" Einheiten, ausgerüstet mit "weniger tödlichen" Waffen, ist nur eine Frage der Intensität der Auseinandersetzung . Die Aufrechterhaltung einer Wirtschaftsordnung, die für die meisten Menschen keinerlei Perspektive bereithält, erfordert ein dauerhaft militärisches Krisenmanagement. Dabei ist offene Repression bei Weitem nicht immer Mittel der Wahl. Im Vordergrund stehen stattdessen Prävention, Umstrukturierung von Stadtteilen, die Einschüchterung von Sympathisierenden, die Schaffung von Feindbildern, auf dass die Bevölkerung sich distanziert und selbst diszipliniert. Aufstandsbekämpfung, Counter-Insurgency im Nato-Sprech, will eine entpolitisierte passive Öffentlichkeit prägen und bleibt zugleich als Strategie des Machterhalts so tödlich und reaktionär wie die Kolonialkriege, in denen sie entwickelt wurde. Was üblicherweise als Synonym für "Riot-Control" gilt, könnte ein weitreichenderes Konzept des Regierens sein, in dem es nicht um das Beilegen von Konflikten geht, sondern darum, einen einmal erreichten Ausnahmezustand langfristig beizubehalten. Die Destabilisierung einer Gesellschaft schafft auch die Legitimation für andauernde polizeilich-militärische Kontrolle ohne politisch verhandelbare Alternativen präsentieren zu müssen. Was im Irak oder in Afghanistan als Mangel an Plänen für eine Nachkriegsordnung oder als Unvermögen der Durchsetzung erscheint, könnte der Kern der Sache selbst sein: Aufstandsbekämpfung als ewiges Krisenmanagement. Denn solange die Krise andauert, lässt sich leichter Akzeptanz schaffen für Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, für Bevormundung und Unterdrückung.
Krieg – NATO – Neokolonialismus
Die aktuellen Kriegseinsätze werden unter anderem mit der Verbreitung von Demokratie, Frauen- und Menschenrechten legitimiert. Diese Begründungen sind nicht nur als reiner Vorwand zu verstehen, um ökonomische Interessen durchzusetzen, sie sind auch immer Ausdruck einer postkolonialistischen Weltsicht, die die eigenen Werte für überlegen hält. Eine Gesellschaft, die zum Krieg bereit sein soll, muss darauf eingestimmt werden, dass die Anwendung von militärischer Gewalt nicht nur unvermeidbar, sondern sogar wünschenswert bzw. heldenhaft sei – sofern sie von "Sicherheitskräften" ausgeübt wird. Zu ihrer Rechtfertigung ist es immer wieder nötig, abweichende Standpunkte, Lösungsansätze und Probleme auszublenden. Komplexe Strukturen müssen als einfache Widersprüche wahrgenommen werden, damit am Ende einer Überlegung nur eine Lösung möglich ist: Krieg. Es bedarf einer einfach gestrickten bipolaren Weltsicht, um militärische Gewalt als Mittel zur "Bewältigung" sozialer Konflikte erscheinen zu lassen. Es gibt nur Frau oder Mann, Demokratie oder islamistische Diktatur, die Wilden oder der Westen, Zivilisation oder Barbarei, Ordnung oder Chaos. Sexualisierte Gewalt und Krieg gehen immer Hand in Hand. Dem Militär kommt durch die Legalisierung und Legitimierung von Gewalt als Form der Auseinandersetzung ein enormer Teil der Bildung und Aufrechterhaltung einer Gewalt ausübenden Männerrolle zu. Einerseits verstärkt Militarisierung eine patriarchale und bipolare Geschlechterordnung, andererseits wird diese auch angeführt um Kriege zu rechtfertigen. Militarisierte Aufstandsbekämpfung bildet da keine Ausnahme. Auch hier sind es bewaffnete Männerhorden, die kämpfen, um den Besitz- und Herrschaftsanspruch der jeweilig anderen Männer zu brechen. Weil dieser Besitzanspruch sowohl die Verfügungsgewalt als auch eine Schutzanmaßung über die "eigenen Frauen" beinhaltet, sind sexualisierte Erniedrigungen und Vergewaltigungen von Zivilist_innen und Soldat_innen, aber auch sexualisierte Gewalt gegen männliche Gefangene in allen Kriegsgebieten an der Tagesordnung. Die der bipolaren Geschlechterordnung innewohnenden Gewaltverhältnisse und ihr direkter Bezug zum Militarismus lassen nur einen Schluss zu: Geschlechterrollen und Militär angreifen, aufweichen, auflösen! Sicher ist, wir bewegen uns auf widersprüchlichem Terrain – einerseits sind wir weltweit den gleichen kriegerischen Prinzipien unterworfen, andererseits bedeutet Krieg für viele Menschen Tod, Folter, Vergewaltigung und Erniedrigung. Jedoch ist bei allen Unterschiedlichkeiten der gesellschaftlichen Realitäten und der Betroffenheit von Gewalt den verschiedenen Facetten der Militarisierung eines gemein: Jegliche Perspektive auf Selbstbestimmung und Emanzipation wird verunmöglicht.
