P.M.; Kartoffeln und Computer. Märkte durch Gemeinschaften ersetzen. Reihe: Nautilus Flugschrift. Edition Nautilus, Hamburg 2012, 76 S., 6,90 Euro (auch als E-Book erhältlich)
Der Schweizer Autor P.M., dessen Bücher jetzt in der Hamburger Edition Nautilus ercheinen, legt im Herbst gleich zwei Neuerscheinungen vor. Seinem Rhythmus, abwechselnd Sachbuch und Roman zu schreiben, bleibt er treu.
Irgendwie macht sich in der libertären Szene ein Optimismus breit, der Glauben macht, dass das ständige Gerede von der kapitalistischen Krise plus dem Aufkommen aktionistischer Gruppen, wie etwa der Occupy-Bewegung, zur Euphorie Anlass geben könnte.
Auch P.M., der sich seit „bolo‘ bolo“ immer wieder mit der Überwindung kapitalistischer Unzulänglicheiten beschäftigt, zitiert eine BBC-Studie, nach der die meisten AnhängerInnen des jetzigen Systems mit gerade mal 25% BefürworterInnen in den USA (wen wunderts?) und in Pakistan (huch!) existieren.
Ein Problem ist sicherlich der Verbrauch der Ressourcen, der Energie in der sog. Ersten Welt.
Hier wird geprasst, was das Zeug hält, und verhindert wird somit eine gerechtere Verteilung, sowie überhaupt eine Teilnahme der ärmeren Regionen am allgemeinen Wohlstand.
Dazu strebt P.M. die 1.000 Watt-Gesellschaft an. 1.000 Watt pro Person, das wäre mit einigen Einschränkungen verbunden – aber welche Einsparmaßnahme wäre dies nicht? Wenn wir über unsere Verhältnisse leben, dann gilt es im Sinne der Gerechtigkeit entsprechend abzugeben.
In der 1.000 Watt-Gesellschaft hätte jeder Mensch von uns einen „Anspruch“ auf 20 qm beheizter Wohnfläche, ca. 2.000 km Bahnfahrt, 12.000 Km Schiffreise und 18 Kg Fleisch im Jahr, sowie 70 Liter Wasser und eine Zeitung pro 10 Menschen am Tag. Aber vorallem: Verzicht auf ein Privatauto sowie auf Flugreisen.
Für den individualisierten Haushalt mag das eine recht radikale Einschränkung sein, aber für ein kollektives Leben beinhalten diese Zahlen durchaus eine erweiterte Lebensqualität für alle.
Menschen, die die P.M.-Schriften seit Jahrzehnten kennen, werden die dann folgenden Vorschläge über den Umbau der Großstädte, den Szenarien des Übergangs, über Subkontinentale Zweckverbände, kulturellen Pluralismus usw. bekannt vorkommen, aber deshalb sind sie nicht weniger interessant und richtig. Eine wichtige Agitationsschrift für anderes Leben. Und wie immer bei P.M. geht es nicht darum, die Revolution vorzubereiten, sondern um eine Veränderung aufgrund von Notwendigkeit und Vernunft.
Wenn aus dem Golfplatz erst einmal ein Gemüsegarten und die Autobahn überwuchert von Pflanzen ist, spielt der Sportwagen keine Rolle mehr, abgesehen davon, dass der Sprit für ein derartiges Fahrzeug so gut wie nicht mehr vorhanden wäre.
Viele Dinge würden sich von allein erledigen, die uns jetzt noch hindern. Ziehen wir in unserem Leben eine gewisse Konsequenz, erübrigen sich automatisch einige überflüssige Dinge, die jetzt u.a. noch eher dem Neidfaktor zum Opfer fallen würden.
Und so pochte P.M. auch immer darauf, dass soziale Experimente nicht in irgendwelchen Exklaven zum Wohle von Sozialstudien stattfinden. Je mehr sich AnarchistInnen – oder wie auch immer sie sich heute nennen wollen – in der Mitte der Gesellschaft bewegen, und über ihre sozialen Vorstellungen nicht mehr nur reden und/oder theoretisieren, sondern sie auch vorleben, können wir nachhaltig Veränderungen erreichen. Eben: Märkte durch Gemeinschaften ersetzen. Ein guter Schritt vorwärts.
P. M. hat diesen unverbesserlichen Optimismus. Und diese Leichtigkeit trägt auch diese kleine, effiziente Schrift. Gut geeignet zum Verschenken und zum Selberlesen, wenn einen mal Müdigkeit überkommen sollte, oder Du noch neugierig genug darauf bist aus Träumen Wirklichkeit werden zu lassen.
P.S.: Das zweite Buch von P. M. in diesem Herbst ist der Roman „Manetti lesen oder: Vom guten Leben“, der mir leider bei GWR-Redaktionsschluss noch nicht vorlag, aber schon in den Buchhandlungen ausliegt. Vermutlich ein weiteres Leseabenteuer, welches ich hoffentlich in einer der nächsten Ausgaben vorstellen kann.
Anmerkungen
Die vollständigen libertären buchseiten 2012 gibt es auch als PDF zum Download.