Deportee
(„Plane Wreck at Los Gatos“) („Goodbye Juan“)
Text von Woody Guthrie, Musik von Martin Hoffman (1)
The crops are all in and the peaches are rott’ning,
The oranges piled in their creosote dumps;
They’re flying ‚em back to the Mexican border
To pay all their money to wade back again
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita,
Adios mis amigos, Jesus y Maria;
You won’t have your names when you ride the big airplane,
All they will call you will be „deportees“
My father’s own father, he waded that river,
They took all the money he made in his life;
And they rode the truck till they took down and died.
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita …
Some of us are illegal, and some are not wanted,
Our work contract’s out and we have to move on;
Six hundred miles to that Mexican border,
They chase us like outlaws, like rustlers, like thieves.
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita …
We died in your hills, we died in your deserts,
We died in your valleys and died on your plains.
We died ’neath your trees and we died in your bushes,
Both sides of the river, we died just the same.
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita …
The sky plane caught fire over Los Gatos Canyon,
A fireball of lightning, and shook all our hills,
Who are all these friends, all scattered like dry leaves?
The radio says, „They are just deportees“
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita …
Is this the best way we can grow our big orchards?
Is this the best way we can grow our good fruit?
To fall like dry leaves to rot on my topsoil
And be called by no name except „deportees“?
Goodbye to my Juan, goodbye, Rosalita …
Der Absturz bei Los Gatos (Deportiert)
Die Ernte ist eingebracht, und die Pfirsiche verfaulen;
Die Apfelsinen liegen auf der Kreosot-Halde;
Jetzt fliegt ihr sie zurück, zur mexikanischen Grenze;
Ihr zahlt sie aus, damit sie abhauen.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita,
Adios, mis amigos, Jesus und Maria;
Ihr werdet eure Namen nicht mehr haben, wenn ihr in dem großen Flugzeug sitzt,
ihr werdet nur noch „Deportierte“ heißen.
Der Vater meines Vaters ist durch den Fluß zurückgewatet,
sie haben ihm alles Geld abgenommen, das er in seinem Leben je verdient hat;
meine Brüder und Schwestern kamen, um die Obstbäume abzuernten,
und sie fuhren auf dem Lastwagen mit, bis sie starben.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita …
Manche von uns sind illegal, andere sind unerwünscht;
Unser Vertrag läuft aus, und wir müssen weiter,
sechshundert Meilen zur mexikanischen Grenze;
sie jagen uns wie Banditen, wie Viehdiebe, wie Verbrecher.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita …
Wir sind in euren Bergen gestorben und in euren Wüsten;
In euren Tälern sind wir gestorben und auf euren Ebenen,
unter euren Bäumen sind wir gestorben und in eurem Gebüsch;
diesseits und jenseits des Flusses: gestorben sind wir allemal.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita …
Über dem Los-Gatos-Canyon fing das Himmelsflugzeug Feuer;
Ein Feuerball und Blitz, der die Berge ins Wanken brachte;
Wer sind sie, all diese Freunde, alle verstreut wie Blätter im Herbst?
Im Radio sagen sie, es habe sich nur um Deportierte gehandelt.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita …
Ist dies die beste Art, unsere großen Obstgärten zu bestellen?
Ist dies die beste Art, unsere guten Früchte anzubauen?
Damit sie wie Herbstlaub auf dem Kompost enden
Und keinen eigenen Namen mehr haben außer: Deportierte.
Goodbye, mein Juan, goodbye, Rosalita …
I.
Lebensmittel werden immer wieder vernichtet, abgeschoben wird mehr denn je, an den Grenzen der Imperien treiben die Leichen an, werden die Mauern und Zäune hochgezogen. Vielleicht ist der Unterschied zur Entstehungszeit des Textes sogar, dass man die MigrantInnen damals ausbeuten wollte, während sie heute zunehmend als „Überflüssige“ behandelt werden, die automatisierte Technik hat einfache Arbeit überflüssig gemacht – und damit auch die Arbeitenden. Die US-amerikanisch-mexikanische Grenze beispielsweise ist von Tausenden Border Patrol Agents gesichert, von Metallmauern, Stacheldraht, seismografischen Sensoren im Sand, Infrarot-Sensoren. Tausende starben an der Grenze, jährlich sind es Hunderte. Die Schlepper (Coyotes) können sich Landarbeiter nicht mehr leisten. Die Ökonomie ist längst Drogenökonomie und Waffenhandel (2).