Krieg beginnt hier – stoppen wir ihn hier!
Wo alles Front werden soll, darf die Auflehnung gegen Militarisierung und Krieg nicht länger alleinige Zuständigkeit von Friedensbewegung und Antimilitarist_innen sein. Militarisierung, "vernetzte Sicherheit", Aufstandsbekämpfung und letztlich Krieg sind immer auch ein Angriff auf alle sozialen, emanzipatorischen Bewegungen und somit gegen alle Menschen, die für eine befreite Gesellschaft kämpfen. Wir wünschen uns ein offenes und selbstorganisiertes Camp verschiedener emanzipatorischer Strömungen. Also vernetzen wir uns international, um zusammen Strategien und Konzepte zu entwickeln und zu diskutieren, Aktionen zu reißen und dem militärischen Treiben vielfältigen Widerstand entgegen zu setzen.
Schmeißen wir unsere Fragen und die Erfahrungen unserer Kämpfe zusammen!
Wir werden – in Anerkennung all unserer Unterschiede – ein gemeinsames internationales Camp gegen das Gefechtsübungszentrum Altmark aufbauen. In Diskussionen und Aktionen wollen wir von der Bandbreite unserer Kämpfe profitieren. Machen wir der militarisierten Zurichtung der Welt ein Ende! Um effektiven Widerstand aufzubauen, gilt es zunächst zu verstehen, womit wir es bei "neuen" Kriegen zu tun haben. Nicht in Form von Expertisen, die keiner liest, sondern als geteiltes Wissen. Was hat sich seit dem Kalten Krieg verändert? Wie positionieren wir uns in gegenwärtigen und zukünftigen Kriegen? Welche Unterschiede zwischen Piratenjagd und Intervention in sogenannte Schurkenstaaten sind bedeutsam oder ist beides nur Ausdruck eines permanenten Kriegszustandes? Finden wir es wichtig, ob dem Konzept der Aufstandsbekämpfung tatsächlich kommende Aufstände zu Grunde liegen? Wie kommt die Nato-Strategie der "Vernetzten Sicherheit", der "Comprehensive Approach", weltweit zum Tragen? Ebenso wollen wir praktisch vor Ort beweisen, dass wir den Krieg dort wo er beginnt auch aufhalten können. Uns sind in diesem Sinne alle Aktionsformen willkommen, die den laufenden Militärbetrieb markieren, blockieren, sabotieren! Manöver finden hier fast täglich statt, das Gelände ist nur teilweise eingezäunt und riesengroß. So bieten sich vielfältige Aktionsfelder: zum Beispiel Schienen, Straßen, Zäune, Gebäude, Wege, Lagerhallen, Überwachungsinfrastruktur, Fahrzeuge, Flugmaschinen, Kommunikationsnetze, Zulieferer, Rüstungsbetriebe …
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