Die ISAF ist in Afghanistan mit der Strategie gescheitert, ein von den USA eingesetztes Regime zu konsolidieren. Der missglückte Versuch des Nation Building führte zu schweren Verlusten der einheimischen Bevölkerung. Dabei hat die Bundeswehr eine besonders verhängnisvolle Rolle gespielt. Die existentielle Angst der deutschen Soldaten hat die Truppe in die Sackgasse der Selbstverteidigung getrieben, in die Isolierung hinter hohen Schutzmauern - alles gut geregelt: Mülltrennung, TÜV-Abnahme, Bierrationen.
Die Rechtfertigung des Militäreinsatzes durch Brunnen- und Straßenbau erwies sich auf Dauer als nicht umsetzbar – abgesehen davon können das Afghanen, gibt man ihnen die Geldmittel, mindestens genauso gut.
Die irrige Annahme deutscher Stellen (auch der Stiftung Wissenschaft und Politik), der Norden sei sicher, hat nach ihrer Widerlegung durch erfolgreiche Angriffe der afghanischen Guerilla die durch Angst gesteuerte Bereitschaft zum präventiven Zuschlagen ansteigen lassen.
So erklärt sich, dass in der Nacht vom 3./4. September 2009 das Massaker von Kunduz mit ca. 130 afghanischen Todesopfern, darunter viele Kinder, Frauen und Alte, auf Anordnung eines deutschen Obersts verübt wurde. Der hatte nicht den Schneid, persönlich die Situation, die sich an zwei von Taliban gekaperten, aber in einem Flussbett festsitzenden Tankwagen ergeben hatte, in Augenschein zu nehmen. Stattdessen forderte er zwei amerikanische Jagdbomber zur Bombardierung der Menschenmenge an und schlug das Angebot eines der US-Piloten aus, die Menge durch dichtes Überfliegen auseinander zu treiben. Er behauptete fälschlich, seine ihm unterstellte deutsche Einheit sei unmittelbar bedroht. Damit wurde das schwerste einzelne Massaker während des ISAF-Einsatzes auf deutschen Befehl verübt. Das Nachspiel dieses Verbrechens ist eine Aneinanderreihung von unglaublichen Skandalen.
Während General Stanley Allen McChrystal gleich nach dem Massaker die verletzten Afghanen besuchte, entzog sich Oberst Klein dieser Pflicht. Er hatte durch sein Fehlverhalten die vier Tage zuvor verkündete neue Strategie des US-Generals schwer beschädigt. Gleichwohl: Oberst Klein wurde in den staatsanwaltlichen Ermittlungen und auch disziplinarrechtlich freigesprochen und trotz zahlreicher Proteste zum General befördert [vgl. GWR 371, S. 1f.].
Weder er, noch die deutsche Regierung haben sich bei den Angehörigen entschuldigt. Die zunächst angebotenen Entschädigungen wurden als Beleidigung zurück gewiesen, es wird zurzeit um sie in einem Zivilprozess vor dem Bonner Landgericht immer noch (11.11.2013) gestritten.
[Anm. d. GWR-Red., 14.12.13: Am 10.12.2013 erklärte das Landgericht Bonn, dass General Klein für das Massaker nicht haftbar zu machen sei, da „keine Amtspflichtverletzung“ vorliege. Eine Entschädigung wurde abgelehnt, das Völkerrecht missachtet].
All dies soll nun der Lärm des Großen Zapfenstreichs übertönen
Das Massaker hatte einen Wutanfall des ISAF Oberbefehlshaber Stanley A. McChrystal zur Folge. In dieser Brand- und Blutnacht wurde sein Projekt eines einjährigen Insurgentenbekämpfungsprogramms vernichtet. Chrystal hatte dieses Programm zynischerweise mit dem Akronym CIA überschrieben. Darin steht: Die Situation ist ernst. Sie verlangte einen neuen approach, der innerhalb eines Jahres zum Erfolg führen musste. Die Maxime war: Näher ran an die Bevölkerung (focusing on the community), Strukturaufbau und Partnerschaft.
Es ging darum, die Initiative zurück zu gewinnen. Diese Strategie wäre aber auch ohne Oberst Kleins Versagen gescheitert. Festzuhalten bleibt aber, dass die Bundeswehr in einer Strategie eingesetzt wurde, die schon mehrfach, am stärksten in Vietnam, gescheitert ist (Ausnahmen: Malaya und Oman).
