Alljährlich gibt der ISAAA, eine Lobby-Organisation der Agrogentechnik-Industrie, seinen Jahresbericht heraus. Der aktuelle umfasst das Jahr 2011 und gibt an, dass seit 1996 die Anbaufläche für transgene Feldfrüchte weltweit von Null auf 160 Millionen Hektar angewachsen sei. Abgesehen davon, dass diese Zahlen nicht überprüfbar sind, zeigen sie doch, dass trotz aller Anstrengungen die Mehrheit der Landwirte nach wie vor gentechnikfrei arbeitet.
Welt
Es sind vor allem Raps, Soja und Mais vom amerikanischen Kontinent, die weit über die Hälfte des globalen Gentech-Anbaus ausmachen, wobei der Großteil mit 69 Millionen Hektar in den USA liegt. Dass Raps- und Sojaöl dem Diesel und Ethanol aus Mais dem Benzin zugesetzt werden, um „Bio-Kraftstoff“ herzustellen, treibt auch die Agrogentechnik an.
Den zweiten großen Absatzmarkt der transgenen Ernte in Amerika macht das Tierfutter für die industrialisierte Landwirtschaft aus. Es sind die politischen Rahmenbedingungen, die diese Riesenmärkte schaffen, und speziell die Vorgaben der USA, wo die Gentechnik-Industrie – namentlich Monsanto – das politische System durchdringt.
Widerstandslos wird diese Entwicklung auf dem Kontinent nicht hingenommen, zumal auch die Schäden aufgrund des Ausmaßes zunehmend offenbar werden. So wurden Auskreuzungen festgestellt und in den letzten Jahren mehren sich Berichte über „Super-Unkräuter“ in den transgenen Monokulturen des Kontinents, denen durch das verwendete Gift nicht mehr beizukommen ist und gegen die mehr Pestizide eingesetzt werden als zuvor.
Darüber hinaus gibt es inzwischen mehrere Untersuchungen über Schädigung von Mensch und Tier durch den Gentech-Anbau und/oder die damit verbundenen Gifte.
Weitere Länder in Nordamerika sind Mexiko mit 200.000 Hektar und Kanada mit über 10 Millionen Hektar, womit die NAFTA also komplett vertreten ist. Kanadas Probleme mit transgenem Raps wurden durch den erfolgreichen Kampf der Landwirte Percy und Louise Schmeiser gegen Monsanto weltweit bekannt, als sie dafür den Alternativen Nobelpreis erhielten.
In Zentralamerika gibt es nur in Costa Rica und Honduras in geringerem Ausmaß Gentech-Anbau, doch für Südamerika ist es leider einfacher, die Länder zu nennen, in denen es keinen gibt: Ecuador, Venezuela, die benachbarten Kleinstaaten Guyana und Surinam sowie Peru, wo seit 2011 ein zehnjähriges Moratorium für transgenen Anbau existiert.
In Brasilien, wo mit über 30 Millionen Hektar nach den USA die weltweit größten Fläche gentechnisch bebaut wird, hat Monsanto in diesem Jahr ein wichtiges Gerichtsverfahren verloren (und Berufung eingelegt): im Bundesstaat Rio Grande do Sul hatten Soja-Bauern darauf geklagt, das Monsanto-Saatgut wieder verwenden zu dürfen und nicht nur keine Gebühren dafür zu zahlen, sondern auch für vergangene Jahre eine Rückzahlung zu erhalten, was sich auf eine Summe von mehreren Milliarden Euro beläuft.
Verglichen mit Amerika sind 18 Millionen Hektar für den bevölkerungsreichsten Kontinent Asien wenig, zumal über die Hälfte auf Baumwolle in Indien entfällt. Seit zehn Jahren wird dort Gentech-Baumwolle angebaut, mittlerweile auf etwa 90 Prozent der dortigen Baumwollflächen.
Es sind weniger die großen sozialen und ökologischen Folgeschäden, sondern wirtschaftliche Überlegungen, die die Zentralregierung nun zu einem Förderstop für (transgene) Export-Baumwolle brachten.
Zudem werden Gentech-Lebensmittel in Indien gar nicht angebaut, für transgene Nahrungsmittel-Importe gilt ab dem kommenden Jahr eine Kennzeichnungspflicht und immer mehr Bundesstaaten verbieten Freilandversuche.
