antimilitarismus

Gegen die Militarisierung der Jugend

Ein Tagungsbericht

| Darth Korth

Vom 8. bis 10. Juni 2012 fand in Darmstadt eine internationale Fachtagung der War Resisters' International (WRI) zur Militarisierung der Jugend statt. Die WRI sind ein internationales Netzwerk pazifistischer und anti-militaristischer Gruppen mit Sitz in London. Auch die Graswurzelrevolution ist WRI-Mitglied.

Wie in Deutschland wurde die Wehrpflicht seit Ende des Zweiten Weltkriegs in vielen anderen Staaten abgeschafft oder ausgesetzt. In der europäischen Union herrscht Wehrpflicht nur noch in sechs der siebenundzwanzig Mitgliedstaaten (Griechenland, Zypern, Österreich, Norwegen, Finnland und Estland) und von den großen Nato-Staaten hält allein die Türkei an der Wehrpflicht fest.

Ohne die Möglichkeit junge Menschen zum Dienst in ihren Armeen zu zwingen, verstärken die Staaten ihre Bemühungen Jugendliche für den Militärdienst zu rekrutieren.

In Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten Staaten ist dieser Prozess bereits vollzogen.

In Deutschland steht er bevor. Aufgrund ihrer internationalen Zusammensetzung bot die Tagung die Möglichkeit sich auf diese Entwicklung vorzubereiten und von den Erfahrungen anderer anti-militaristischer Bewegungen zu lernen.

Zentrales Objekt der militärischen Begierde ist die Schule. So heißt es in der Jugendpolitik des britischen Verteidigungsministerium: „Das Verteidigungsministerium ist an lehrplanmäßigen Aktivitäten als eine weitere Art, Jugendliche als Teil der allgemeinen Jugendpolitik des Verteidigungsministeriums zu erreichen, beteiligt. Dieses bietet einzigartige und subtile Wege um das Verständnis für das Militär in der breiteren Gesellschaft zu verbessern, insbesondere der Werte, Kultur, Traditionen und eines Ethos, die für die Aufrechterhaltung militärischer Effektivität unabdingbar sind. Auf eine unmittelbare Weise bietet dies Möglichkeiten, Aufmerksamkeit und Identifikation mit dem Militär zu schaffen, und zuletzt ist es ein wirkungsvolles Mittel zur Unterstützung von Rekrutierung, insbesondere wenn die durch lehrplanmäßige Aktivitäten erworbenen Fähigkeiten einen direkten Bezug zu militärischen Ansprüchen haben“ (1)

Zu den subtilen Wegen, um das Verständnis für das Militär zu verbessern, gehört z. B. die Präsentation von Waffentechnik. Die Identifikation mit dem Militär beginnt in den Köpfen der britischen Verantwortlichen damit, „dass ein siebenjähriger Junge einen Fallschirmspringer während einer Flugvorführung sieht und denkt: ‚Das sieht toll aus.‘ Ab da versucht die Armee, Interesse durch stetiges Tropf, Tropf, Tropf aufzubauen.“ (2)

Die Militärs nutzen dabei den Vorteil, dass ihre Angebote eine Abwechslung vom „lahmen Schulalltag“ darstellen und im Unterschied zu anderen Aktivitäten z. B. Schulausflügen kostenlos sind, was insbesondere in sozial schwachen Regionen ohne ausreichendes Freizeitangebot von Bedeutung ist.

Militärische Tugenden werden hierbei auch als Mittel gegen Disziplinlosigkeit im Unterricht angepriesen.

In Deutschland bemüht sich die Bundeswehr ihre Jugendoffiziere als ExpertInnen für Frieden und Sicherheit in den Schulunterricht einladen zu lassen. Hierbei malen Jugendoffiziere ein Bild der Armee ohne ihre hässlichen Seiten.

Beim Versuch ihr Soldatsein als normalen Beruf zu präsentieren, blenden sie das Töten als Kern ihrer Aufgabe gewissenhaft aus.