Die Insurgents wurden als Bombenziele markiert mit der Begründung, dass sie die rechtmäßige afghanische Regierung und ihre internationalen Schutztruppen bekämpften.
Diese Regierung war aber nicht durch geordnete und freie Wahlen zustande gekommen. Diese galten als „faked“. Dieses Legitimationsdefizit und die durch die von externen Mächten verschärften ethnischen Differenzen haben zum Scheitern des Nation Building geführt, was inzwischen von den NATO-Strategen eingestanden wird.
Die Schröder-Fischer-Koalition hat die Gefahren des Afghanistaneinsatzes allerdings völlig unterschätzt. Sie glaubte auch, damit um die Unterstützung der US-Aggression gegen den Irak herumkommen zu können.
Umso erstaunlicher ist die Lüge des damaligen SPD-Verteidigungsministers Peter Struck „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“; in Wirklichkeit wurde sie durch die Teilnahme am ISAF-Einsatz gerade in dieser Region gefährdet.
McChrystals Programm war überholt, das Kunduzmassaker beschleunigte nur die Einsicht in einen notwendigen Strategiewechsel z. B. durch Drohneneinsätze. Formell war dieser Spätling der Counterinsurgency erledigt mit der Entlassung McChrystals im Jahr 2010 durch den Präsidenten Obama wegen Beleidigung von Ministern der Obama-Administration (Aufgrund einer Veröffentlichung von Michael Hastings, der 2013 unter ungeklärten Umständen ums Leben kam). Der Schlusspunkt wurde schließlich mit dem Rücktritt von Chrystals Nachfolger General David Petraeus wegen einer Sexaffäre gesetzt. Es folgte der Übergang zur völkerrechtswidrigen Drohnenstrategie.
Warum muss die Bundeswehr weiter in solche Kriseneinsätze geschickt werden?
Es ist wie mit dem Kohlebergbau in Deutschland. Dessen letzte Rechtfertigung berief sich darauf, dass nur bei fortdauerndem Betrieb die Bergbaumaschinen und -anlagen ins Ausland verkauft werden könnten. Ähnlich dient der Rüstungsexport als Rechtsfertigung für das Fortbestehen der Bundeswehr. Dabei könnte der Rüstungsexport so reduziert werden, dass das Argument der notwendigen Bundeswehreinsätze sich erübrigt.
Die Entsendung der Bundeswehr nach Afghanistan entsprach der Satellitenpflicht einer Militärkolonie. Seit dem „11.09.“ weiß man genauer, was dieser zunächst polemisch klingende Begriff bedeutet.
Deutschland war und ist nicht nur ein US-Lazarettstandort, sondern auch ein Umschlagplatz für Gefangenentransporte. Und seit Neuestem wissen wir, dass vom JSOC (Joined Special Operations Command) in Ramstein und Stuttgart Mordbefehle des US-Präsidenten über Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Jemen und Ostafrika exekutiert werden.
Es ging nicht um die Verteidigung deutscher Interessen an afghanischen Rohstoffen. Es handelt sich um die Gegenleistung für den US-Aggressionsschatten, den auch das bundesdeutsche Kapital für die Sicherung seines Anteils am Welthandel benötigt.
Spätestens 2006 wurde von kompetenter Seite erklärt, dass nach dem Wegfall der Ost-West- Konfrontation die NATO eine neue Aufgabe zu suchen hatte. Durch die Attentate vom 11. September 2001 wurde unvorhergesehen der von Bush proklamierte Krieg gegen den Terrorismus als Angriff auf Afghanistan umgesetzt. Der Erfolg in diesem Krieg auf den afghanischen Schlachtfeldern wurde spätestens 2006 zur Überlebensfrage der NATO erklärt (General Wesley Clark in Newsweek, 2. Oktober 2006, Seite 27).
Nikolas Busse hat am 21.09.2013 in der FAZ einfühlsam konstatiert: „Die Nato sieht sich seit einiger Zeit mit einer Frage konfrontiert, die für ein Militärbündnis alles andere als belanglos ist: Was tun ohne Krieg? Ende nächsten Jahres will das Bündnis seine Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen haben, die Rückverlegung der Truppen ist in vollem Gang. … Vor allem den Militärs bereitet das Kopfzerbrechen. Wie soll man die Einsatzfähigkeit erhalten, wenn die Truppen wieder in den Kasernen zurück sind, fragen sich die führenden Offiziere. Eine erste, für Außenstehende vielleicht etwas überraschende Antwort lautet: „indem man eine Schlacht gegen Russland übt.“
Inzwischen hat dieses Manöver im Baltikum und in Polen stattgefunden und zur Verschärfung Kalter-Kriegs-Strategien beigetragen.
