Von Abrüstung keine Spur: Durch die Bundeswehrreform wird der Militärstandort Husum für die Logistik der deutschen Kriegseinsätze in aller Welt noch wichtiger. Die Husumer Militärs werden noch wichtiger für die als "Friedensmissionen" verharmloste militärische Durchsetzung von geostrategischen Machtinteressen der NATO-Länder. Um deutlich zu machen, dass nicht alle Menschen zustimmen, wollen engagierte Menschen vor der Fliegerhorstkaserne in Husum ein Protestcamp errichten.
Krieg üben ist Krieg führen
Husum ist eine Kreisstadt mit 20.000 EinwohnerInnen, auf die nach der aktuellen Bundeswehrreform bis zu 10.000 SoldatInnen kommen könnten. Diese werden an allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr maßgeblich beteiligt sein Das Spezialpionierbataillon 164 errichtet die Stützpunkte im Ausland, und betreibt die technischen Anlagen. Ohne Treibstoff, ohne Landebahn, ohne Zaun, ohne Wasser, ohne Strom, ohne Feldküche gäbe es keinen Stützpunkt im Ausland, und damit auch keine deutsche Kriegsbeteiligung. Die mit Logistik befassten Militärs aus Husum sind im Räderwerk der deutschen Kriegsmaschinerie unverzichtbar.
Das Flugabwehrraketengeschwader 1 "Schleswig-Holstein" ist für die Stabsstelle aller landgestützten Flugabwehreinheiten der Bundeswehr und neuerdings für deren Ausbildung zuständig. Diese sichern u.a. die Kasernen im Ausland vor Bedrohungen aus der Luft. Zusätzlich stellt die Flugabwehrraketengruppe 26 regelmäßig die "Sicherungseinheiten" für Stützpunkte im Ausland. Dies schließt eine Ausbildung in "Riot and Crowd-Control" ein, und beinhaltet u.a. im Kosovo regelmäßig das Vorgehen gegen dort demonstrierende Bürger. Darüber hinaus sind die Husumer Militärs regelmäßig Teil der Nato-Response-Force. Diese Angriffsarmee hat ganz offen formuliert die Aufgabe, den "Zugang zu Märkten und Rohstoffen" im Zweifelsfall militärisch durchzusetzen. Und als ob das nicht genug wäre, betreibt der Bundesnachrichtendienst (BND) in der Schobüller Straße eine als Dienststelle der Bundeswehr getarnte Einrichtung. Wahrscheinlich wird dort weltweite Telekommunikation ausgewertet.
Zivil-militärische Normalität
Die institutionelle Verankerung im zivilen Leben läuft über die sog. Zivil-militärische Zusammenarbeit. Dieser angebliche Katastrophenschutz ermöglicht es dem Militär, sich als notwendig für den Katastrophenschutz darzustellen, und öffnet der Politik die Möglichkeit von weiteren Einsparungen. Kritisiert wird dies kaum, den in vielen Gemeindeparlamenten der Region gibt es eine "Große Koalition" pro Bundeswehr, denn Offiziere und Unteroffiziere werden für kommunale Arbeit vom Dienst freigestellt. So war lange Zeit z.B. der Propagandachef (Offizier für Öffentlichkeitsarbeit) des Stützpunktes gleichzeitig der Kreisvorsitzende der SPD. Die Bürgervorsteherin Encken (CDU) lässt sich beim Truppenbesuch am Maschinengewehr liegend mit den Stahlhelm auf dem Kopf für die Presse fotografieren. Die Lokalpresse berichtet zwar regelmäßig über die Auslandseinsätze, blendet dabei jedoch regelmäßig die politische Brisanz aus. Auch mit dem Einsatz im Inneren wird es nicht so genau genommen: Die musikalischen Qualitäten der Bundeswehr-Bigband finden in der Lokalpresse regelmäßig positive Erwähnung. Die genauso regelmäßig aus dem selben Anlass stattfindenden Grundrechtseinschränkungen und Gewalttätigkeiten von Polizei und FeldjägerInnen gegen Menschen, die öffentlich eine andere Meinung vertreten, sind hingegen bisher keine Zeile wert gewesen. Und die Justiz? Auf die können höchstens UniformträgerInnen zählen, wenn es darum geht, Skandale unter der Decke zu halten.
Kritische Zivilgesellschaft?- Fehlanzeige
Auch auf die klassischen zivilgesellschaftlichen Kräfte ist in Husum kein Verlass. So ist bei Verdi ist ein großer Teil der Organisierten z.B. bei der militärischen Standortverwaltung beschäftigt. Bei IG Metall trifft dies auf die Zivilangestellten der Militärwerkstätten zu. Auf Seiten der Kirche stellen sich viele nordfriesische PastorInnen unkritisch hinter die herrschenden Meinung und erteilen genauso wie den alten auch den neuen deutschen Kriegen z.B. anlässlich des "Volkstrauertags" ihren Segen. Vor diesem Hintergrund der Durchdringung des zivilen Lebens durch das Militär erscheint es gerechtfertigt, von Militarismus zu sprechen.
Dissens sichtbar machen
Selbst in einer Militärstadt wie Husum sinkt die Zustimmungen zu den Kriegen mit der Bundeswehr in aller Welt. Gerade dadurch, dass viele Menschen Angehörige bei den Militärs haben, bekommen viele Menschen durch Erzählungen mit, dass es unmöglich sei, so wie die Bundeswehr es zur Zeit versucht, mit Waffengewalt "Frieden" zu schaffen. Dadurch begreifen viele Menschen, dass an einer zivilen Sicherheitspolitik, die auch versucht, alle Regionen der Welt gleichberechtigt am Wohlstand zu beteiligen, kein Weg vorbei gehen wird. Nichts desto trotz machen die städtischen Eliten aus Politik, Militär, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gebetsmühlenartig weiter, sich gegenseitig mit schöner Regelmäßigkeit öffentlich zu vergewissern, wie geschlossen die Stadt hinter dem Militär stünde und wie verankert die Bundeswehr in der Gesellschaft sei. Das Protestcamp vor der Kaserne greift diese Inszenierung eines Diskurses an. Militarismus-jetzt-stoppen macht für wenige Tage sichtbar, dass nicht alle Menschen uneingeschränkt hinter dem Militär und ihren als Auslandseinsätzen verharmlosten Kriegen stehen.
Das Camp findet als angemeldete Versammlung auf der Rasenfläche am Haupttor der Fliegerhorstkaserne (Flensburger Chaussee) statt. In einem Veranstaltungszelt finden tagsüber Workshops und Abends Vorträge zum Thema statt. Wer sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, beim Camp vorbei zuschauen, oder sich auch in die Vorbereitungstreffen (Sonntags, 14h, Speicher Husum) einzubringen.
Weitere Infos