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Ein australisches „Eichhörnchen“

Observer Tree: Miranda Gibsons Baumbesetzung für den Erhalt von Urwäldern in Australien

Miranda Gibson, eine junge australische Umweltaktivistin, hält seit über einem Jahr aus Protest gegen Rodungen durch internationale Holzkonzerne einen riesigen Baum in Tasmania besetzt.

Sie will bleiben, bis sichergestellt ist, dass Tasmaniens Wälder dauerhaft geschützt sind. Ihr Zuhause ist eine Holzplattform in 60 Meter Höhe. Von dort berichtet sie über ihren Kampf und ihren Alttag im Baumwipfel. Mit der Welt ist sie über einen mit einer Solaranlage betriebenen Computer verbunden.

Mirandas Spitzname ist „Possum“, das australische Eichhörnchen. „Possum“ hat sozusagen naturgemäß Kontakt mit GWR-Autorin „Eichhörnchen“ aufgenommen. Daraus ist eine Freundschaft über die Baumwipfel hinaus entstanden.

Miranda hat sich besonders für meine Berichte über Baumbesetzungen in Deutschland interessiert, auch wenn es hierzulande keine 80 Meter hohen Bäume gibt und die Polizei die Aktionen häufig mit Gewalt beendet – wie in diesem Herbst im Hambacher Forst (die GWR berichtete).

Als die Waldbrände der Klimaerwärmung Anfang Januar 2013 in Sichtweite von Mirandas Baum kamen, hat sie nachts kaum eine Stunde schlafen können. Ich war sehr besorgt, weil ich keine Nachrichten von ihr erhielt. Als sie sich Anfang Februar 2013 wieder meldete, war ich erleichtert.

Miranda hatte dann gleich eine gute Nachricht. Der Urwald soll als Weltnaturerbe klassifiziert werden. Sie hofft darauf, den Boden bald wieder zu berühren und fragt sich, ob sie noch laufen kann.

Ich habe Miranda gebeten, über ihre Erfahrung, ihren Kampf und diesen ersten Schritt „Weltnaturerbe“ zu berichten und veröffentliche hier den Artikel, den sie mir schickte. Es sind kleine aber wichtige Schritte für große Träume.

Eichhörnchen

Miranda Gibson:

Ich schaue auf den Kronenschluss eines Urwaldes im Australischen Tasmanien hinüber.

Ich befinde mich sechzig Meter über dem Waldboden auf einer in einem 400 Jahre alten Eukalyptusbaum in Seilen aufgehängten Plattform. Ich bin seit über einem Jahr hier, um die Wälder vor deren Abholzung durch Holzkonzerne zu schützen.

Am 14. Dezember 2011 kletterte ich auf diesen Baum hinauf und schwor dort zu bleiben, bis der Urwald geschützt ist. Seit über 400 Tagen habe ich den Boden mit keinem Fuß mehr berührt. Jeden Tag habe ich von meinem erhöhten Zuhause hinübergeschaut, nicht wissend wie lange ich hier bleiben würde.

Ich blieb jedoch entschlossen. Von meinem Hochsitz kommuniziere ich mit der ganzen Welt, ich verbreite meine Überzeugung über die Werte der Wälder und die Dringlichkeit, mit der wir handeln müssen, um sie zu schützen. Ich habe bei lokalen Ereignissen, an Schulen und Konferenzen überall um den Globus gesprochen. Über mein Leben in der Baumkrone aktualisiere ich zudem regelmäßig einen Blog. (1)

Ich habe während des vergangenen Jahrs die Veränderungen durch die vier Jahreszeiten in meinem Baum beobachten können. Vom ersten Schneefall im Winter bis zu den ersten Frühlingszeichen und den heißen Tagen im Sommer.

Jeden Tag, den ich hier verbracht habe, ist für die Welt eine Erinnerung daran gewesen, dass diese Wälder immer noch bedroht sind und geschützt werden sollen.

Zwei Tage vor meinem Aufstieg im Dezember 2011, starteten Bulldozer und Kettensägen ihren Angriff auf die alten Bäume in diesem unberührten Wald.

Ich konnte es weder ertragen, noch zulassen, dass die Zerstörung fortgesetzt wird. So begann die Aktion Observer Tree. Es dauerte nur ein paar Tage, bis die Medien auf meinen Baumprotest aufmerksam wurden und die Baumerntemaschinen angehalten und weg gebracht wurden. Anscheinend wollte die Holzindustrie für ihre Rodungspraxis international nicht an dem Pranger gestellt werden.

