Es ist inzwischen fast eine Routine geworden: Die Troika, bestehend aus der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds, fordert weitere soziale Kürzungen, die konservative portugiesische Regierung setzt die Vorgaben der Troika um, um so Zugang zu den nächsten Kreditlieferungen zu erhalten.
Daraufhin gibt es Protest, wobei die Abfolge, wer welche Aktionsformen wählt, ebenso recht überschaubar ist. Nachdem die linken Gewerkschaften am 14. November 2012 zu einem Generalstreik in Portugal mobilisiert hatten, das in ganz Europa Widerhall fand, waren jetzt die sozialen Bewegungen an der Reihe.
Das Netzwerk „Que se Lixe a Troika!“ („Zur Hölle mit der Troika“) rief zu Massenprotesten am 2. März gegen die schier nicht aufhörende Liste der sozialen Kürzungen und die zunehmende Armut in Portugal. Eine Forderung, die bereits in der Mobilisierungsphase immer wieder auftauchte, war, dass die portugiesische Regierung zurücktreten solle, manchmal verbunden mit der Forderung nach Neuwahlen.
Am Tag der Proteste waren in über 30 portugiesischen Städten Hunderttausende Menschen auf der Straße. Schwerpunkt der Proteste (neben Lissabon) war Porto, die zweitgrößte Stadt des Landes, wo es nach Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei zu einigen Festnahmen kam. In einer Reihe von europäischen Städten gab es Solidaritätsaktionen, so etwa in London und Paris.
Die OrganisatorInnen geben an, dass 1,5 Millionen Menschen an den Protesten teilgenommen hätten – eine viel zu übertrieben hohe Zahl.
Dabei lassen sich auch ohne solche Zahlenspiele interessante Entwicklungen ausmachen, die aus der Perspektive der sozialen Bewegungen einen vorsichtigen Optimismus rechtfertigen.
Während es bisher die partei- und gewerkschaftsunabhängigen Vernetzungen lediglich geschafft hatten, zu einem Massenevent zu mobilisieren, um dann von der nächsten Vernetzung abgelöst zu werden, hat „Que se Lixe a Troika!“ es geschafft, nach ihrer Mobilisierung am 15. September 2012 (damals 400.000 DemonstrantInnen) ihre Strukturen auszubauen und AktivistInnen zu integrieren. Dies drückte sich auch in der Mobilisierungsphase für den 2. März 2013 aus.
In vielen portugiesischen Städten entstanden lokale Vorbereitungsgruppen, es wurden Wandbilder gemalt und öffentlich „wild“ plakatiert.
In den nächsten Wochen und Monaten wird sich herausstellen, ob sich die Vernetzung dauerhaft etablieren wird.
Eine parallele Entwicklung ist die zunehmende Relevanz von (partei)politischen Fragen in den sozialen Protesten. Während sich die Proteste bisher hauptsächlich gegen konkrete Austeritätsmaßnahmen, wie etwa soziale Kürzungen, Lohnkürzungen und Steuererhöhungen richteten, tauchen inzwischen Forderungen auf, wie etwa nach dem Rücktritt der konservativen Regierung und nach Neuwahlen. Wie diese Entwicklung einzuschätzen ist, bleibt noch unklar: Ist es die Unzufriedenheit damit, dass die Regierung die sozialen Proteste einfach aussitzt?
Geht mit der Verfestigung der Strukturen und Vernetzungen ein Machtgewinn derjenigen PolitaktivistInnen einher, die den linken Oppositionsparteien wesentlich näher stehen?
Diese Fragen lassen sich noch nicht beantworten.
Klarer ist die weitere Krisenchoreographie: Der linke Gewerkschaftsverband CGTP hat bereits die nächsten Demonstrationen festgesetzt, die Regierung debattiert über die kommenden Maßnahmenpakete und die Troika wacht darüber, dass der vorgesehene Lauf der neoliberalen Krisenpolitik nicht verlassen wird.
Über eine spontane Schrittänderung wird man sich in Brüssel und Berlin nicht freuen.