Ohne die starke indische Bewegung gegen Agrogentechnik, deren bekannteste Vertreterin die Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva ist, würde es diese Entwicklung nicht geben.
Weitere Länder in Asien sind die Philippinen und Myanmar mit zusammen knapp einer Millionen Hektar. 2,6 Millionen Hektar sind es in Pakistan, doch wurde in diesem Jahr für die größte Baumwolle produzierende Provinz Punjab beschlossen, aus wirtschaftlichen Erwägungen keine Gentech-Baumwollsaat zu akzeptieren. China war 2011 mit nicht einmal 4 Millionen Hektar dabei und erlaubt dieses Jahr keinen Gentech-Anbau, Russland fiel und fällt ganz aus.
Australien rangiert mit 0,7 Millionen Hektar unten in der Statistik und auch Afrika bleibt mit etwa 2,6 Millionen Hektar in drei Ländern (Ägypten, Burkina Faso, Südafrika) sicher weit hinter den Branchenerwartungen zurück.
Und es geht weiter: im westafrikanischen Burkina Faso wurden im vergangenen Jahr 300.000 Hektar mit transgener Baumwolle bepflanzt – 70 Prozent der Baumwoll-Anbaufläche – doch wird in diesem Jahr fast ausschließlich konventionelles Saatgut verwendet, da Erträge und Qualität ausgesprochen schlecht waren.
Insgesamt waren die Signale der AfrikanerInnen gegenüber der Agrogentechnik bisher eher negativ, sei es, weil Exportverluste nach Europa befürchtet werden oder weil es ein auf Erfahrung beruhendes Misstrauen gegenüber neuen Technologien aus dem Norden gibt.
Im Laufe der Zeit hat es mehrere Anläufe gegeben, transgenen Mais aus den USA in Dürregebiete Afrikas zu liefern und so den Widerstand zu brechen.
Während Sambia solche Lieferungen 2002 strikt abgelehnt hat, nahm Kenia das Angebot 2011 unter Auflagen an, so soll beispielsweise die Aussaat ausgeschlossen werden. Inzwischen ist auch die Bill & Melinda Gates Foundation (teilweise zusammen mit der Rockefeller Foundation und der gemeinsamen „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“) in Sachen Gentech-Mission angetreten, wird aber nicht zuletzt wegen ihrer Monsanto-Nähe sehr kritisch gesehen.
Europa
In mehreren EU-Ländern findet aufgrund von staatlichen Verboten gar kein Anbau statt, übrig bleibt nur noch die Iberische Halbinsel, vor allem Spanien. Dort wurden fast 100.000 Hektar mit transgenem Mais bepflanzt, und zur weiteren Steigerung wird nun an einem Regelwerk zur Verringerung der Entfernung zu gentechnikfreien Feldern gearbeitet.
Bei den Freisetzungen nicht zugelassener Agrogentechnik-Pflanzen sieht es ähnlich aus: es gab im Mai nur 41 neue Anträge – vor drei Jahren waren es noch über 100 – von denen 30 aus Spanien kamen. Durch Wikileaks wurde bekannt, welchen Druck die Gentechnik-Industrie über die US-Botschaft auf die Politik der Regierungsparteien PP (aktuell) und PSOE (früher) ausübt und wie sehr sich deren Vertreter wiederum dort anbiedern und geradezu um Unterstützung für ihre Position in Brüssel flehen.
Gleichzeitig verdeutlichen die Wikileaks-Berichte, wie genau Protest wahrgenommen und als bedrohlich empfunden wird.
Insgesamt ist die Gentechnik-Politik der EU uneinheitlich.
Sowohl der Präsident der EU-Kommission als auch der zuständige Kommissar sind explizite Befürworter und auch die für die wissenschaftliche Bewertung zuständige Behörde EFSA, deren Nähe zur Agrogentechnik-Industrie immer wieder für Schlagzeilen sorgt, gibt grundsätzlich positive Empfehlungen ab. So bewertete sie vor kurzem drei transgene Maissorten positiv, wurde aber überraschenderweise vom EU-Kommissar zur neuerlichen Überprüfung aufgefordert, so dass zumindest in diesem Jahr nicht mit der Mais-Zulassung zu rechnen ist.