Und so sehe ich die durch das Tal fliegenden schwarzen Kakadus mit dem gelben Schwanz und ich weiß, dass der Wald zerstört worden wäre, hätte ich nicht Stellung bezogen.

Ein wunderbares Beispiel dafür, was die Macht, die wir alle besitzen, bewirken kann

Es geht allerdings um mehr als nur diesen Wald. Auch wenn meine Aktion die Rodungen vorübergehend aufgehalten hat, braucht es weitere deutliche Veränderungen. Es bedarf einer juristischen Absicherung zum Schutz der alten Wälder sowie einer Änderung in der Industrie, um der Zerstörung von Urwäldern ein Ende zu setzen. Deshalb bin ich Tag für Tag in dem Baum geblieben. Und ich werde hier solange ausharren, bis der Erhalt dieser Wälder sichergestellt ist.

Es war eine Herausforderung hier ein ganzes Jahr zu leben, aber egal wie schwierig es auch immer gewesen ist, es hat immer Momente gegeben, die mich daran erinnerten, wie schön und einzigartig dieser Wald ist und warum ich hier bin. Eine Eule, die mich still von einem oberen Zweig beobachtet oder ein Keilschwanzadler, der in den Himmel aufsteigt. Ein sensationeller Sonnenaufgang über dem schneebedeckten Horizont.

Das sind die besonderen Momente, die mich immer noch inspirieren.

Eine wissenschaftliche Untersuchung hat ergeben, dass diese Gegend den Wert eines Weltnaturerbes hat.

Die australische Regierung hat am 31. Januar 2013 bekannt gegeben, dass die Urwälder von Tasmanien nun für eine Aufnahme als Weltnaturerbe der UNESCO vorgeschlagen wurden.

Dieser Meilenstein ist das Ergebnis unserer intensiven Kampagnenarbeit, mit der Baumbesetzung und den Menschen überall in der Welt und in Tasmanien, die sich seit 30 Jahren für den Schutz von diesen Wäldern einsetzen. Unser Kampf ist noch nicht vorbei und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Regierung ihr Versprechen einlöst und den Rodungen ein Ende setzt.

Die Kettensägen sind leider nicht still geworden, dies können wir nur mit internationalem Druck erreichen. Ich bin überzeugt, dass positive Veränderungen möglich sind, wenn die Menschen zusammen stehen. Das ist die Lektion, die mir das vergangene Jahr im Baum gebracht hat. Meine Geschichte hat sich über die ganze Welt verbreitet und zum Jahrestag meiner Anwesenheit in dem Baum haben zahlreiche Menschen mit über 300 Aktionen und Solidaritätskundgebungen ihre Unterstützung für meinen Kampf und die Wälder gezeigt. Von Columbia über Deutschland nach Norwegen… Es war ein weltweiter überwältigender Appell unter dem Motto: „Wir stehen zu Miranda“.

Die gigantischen Zerstörungen würden im industriellen Maßstab weiter gehen, würde das Geschehen hier der Welt verborgen bleiben. Wenn die Menschen nicht begriffen hätten, dass diese Wälder für die Herstellung von Furnier durch die malaysische Firma Ta Ann gerodet werden, könnten die Produkte weltweit unter dem irreführenden Umweltsiegel „eco-ply verkauft werden.

Aus meiner Plattform in dem Baumwipfel und mit der Unterstützung zahlreicher GraswurzelaktivistInnen, konnte Licht auf die Geschäfte mit Furnier geworfen werden. Dies hat in der ganzen Welt einen Dominoeffekt zur Folge gehabt und dazu geführt, dass die Industrie Verantwortung für die ganzen Umweltzerstörungen in der Welt übernehmen musste.

Das ist der Grund, warum ich weiter mache, ich stelle fest, dass mein Protest wirkt. Weil ich jetzt weiß, dass viele Menschen Stellung beziehen und es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich herunterklettere und meinen Fuß auf einen nicht mehr bedrohten Wald setze,, der für zukünftige Generationen in Tasmanien als Weltnaturerbe-Gebiet unter Schutz steht.

Miranda Gibson
Übersetzung: Eichhörnchen