Der Große Zapfenstreich passt zum Ungeist der akademischen Kulisse
Die „Westfälische Wilhelms Universität“ in Münster hat es nicht geschafft sich von dem schändlichen Namen ihres Patrons zu verabschieden. Dabei war dieser Kaiser nicht nur ein Judenverächter, sondern auch an höchster Stelle verantwortlich für die deutschen Kriegsverbrechen in China und Afrika. Er hat auch durch tollpatschige Interventionen zur Verschärfung imperialistischer Gegensätze beigetragen.
Aber der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist nicht in erster Linie ihm anzukreiden. 1914 war er schon seit einigen Jahren kein militärischer Entscheider mehr. Jedoch hat er dem deutschen Reich einen ebenso überholten, wie aggressiven Militarismus vermacht.
Zu seinen Hinterlassenschaften gehört die Installierung des Reserveoffiziers als dominanten Habitus. Die Nachhaltigkeit zeigte sich noch 1997 bei der Ablehnung von ca. 80% der Münsteraner Professoren, den blamablen Namenspatron aus dem Namen der Universität zu entfernen.
Der Militarismus prägte die Westfälische Wilhelms Universität in Münster auch nach der Abdankung des Kaisers. Freikorps, wie die akademische Landwehr, waren an der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes im Ruhrgebiet beteiligt.
Während des Zweiten Weltkrieges tat ein Medizinprofessor der WWU Dienst an der Rampe in Auschwitz. Nach dem Krieg war Münster die einzige deutsche Universität, die bereit war den Genetiker Otmar Freiherr von Verschuer, der sich von seinem ehemaligen Doktoranden Dr. Josef Mengele „lebend frisches Material“ aus Birkenau besorgen ließ, zu berufen.
Allianz von WWU und Bundeswehr heute
Der erneute Abfall in die Allianz mit dem Militär wurde mit dem Slogan „Lernen mit dem Militär“, den der Münsteraner Politikprofessor Meyers als Devise seiner Graduiertenausbildung für die Unterstützung von Einsätzen in Krisenländern (failed states) proklamiert hat und die in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Niederländischen Korps realisiert wurde, erreicht. Die Magisterarbeit eines Bundeswehrangehörigen über seinen Einsatz in Afghanistan wurde mit einem lokalen Preis ausgezeichnet. Der Gipfel der Inkompetenz wurde mit einer Dissertation über die Paschtunenstämme erreicht, die Meyers unterstützt von einem anderen ahnungslosen Kollegen mit „summa cum laude“ bewertete. (1) Diesmal waren es nicht Plagiate, sondern grob fahrlässige Fehler bei sekundären Zitaten, falsche Namensangaben wichtiger Autoren, Fehlen von relevanter Literatur in der Bibliografie und innovativen Analysen – insgesamt allgemein erschreckende Ausbildungsmängel. Dazu passend wurde 2013 bekannt, dass zwei an der Uni Münster promovierten Juristen der Doktorgrad wegen Plagiaten entzogen wurde.
Der „Umstand“ des Großen Zapfenstreichs
Im altdeutschen Recht bezeichnet „Umstand“ die Teilnehmer an einer Gerichtsverhandlung, die durch Murren oder beifällige Geräusche diese begleiten. Der Umstand des Großen Zapfenstreichs am 25.09.2013 bestand aus den Feldjägern, die die Polizeigewalt auf dem Schlossplatz in Münster hatten und einer kleinen Demonstrationsgruppe, die durch Absperrungen und Militärpolizei von den paradierenden NATO-Soldaten getrennt waren. Hinter den Protestierenden, die mit Lautsprechern die Marschierer des 1. Korps und ihre Kapellen übertönten, war eine Phalanx von Polizeiautos aufgereiht, deren Besatzung sich von der studentischen Beschallung gestört fühlten und genervt um Senkung der Lautstärke baten.
„Geh doch nach drüben.“ Das habe ich am 25. September 2013 zum dritten Mal in meinem öffentlichen Leben gehört. Zum ersten Mal war es 1974, als ich vor der Duisburger Karstadt-Filiale ein von mir und einigen Kollegen, sowie von Münsteraner Soziologiestudenten unterzeichnetes Flugblatt gegen die Folgen eines Duisburger Polizeieinsatzes verteilte. Der Ratschlag kam kurz bevor mich zwei Polizisten zwangen in ihren VW-Käfer zu steigen, wobei der Fahrer durch rasende Fahrweise versuchte, mich in Verletzungsgefahr zu bringen.