Flankiert wird die Bildungsoffensive der Bundeswehr von vielfältigen Unterrichtmaterialien, die die Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium heraus gibt und auf der Internetseite www.frieden-und-sicherheit.de präsentiert.

Angeboten werden Materialien zu Unterrichtsthemen wie „Herausforderungen für Frieden und Sicherheit“, „Bedrohungen im 21. Jahrhundert“, „Bündnisse und Organisationen“, „Politische Strategien“, „Freiwillig für Frieden und Sicherheit“.

„Wehrpflicht der Armut“

Tatsächlich hängt die Freiwilligkeit junger SoldatInnen von ihrer sozioökonomischen Situation ab und wird mit materiellen Anreizen oder Privilegien erkauft. So kommen die neuen Bundeswehrfreiwilligen vorwiegend aus dem Osten Deutschlands und den wirtschaftsschwachen Regionen im Westen. (ND, 5 Juli 2012). Dementsprechend besitzt die Bundeswehr in manchen Arbeitsämtern, wie in Essen, Hamm und Paderborn, eigene Büros, und führt in fast allen Arbeitsagenturen unregelmäßig Informations- und Rekrutierungsveranstaltungen durch.

Die „Wehrpflicht der Armut“ hat auch eine rassistische Komponente.

In Deutschland interessieren sich überproportional viele Aussiedler für einen Job beim Militär.

In den USA erhalten ImmigrantInnen, die sich zur Armee melden, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung mit der Aussicht auf eine beschleunigte Gewährung der Staatsbürgerschaft.

Die Verbindung von Militär und Männlichkeit ist ein anderer Aspekt, der bei der Rekrutierung junger Soldaten eine Rolle spielt. Hierbei werden von der Armee „Männern verschiedene Formen von Männlichkeit angeboten: der Soldat, der High-Tech-Waffen abfeuert, der Professionelle, der unter schwierigen Bedingungen wichtige Entscheidungen trifft und Leben rettet, der sorgende Ersatzvater und Anbieter von Schutz und Hilfe, der Träger vermarktbarer Fähigkeiten und der Typ, der erfolgreich in das Schlafzimmer seiner Freundin kommt. (3)

Die Anwerbung von Frauen betont entsprechend die Möglichkeit, sich in einem Männerjob selbst zu beweisen und seinen Mann gegenüber den Kollegen zu stehen. Der juristisch erzwungene Zugang von Homosexuellen zur Armee wird als Offenheit des Militärs verkauft.

Die westlichen Armeen präsentieren sich als gute Armeenn in denen Frauen und Homosexuelle dienen dürfen, im Gegensatz zum neuen Feindbild des islamischen Terroristen.

Neben der Rekrutierung von Nachwuchs besteht ein weiteres Ziel der neuen Berufsarmeen darin

Verbundenheit zwischen Bevölkerung und Militär zu schaffen. Wovon Bundespräsidenten nur träumen, wenn sie das „freundliche Desinteresse“ der Bürger und BürgerInnen an „ihrer“ Bundeswehr beklagen, ist in Großbritannien bereits Realität. Britische Medien titulieren „ihre“ Soldaten nur als „our heros“.

Militainment

Von Bedeutung bei der Beeinflussung Jugendlicher im Sinne des Militärs ist schließlich auch das Militainment.

Militainment meint die Militarisierung mit Hilfe von Kino-, Fernsehfilmen oder Videospielen.

Tatsächlich werden eine Vielzahl von Hollywoodfilmen in Kooperation mit der US-Armee produziert. Dies gilt insbesondere für Actionfilme in denen militärisches Gerät zu sehen ist, dessen Verleih sich das Pentagon mit einer entsprechend wohlwollenden Darstellung des Militärs vergüten lässt.

In Deutschland war die Bundeswehr 2009 an der Produktion von 22 Filmen beteiligt.

In modernen Kriegsspielen werden Szenarien wie die Einnahme Teherans durch US-amerikanische Truppen und die Verfolgung von islamischen Terroristen, die mit zwei Atombomben nach Europa fliehen, oder ein Angriff der USA auf Nord-Korea nach oder vor(?)gespielt.