Das Ereignis und einige Hintergründe
Woody Guthrie las in der New York Times vom 29. Januar 1948, dass am Vortag ein Flugzeug bei Coalinga in Fresno/San Benio, Kalifornien beim Los Gatos Canyon abgestürzt war, das 28 mexikanische LandarbeiterInnen aus Oakland ins Abschiebezentrum transportieren sollte. Von den 32 Opfern wurden in den Medien die Namen der vier anwesenden Amerikaner, der Crew und Bewacher, genannt, nicht aber die der Campesinos. Dieser Rassismus wurde von Woody Guthrie in seinem Gedicht angegriffen, das der Lehrer Martin Hoffman Jahre später vertonte. Martin Hoffman arbeitete in einem Navaho Reservat und hat später Selbstmord begangen. (3)
Woody hatte den Text zunächst mehr gesprochen als gesungen; er gab den Toten die symbolischen Namen Juan, Rosalita, Jesus, Maria! Die Opfer, 27 Männer und eine Frau, wurden in einem Massengrab auf dem Holy Cross Friedhof in Fresno z.T. unidentifiziert beigesetzt (4).
Der Hintergrund dieses Dramas war das „Bracero-Programm“: Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Arbeitskräftemangel im Agrobusiness beklagt, im Kern ging es aber auch darum, die gewerkschaftliche Organisierung der LandarbeiterInnen zu behindern.
Ab 1942 bis 1964 wurden Millionen MexikanerInnen als billige, gut überwachte und flexibel einsetzbare ArbeiterInnen „importiert“, nach getaner Arbeit wieder abgeschoben.
In dem Dokumentarfilm „Soldiers of the Fields“ berichten ZeitzeugInnen oft unter Tränen über ihre Ausbeutung und rassistische Erniedrigung. Viele mexikanische Dörfer bestanden in dieser Zeit nur noch aus Frauen und Kindern, die nicht einmal wussten, wo die US-Konzerne ihre Männer und Väter einsetzten. Ab 1947 gab es ein Abkommen zwischen Mexiko und den USA, das auch „Illegalen“, die abgeschoben worden waren, die Rückkehr als ZeitarbeiterInnen erlaubte.
Das führte dazu, dass die Unternehmer die Grenzpolizei auf die bei ihnen beschäftigten „Illegalen“ hinwiesen, diese wurden in mexikanische Grenzstädte abgeschoben, wo sie einen Vertrag mit dem Unternehmer unterzeichneten, der sie denunziert hatte. So wurde der Nachschub billiger, unorganisierter SaisonarbeiterInnen legalisiert.
Gleichzeitig wurden Getreide, Früchte und Gemüse vernichtet, um die Marktpreise hoch zu halten; auch dies kritisiert Woody Guthrie gleich zu Beginn des Gedichts. „Kreosot“ ist ein Holzschutzmittel, krebserregend. Damit wurden die Lebensmittel behandelt um sie ungenießbar zu machen, es hätten sonst ja Hungerleider „containern“ können. Diese Politik war Teil des „New Deal“, die Agricultural Adjustment Administration bezahlte Farmer auch für die Stilllegung von Anbauflächen, das Schlachten von Tieren, die Vernichtung des Fleisches usw.
II. Der Kampf ist nicht vorbei
Seine „musikalischen Reportagen von dem Schlachtfeld, auf dem um die amerikanische Seele gekämpft wird“ (Lou Reed) sind noch immer von großer Aktualität und viele KünstlerInnen beteiligen sich an diesem Kampf, indem sie seine Lieder neu interpretieren.
„Deportee“ wurde zuerst von Woodys altem Freund Pete Seeger gesungen, natürlich von Bob Dylan und Joan Baez, unter anderem während der „Rolling Thunder Revue“, häufig von seinem Sohn Arlo Guthrie, auch mit anderen aus der Szene, etwa Emmylou Harris.
Bei Youtube finden sich „Deportee“-Versionen nicht nur von den Byrds, Bruce Springsteen, Billy Bragg, Johnny Cash (auch mit Johnny Rodriguez, der mit den Highwaymen eine weitere Interpretation eingespielt hat), Willie Nelson, AniDiFranco und Ry Cooder, KT Tunstall, Judy Collins, Los Super Seven, dann die Iren: Paddy Reilly, die Dubliners, vor allem Christy Moore, der auch 2013 wieder in Konzerten mit Declan Sinnott auf die besondere Aktualität des Liedes hingewiesen hat. Eine Hall of Fame der sozial engagierten SängerInnen.
Meine aktuelle Lieblingsversion ist die von Blueslickjoe, sehr bluesig, langsam, eindringlich, fast ein Sprechgesang.
Die „politischste“ und direkt mit den Kämpfen der Farmarbeiter verbundene Version ist die von Joan Baez bei der Trauerfeier für Juan de la Cruz in Arvin, Calif., der als Streikposten der United Farm Workers 1973 erschossen wurde.
Als Joan Baez „Deportee“ sang war es das „Goodbye“ für Juan de la Cruz, die Opfer waren Kämpfer geworden und hatten Namen bekommen, eine soziale Gewerkschaft, die Streiks und Boykotts gegen die Unternehmen und die Mafia-Gewerkschaft der Teamsters-Transportarbeiter führte. „Si se puede“. In den 1970er Jahren haben Aktion Sühnzeichen und die Graswurzelrevolution diese gewaltlosen Kämpfe unterstützt. Unser Sonderblatt „Viva la Causa! Viva la Huelga! Der gewaltlose Kampf der Farmarbeiter in den USA“ lag GWR 9/10 bei (vgl. auch GWR 180, Nachruf auf Cesar Chavez).