Außerhalb der EU ist die Türkei zu nennen, wo Anbau und Produktion transgener Lebensmittel verboten sind, der Import von Gentech-Tierfutter (Mais und Soja) aber erlaubt wurde. In der ISAAA-Liste taucht das Land nicht auf, es gibt also auch keinen Anbau für Zwecke außerhalb der Nahrungsmittelproduktion.
Deutschland
Die Auslagerung der BASF-Agrogentechnik aus Europa in die USA hat in der Bundesrepublik eine erfreuliche Kettenreaktion ausgelöst.
Die Kleinwanzlebener Saatzucht KWS behält ihre Konstrukte im Gewächshaus, der transgene Schaugarten im sachsen-anhaltinischen Üplingen und das AgroBioTechnikum bei Rostock, ein Zentrum des Gentech-Filzes, liegen brach, weil der Haupt-Förderer abhanden gekommen ist. Es gibt bundesweit erstmals seit Jahren keinen Anbau mehr, da die BASF-Kartoffel Amflora vom Konzern aus dem Verkehr gezogen wurde und der Monsanto-Mais ohnehin verboten ist.
Auch die Freisetzungen, also die Ausbringung nicht zugelassener transgener Pflanzen, sind stark geschrumpft. In diesem Jahr sind es drei Freisetzungen auf insgesamt weniger als einem Hektar, von denen inzwischen nur noch die Hälfte steht, nachdem Agrogentechnik-GegnerInnen sich der Felder angenommen haben (zum Vergleich: noch vor fünf Jahren gab es etwa 80 Freisetzungen auf fast 700 Hektar und Anbau auf fast 2.700 Hektar).
Zwei der Freisetzungen laufen Ende diesen Jahres aus, die dritte ist bis zum 31.10.2013 genehmigt. Unter den gegebenen Umständen wird auch diese letzte Freisetzung im kommenden Jahr vermutlich nicht stattfinden, und Neuanmeldungen sind eher unwahrscheinlich.
Dagegen gibt es inzwischen gentechnikfreie Regionen auf über einer Million Hektar mit mehr als 30.000 beteiligten LandwirtInnen bundesweit, Tendenz steigend. Dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen gehören 55 europäische Regionen mit mehr als 140 Millionen EinwohnerInnen an; Thüringen ist Mitglied, seit kurzem auch wieder Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg plant den Eintritt.
Fazit
Die Gentech-Industrie hat enorme Macht und Ressourcen, die sie oft gewinnbringend einsetzen kann, doch auch ihre Probleme nehmen zu.
Zum einen ist es der Widerstand, der mit einer Vielfalt von Protestformen Erfolge hat, die sich in Meinungsbildung und teilweise politischen Entscheidungen umsetzt.
Ohne die ablehnende Haltung der Bevölkerung würde es die gesetzlichen Verbote nicht geben, und ohne die Bewegung wäre der Aufklärungsgrad der Öffentlichkeit wesentlich geringer.
Zum anderen sind es zunehmend wirtschaftliche Gründe, da nun oft offenbar wird, wie wenig die Industrie-Werbung mit der Realität zu tun hat.
Mancher wird erst durch Schaden klug wie die Baumwollbauern in Burkina Faso, andere wie ihre Kollegen im Punjab wehren den Anfängen.
Und schließlich gibt es noch die unberechenbare Biologie. Die Umgebung reagiert nicht immer so, wie die Industrie es gern hätte. Organismen entwickeln Resistenzen gegen Gifte, die sie töten sollen oder reagieren empfindlich, wo das überhaupt nicht eingeplant war.
Darüber hinaus besitzen Pflanzen ein – bisher nicht einmal annähernd verstandenes – Arsenal an Anpassungsmöglichkeiten, das auch Reparaturmechanismen einschließt. So können Eigenschaften, die ihnen durch gentechnische Manipulation aufgezwungen wurden und zudem keinerlei Vorteil bringen, wieder rückgängig gemacht werden. Dann ist die profitable Eigenschaft ganz plötzlich hin und eine „gentechnisch optimierte“ Kartoffel ist dann zwar noch gentechnisch, aber so optimiert wie andere Knollen.
Im kommenden Jahr wird die ISAAA wieder einen neuen Bericht herausbringen, aber man kann davon ausgehen, dass hinter der Hochglanz-Fassade die Vorstellung vom eigenen Scheitern konkreter wird.
Agrogentechnik ist eben keine Zukunftstechnologie – ihre Produkte sind veraltet, überflüssig und gefährlich.