Während die nord-westlichen Industrienationen zunehmend auf Berufsarmeen setzen, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Welt durchzusetzen, findet sich in stark militarisierten Ländern wie Süd-Korea, Israel oder der Türkei entweder kein oder nur ein eingeschränktes Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

In dieser Hinsicht war es sehr interessant auf der Tagung KriegsgegnerInnen aus Amerika, Afrika, Europa und Asien zu treffen und die Berichte über die Situation in ihren Ländern zu hören.

In Süd-Korea werden Kriegsdienstverweiger z. B. zu 1 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, wonach sie als Kriminelle gelten und dann nicht mehr in den Streitkräften dienen „dürfen“. Dies trifft vor allem Zeugen Jehovas, von denen seit 1950 ungefähr 16.000 den Kriegsdienst verweigerten und inhaftiert wurden. Am 4. April 2012 wurde der politische Verweigerer Yoonjong Yoo von der antimilitaristischen Gruppe „World without War“ zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Ergebnisse

Sehr sinnvoll und nachahmenswert war, dass sich am Sonntagvormittag die Arbeitsgruppen mit der konkreten Umsetzung anti-militaristischer Aktivitäten beschäftigten.

So wurde in der Gruppe „Ausbildung gegen Militarisierung / Friedenserziehung“ beschlossen, einen Blog (4) einzurichten, um antimilitaristische Quellen zur Friedensarbeit in Schulen zu sammeln und weiterzugeben. Hierzu gehören spezifische Materialien oder Ressourcen von Interesse, einschließlich Erfahrungen, die mit dem Gebrauch dieser Materialien in Klassenzimmern gemacht wurden, ebenso wie Kontakte zu Vortragenden, die in Schulen gehen können, wie VeteranInnen oder MigrantInnen aus einer Konfliktregion, die als betroffene Personen für Unterrichtsstunden oder auf einer geplanten Tour auftreten können.

Zum Zwecke einer internationalen Zusammenarbeit legt die Arbeitsgruppe „Schule ohne Militär“ eine Datenbank, in der die Zusammenarbeit von Militär und Schulen und der Widerstand dagegen in verschiedenen Ländern dokumentiert wird.

Gerade in Deutschland bietet die föderale Struktur der Bildungswesens gute Chancen auf erfolgreichen Widerstand, weil es im Ermessen jeder einzelnen Schule liegt, ob sie mit der Bundeswehr zusammenarbeitet oder nicht. Im Rahmen der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“ haben sich bis jetzt sechs deutsche Schulen als militärfrei erklärt.

Um im „Krieg der Bilder“ die Marketing- und PR-Strategien zu stören, mit denen die Streitkräfte versuchen junge Menschen zu rekrutieren, hat sich die gleichnamige Arbeitsgruppe zum Ziel gesetzt antimilitaristische Zeichnungen, Bilder und Collagen zu produzieren und durch soziale Medien und andere Netzwerke unter creative commons licensing zu verteilen.

Eine weitere Gruppe plante auf Vorschlag der DFG-VK Hessen eine Kampagne zur Verweigerung der Registrierung fürs Militär, die trotz Aussetzung der Wehrpflicht weiterhin in Deutschland für Männer und Frauen (!) gilt.

Die letzte AG „Gegen die Militarisierung der Universitäten“ schließlich, arbeitete an Materialien und Plakaten für die gleichnamige Aktionswoche, die in Deutschland vom 24. bis 29. September 2012 stattfinden wird. (5)

(1) Ministery of Defence, April 2005

(2) Oberst David Alley, im Februar 2007 in der Zeitung "The New Statesman"

(3) Melissa T. Brown, "Be the best" Military Recruiting and the Cultural Construction of Soldiering in Great Britain. GSC Quarterly No 5, summer 2002

(4) http://schoolsagainstwar.blogspot.com

(5) Informationen hierzu finden sich unter www.dfg-vk.de/thematisches/schulfrei-fuer-die-bundeswehr/2012/754