Wir versuchten den Boykott gegen „Streikbrecher“-Obst in der Bundesrepublik populär zu machen, mit Veranstaltungen und unserem Sonderblatt „Wir kämpfen um unser Leben“, so hieß auch der Film über die Aktionen der mexikanischen Landarbeiter in den USA (im Original: Fighting for our lives“), hier ist auch die Trauerfeier für die erschossenen Streikposten dokumentiert. Vielleicht hat niemand mit dem Lied so oft in die aktuellen Kämpfe der LandarbeiterInnen und für die MigrantInnen eingegriffen wie Joan Baez, die die FarmarbeiterInnen von Anbeginn unterstützte und für ihr stetiges Engagement für „La Causa“ der UFW im letzten Jahr von der Gewerkschaft gefeiert wurde.
III. Späte Gerechtigkeit
Schließlich siegte die Gerechtigkeit noch in einem anderen Sinn: Der Journalist Tim Hernandez recherchierte eigentlich zu einem Buch über Bea Franco, die mexikanische Freundin von Jack Kerouac, als er in alten Zeitungen an seine eigene Geschichte erinnert wurde und beschloss, zu recherchieren, wer die Toten gewesen waren.
Auch der Schwiegervater von Carlos Rascon war ein „Bracero“ gewesen, nun war Rascon der Friedhofsdirektor der römisch-katholischen Diözese, zu der der Friedhof „Holy Cross“ gehörte. Auch er störte sich an dem Massengrab namenloser Mexikaner und begann 2011 zu recherchieren. Ebenso suchte Jaime Ramirez das Grab seines Großvaters, von dem er nur wusste, dass er bei einem Flugzeugabsturz umgekommen war … Wo es Namen gab, waren sie oft falsch geschrieben, aber er fand das Grab und legte seit 1989 immer im November, dem mexikanischen Dia de los Muertos Blumen auf das Grab.
Es dauerte, aber alle Namen wurden gefunden (5). Die Diözese Fresno ehrte die FarmarbeiterInnen mit einem großen Granit-Monument, der alle Namen der Abgestürzten nennt. Am Labor Day, dem 2. September 2013 wurde das Denkmal mit einer Messe unter freiem Himmel durch Bishof Armando X. Ochoa eingeweiht.
„Radio Campesina“, der Sender der Farmworkers suchte nach Angehörigen der 28 Abgestürzten und lud sie zu der Feier ein (6).
Und jetzt sagt noch einmal, dass Kunst nichts bewirkt! Oder sagen wir es mit Michael Kleff: Die Biographie von Woody Guthrie ist noch lange nicht abgeschlossen!
(1) Herzlichen Dank an den Palmyra-Verlag, Heidelberg und den Übersetzer Harry Rowohlt für die Erlaubnis, die Texte abzudrucken! Sie sind dem sehr empfehlenswerten Buch entnommen: Michael Kleff (Hg.): Hard travelin': Das Woody Guthrie Buch, Songtexte und Essays. Vorwort von Lou Reed. Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. Mit Beiträgen, Übersetzungen und Nachdichtungen von Michael Kleff, Hans-Eckardt Wenzel, Billy Bragg und Pete Seeger. Heidelberg : Palmyra, 2002 Soweit nicht anders gekennzeichnet stammen Zitate aus diesem Buch.
(2) Vgl. etwa Tödliche Grenze zwischen USA und Mexiko ZDF, 16.10.2013, 22.45, über die ZDF Mediothek abrufbar: www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2007220/Toedliche-Grenze-zwischen-USA-und-Mexiko#/beitrag/video/2007220/Toedliche-Grenze-zwischen-USA-und-Mexiko
(3) Informationen nach einer www.geocities.com/Nashville/3448/deportee.html, die ich am 08.06.2001 eingesehen habe.
(4) Sehr interessant sind oft auch die Informationen und Kommentare auf Youtube, hier Rob D. zu einem Joan-Baez-Video auf www.youtube.com/watch?v=d9mbn3o1LZ0
(5) Diana Marcum: Names emerge from shadows of 1948 crash (Los Angeles Times, 10.07.2013) www.latimes.com/news/local/la-me-deportees-guthrie-20130710-dto,0,2642231.htmlstory
(6) Die Enthüllung des Denkmals auf dem Holy Cross Catholic Cemetery, 2105 West Belmont Ave., Fresno ist dokumentiert auf www.youtube.com/watch?v=Y1U7GAVQ3Vs / www.youtube.com/watch?v=4jWFPLjYEaw
IV. Weiterhin sehr empfehlenswert:
Billy Bragg & Wilco: Mermaid Avenue I-III
Hans-Eckardt Wenzel: Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie
Wenzel & Band: Woody 100
Arlo Guthrie & Wenzel: Every 100 years - live auf der Wartburg