Der Rat war absurd, weil die KPD (AO) die DDR als Revi-Gebilde scharf kritisierte. Das zweite Mal ertönte der Unsinn, als ich vor dem Münsteraner Rathaus gegen die Unterstützung der US-Aggression gegen Afghanistan protestierte. Den Rat erteilte ein in feines Tuch gekleideter Bourgeois, der seine Schweinefinger auf meine Schulter drückte.
Zum dritten Mal hörte ich diesen irrealen Rat am 25.09.2013 von einem als Techniker eingekleideten mittelalten Mann, der es nicht dabei beließ, sondern mich als Lügner und Märchenerzähler beschimpfte und auf meiner ausgebreiteten Afghanistankarte herumhämmerte.
Es stellt sich eine praktische Frage: Wer ist dieser agent provocateur? Ist er mobil oder lokal identifizierbar? Leider fiel mir nicht ein auf seine törichte Provokation auf farsi zu retournieren. Immerhin haben andere Demonstranten diesen Mann so abgedrängt, dass er danach nur noch durchgehuscht ist.
Deutschland verfolgte vom I. bis zum II. Weltkrieg in Afghanistan kultur- und geopolitische Interessen (z. B. die Instrumentalisierung afghanischer Grenzstämme für antibritische Aufstände); dem diente auch die Polizeiausbildung
Die deutschen Angehörigen des I. Deutsch-Niederländischen Korps sind nicht die ersten deutschen Soldaten, die in Afghanistan gewirkt haben.
1915/16 versuchten Oskar Ritter von Niedermayer und der Diplomat Otto von Hentig nach abenteuerlichen Wüstendurchquerungen den afghanischen König Habibullah dazu zu überreden, die afghanischen Grenzstämme zu Angriffen auf Britisch Indien aufzurufen. Aber diese Mission führte zu keinem Ergebnis. Nach dem III. Anglo-Afghanischen Krieg kamen außer zahlreichen deutschen Technikern auch Militärausbilder im technischen Bereich in das Land. In diese Zeit fiel auch die Gründung der deutschen Oberrealschule in Kabul. Die von den Nazis im Iran betriebene Arier-Propaganda griff auch auf Afghanistan über.
Das NS-Reich half bei der militärischen Aufrüstung der afghanischen Armee. Die Firma Rheinmetall-Borsig AG lieferte mithilfe eines Kredits des Deutschen Reichs Waffen und Munition für sechs Divisionen.
Die Geschäfte dieser deutschen Firma wurden von Major Waldemar Pabst, dem Verantwortlichen für den Doppelmord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht abgewickelt.
Die Organisation Todt führte Infrastrukturaufgaben aus, die Spionen als Tarnung dienten. Die Siemens-AG war am Aufbau des Telefonnetzes beteiligt und baute nach dem Zweiten Weltkrieg das störanfällige Mahipar Kraftwerk im Kabul-Fluss.
In den 1930er Jahren waren als Ärzte und Schmetterlingsforscher getarnte Deutsche im Grenzbereich tätig.
Nach dem deutschen Überfall 1941 auf die Sowjetunion musste Afghanistan die deutschen Experten auf Druck der alliierten Mächte ausweisen, die afghanische Regierung setzte aber ihren freien Abzug in ein Land ihrer Wahl durch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die deutsche Einflussstrategie neue Impulse. Afghanistan erhielt als führendes Mitglied der blockfreien Staaten die höchste westdeutsche Entwicklungshilfe. Die Wirtschaftsgruppe Hendrikson wirkte im Auftrag der BRD als drittwichtigsten Geberlandes an der afghanischen Wirtschaftspolitik mit; für das deutsch-afghanische integrierte ländliche Entwicklungsprojekt in der Grenzprovinz Paktya versuchte jene Consulting einen ähnlichen Autonomiestatus wie die US-Helmand Valley Authority durchzusetzen. Als Ergebnis des zehnjährigen Krieges der Sowjetarmee musste dieses Projekt aufgegeben werden.
Für die Verwertung von afghanischen Rohstoffen reichten und reichen die deutschen finanziellen Ressourcen nicht.
