Ein Bundestagswahlkampf bietet leider immer auch eine staatlich durch Wahlkampfkostenrückerstattung mitfinanzierte Bühne für neofaschistische und extrem rechte Parteien. So auch in diesem Jahr. So auch in Münster.
Am 15. August 2013 wollte die NPD vor dem Stadthaus ihre Wahlkampfveranstaltung in der laut Nationale Sozialisten Münster „vielleicht letzten roten Hochburg Westfalens“1 durchführen. Für die NPD und ihren Führer Holger Apfel war jedoch kein Durchkommen.
Mehr als 1500 Menschen hatten unter dem Motto „Keine Sekunde der NPD“ den Veranstaltungsort in der City besetzt. Polizei und NPD verlegten die Kundgebung deshalb kurzfristig auf den Schlossplatz. Schnell und lautstark zog daraufhin die Antifa-Demo vom Stadthaus Richtung Schloss.
„Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd“
Als gegen 15:30 Uhr der erste Redner der NPD ein „Hallo Münster“ an sein „Publikum“ richtete, wurde dies mit einem Pfeifkonzert und der Parole „Haut ab!“ beantwortet.
Mit ohrenbetäubendem Lärm, fantasievollen Transparenten und fliegenden Eiern wurden der NPD-Chef und seine Getreuen empfangen. Sambatrommeln, Trillerpfeifen und gefühlt 2000 Antifas sorgten dafür, dass die rassistische Hetze der knapp 20 NPDler nicht zu hören war. Mit Hilfe ihrer Regenschirme versuchten die NPD-Ordner zu verhindern, dass Eier den Apfel treffen.
Direkte gewaltfreie Aktion: NPD eingekesselt
Nach 30 Minuten waren die NPDler bedient. Sie wollten Münster schnell wieder verlassen und den nächsten Wahlkampfort ansteuern. Dies erwies sich jedoch als unmöglich, weil sowohl die NPD, als auch die Polizeihundertschaft von GegendemonstrantInnen eingekesselt waren. Stundenlang wurde die NPD blockiert, bevor der u.a. mit der antiziganistischen NPD-Wahlkampf-Parole „Rente für Oma statt für Roma“ verkleidete Nazi-Tross gegen 19 Uhr unter tatkräftiger Mithilfe der Polizei die Stadt verlassen konnte.
„Der Versuch der Münsteraner Polizei, die NPD-Kundgebung in bewährter Manier fernab von Gegenprotest auf dem prestigeträchtigen Schlossplatz stattfinden zu lassen, scheiterte am Willen der vielen Gegendemonstrant*innen, die ihren entschlossenen Protest schnell auch dort äußerten. Uns beeindruckt, wie viele Menschen aus unterschiedlichen Spektren heute so ausdauernd mit uns demonstriert haben. Die Übergriffe der bereits mehrfach aufgefallen 17. Bereitschaftspolizeihundertschaft aus Münster gegen Ende der Kundgebung verurteilen wir aufs Schärfste. Wir danken allen, die heute gemeinsam mit uns auf der Straße waren und die NPD-Kundgebung zum Desaster gemacht haben“, so das Fazit des „Keinen Meter den Nazis“-Bündnisses.
Knapp zwei Wochen später kamen auch Wahlkämpfer einer anderen rassistischen Partei nach Münster.
Sambatrommeln contra „Pro Deutschland“
Am 27. August 2013 wollte die extrem rechte Mini-Partei „Pro Deutschland“ zwei Kundgebungen in Münster abhalten. Eine vor einer Moschee, um gegen die „Islamisierung Deutschlands“ zu demonstrieren und eine vor den libertären Zentren krachtz und Don Quijote, um gegen „Linksextremismus“ zu protestieren.
Über 400 Menschen stellten sich an diesem Tag den „Pro Deutschland“-Hetzern entgegen und setzten ein Zeichen gegen soziale Ausgrenzung und Rassismus.
Ab 9 Uhr sammelten sich die ersten GegendemonstrantInnen am Meßkamp in der Nähe der dortigen Moschee. Als die sechs „Pro Deutschland“-Wahlkämpfer mit ihrem Kleinbus eintrafen, wurden sie ähnlich empfangen wie ihre NPD-Gesinnungskameraden zwei Wochen zuvor. Das Pfeifkonzert hielt während der Kundgebung an und übertönte die extrem rechten Propagandareden der Rassisten.
„Beim ‚Generalsekretär‘ der Partei, dem Berliner Lars Seidensticker, zeigte das anscheinend Wirkung; er bezeichnete die AntifaschistInnen als ‚eine Handvoll alternativer Spinner‘ und ‚Bodensatz der Gesellschaft‘. Nach weniger als einer Stunde und ohne jede Außenwirkung baute der rechte Tross ab und zog weiter zu den linksalternativen Zentren ‚krachtz‘ und ‚DonQuijote‘ an der Nieberdingstraße“, so das Antifa-Bündnis.
Die Nieberdingstraße ist ein wichtiger politischer Ort in Münster. Hier ist neben Don Quijote, krachtz und dem libertären Verlag edition assemblage auch das alternative Wohnprojekt Das Nieberding beheimatet. Diese Straße konnten die Rechten nicht betreten. Hier wurden sie nämlich bereits von einer Blockade erwartet.
Die Polizei leitete die Rechten deshalb über einen Radweg in die Nähe des ursprünglich angepeilten Kundgebungsortes. Hinter Polizeiketten und -autos verborgen, war auch dort kaum etwas von „Pro Deutschland“ zu sehen oder zu hören. Stattdessen entfaltete sich der lautstarke und bunte Protest von 400 antirassistischen Menschen. Leider wurden nun mehrere „pink and silver“-TrommelaktivistInnen festgenommen.
Um 13 Uhr mussten die „Pro Deutschland“-Wahlkämpfer frustriert und unter starkem Polizeischutz die westfälische Provinzmetropole wieder verlassen. Für die quer durch die Republik reisenden Rassisten war auch dieser Auftritt ein Desaster. Für die verbliebenen Antifas gab es dagegen Volxfeststimmung und – „nach getaner Arbeit“ – ein leckeres, veganes Vokü-Essen.
Weiter so – gegen Nazis!
(1) Siehe: Ein schwarzer Tag. 1.500 PolizistInnen setzten am 3. März einen Marsch von 311 Nazis gegen 7.000 AntifaschistInnen in Münster durch, Artikel von Bernd Drücke, in: Graswurzelrevolution Nr. 368, April 2012