Allerdings haben deutsche Firmen wie Siemens und Hochtief die durch ausländische Investitionen in Form von Kapitalhilfe oder Krediten ausgelöste Nachfrage profitabel nutzen können.
Hochtief führte den von den USA finanzierten Neubau der Kabuler Universität aus, ebenso wie das von der Sowjetunion finanzierte Polytechnikum.
Dieser Konzern trug zum Scheitern der afghanischen Verfassungsreform bei. Angeblich hatte sie das gesamte Kabinett des neuen nicht paschtunischen Ministerpräsidenten Dr. Yusuf durch Übereignung von Neubauvillen bestochen.
Die dagegen protestierenden Studenten erzwangen eine Unterbrechung der Beratungen des Unterhauses über die Bestätigung des Kabinetts nach Überprüfung der Vermögensverhältnisse seiner Mitglieder. Am 25.10.1965 kam es zu Demonstrationen von Studenten, deren militärische Niederschlagung ein Dutzend Opfer forderte.
Hochtief betrieb neben einer Holz und Metallverarbeitungsfabrik mehrere Baumaterialienbetriebe. 1968 kam es dort zu mehrwöchigen Streiks, weil Hochtief sich nicht an die arbeitsrechtlichen Normen Afghanistans hielt. Von deutschen Beamten ausgebildete Polizeispitzel ermittelten Rädelsführer. Die Polizeiausbildung erfolgte unter formal-paritätischer Leitung, von deutscher Seite war der jeweils letzte pensionierte Direktor des BGS zuständig. Es gab in Kabul ein „Landeskriminalamt“.
Wichtige afghanische Beamte wurden in westdeutschen Landeskriminalämtern und im Bundesnachrichtendienst (BND) weiter qualifiziert und z. T. mehrjährig in Deutschland und Österreich eingesetzt. Das waren also die guten Jahre der Zusammenarbeit, die nun Illusion über die erneute deutsche Ausbildung afghanischer Polizeibeamter nähren sollen.
Zur Erinnerung, gegen falsche Heldenverehrung
1,3 Mio. Afghanen sind im Kampf gegen die sowjetischen Truppen und ihre Kollaborateure umgekommen.
Die Mujahedin kämpften sicherlich nicht für die deutsche Widervereinigung. Aber das Scheitern der Sowjetskaja Armija hat diese entzaubert, so dass die Nationalisten und Dissidenten in Osteuropa sich nicht mehr einschüchtern ließen – Zunahme der Proteste in Polen, Öffnung der ungarischen Grenze und Demonstrationen im Baltikum-, das beflügelte den Mut der Opposition in der DDR.
Am 15.02.1989 zogen die letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan ab, am 15.11. des gleichen Jahres fiel die Mauer – dieser enge zeitliche Zusammenhang sollte hierzulande endlich wahrgenommen werden. Dass der Fall der Mauer unblutig verlief war nicht nur das Ergebnis einer unblutigen mitteldeutschen Revolution, sondern auch des erbitterten Widerstands der Afghanen.
Der Anschein der unblutigen Überwindung der innerdeutschen Grenze war auch der Einsicht der DDR NVA/Stasi zu verdanken, dass die Repression systemkritischer Bewegungen unter den neuen weltpolitischen Bedingungen nicht aufrecht erhalten werden konnte.
(1) Siehe: Missratenes Pashtunenporträt, Artikel von Christian Sigrist, auf: http://iley.de/?article=BUCH_DOKTORARBEIT-missratenes_pashtunenportrt
Zum Autor
Christian Sigrist (* 25.03.1935) ist Ethnologe, emeritierter Professor für Soziologie (Uni Münster) und Autor u.a. von "Regulierte Anarchie". Erfahrungen rund um Afghanistan: 1966/67 Feldforschungen in Kabul und Südafghanistan, speziell Paktya; 1991 Aufenthalte in afghanischen Kriegsgebieten. GWR-Beiträge: Opfer einer wissenschaftlich abwegigen Genetik - Gedanken anlässlich der Einweihung der Paul-Wulf-Skulptur "Münsters Geschichte von unten" am 5.9.2010, in: GWR 353, Nov. 2010; Die afghanische Tragödie - Teil II, in: GWR 267, März 2002; Die afghanische Tragödie - Teil I, in: GWR 263, Nov. 2001; Der "Siegfrieden" der NATO, Interview von Bernd Drücke mit Christian Sigrist, in: GWR 240, Sommer 1999