"Obwohl sich die Situation von Kriegsdienstverweigerern im vergangenen Jahr in einigen Ländern leicht verbessert hat, ist ebenso festzustellen, dass andere Staaten schärfer gegen Verweigerer vorgehen", erklärte Rudi Friedrich vom Netzwerk für Kriegsdienstverweigerer Connection e.V. "Gerade in Kriegszeiten wird das Recht auf Kriegsdienstverweigerung von den Herrschenden in Frage gestellt", führte er aus. "Sie fordern Loyalität und unbedingten Gehorsam für ihre Ziele. Kriegsdienstverweigerer werden als Verräter gebrandmarkt. So wird die Entscheidung der Verweigerer, sich nicht an den Verbrechen eines Krieges zu beteiligen zu einem Schritt, der höchsten Mut erfordert."
Connection e.V. setzt sich seit über 20 Jahren für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure weltweit ein. Der Verein fordert die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht und asylrechtlichen Schutz für verfolgte Verweigerer und Deserteure. Aus Anlass des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung, mit dem weltweit Aktionen gegen Wehrpflicht, Militär und Zwangsdienste durchgeführt werden, weist Connection e.V. auf Entwicklungen in einigen Ländern hin, insbesondere im Südosten Europas und im Nahen Osten.
Ukraine: Wehrpflicht wieder eingeführt
Mit dem Einsatz von Militär im Osten des Landes und der Wiedereinführung der Wehrpflicht in der Ukraine, die gerade mal vor einem halben Jahr ausgesetzt worden war, bereitet sich die amtierende provisorische Regierung auf eine längere kriegerische Auseinandersetzung vor. Um einem möglichen Krieg gegen Russland führen zu können, will die Regierung die Zahl der Truppen stark erhöhen. Zugleich geht es der herrschenden politischen Klasse der Ukraine auch darum, auf diese Weise den Zugriff auf die junge, männliche Bevölkerung zu erhöhen. Das Militär soll wieder eine Sozialisationsinstanz für Ukrainer werden.
Auf beiden Seiten des Konfliktes setzen die herrschenden Eliten zur Durchsetzung eigener Interessen auf militärische Gewalt und lassen damit den Konflikt Stück für Stück eskalieren. Legitimiert wird dieses Vorgehen mit nationalistischer Rhetorik und dem Aufbau eines Feindbildes. NATO, Europäische Union wie auch Russland setzen jeweils auf ihre Verbündeten und heizen damit den Konflikt nur an.
Armenien: Ersatzdienstgesetz verabschiedet
Vor etwa einem Jahr wurde in Armenien ein Ersatzdienstgesetz verabschiedet und damit eine Verpflichtung gegenüber dem Europarat von 2001 erfüllt. Erst einige Monate später wurden alle Kriegsdienstverweigerer aus der Haft entlassen. Nun sind die Verweigerer verpflichtet, einen dreijährigen Dienst in zivilen Einrichtungen abzuleisten, statt eines zweijährigen Militärdienstes, womit der Ersatzdienst allein durch seine Länge Strafcharakter aufweist. Anträge zur Kriegsdienstverweigerung werden von einem Ausschuss geprüft, der bereits einige Verweigerer abgelehnt hat. (1)
Weißrussland: Gesetzentwurf zurückgezogen
Nahezu 20 Jahre nach der 1994 in Kraft getretenen Verfassung Weißrusslands, die ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung vorsieht, wurde nun ein erneuter Gesetzentwurf vorzeitig zurückgezogen. Vertreterinnen von Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass dies zu einer Verschärfung des Entwurfes führen kann. Dabei ist schon der bislang vorgelegte Entwurf äußerst restriktiv: Er beschränkt die Möglichkeit der Verweigerung auf Angehörige von Religionsgemeinschaften, schränkt die Antragstellung auf eine 10-Tages-Frist nach der Einberufung ein und sieht eine erheblich längere Dienstzeit für den Ersatzdienst vor. Aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtes sind derzeit keine Kriegsdienstverweigerer inhaftiert. (2)
Griechenland: Kriegsdienstverweigerer verurteilt
Vor zwei Tagen wurde der 47-jährige Dimitris K. Sotiropoulos wegen Befehlsverweigerung im Zeitraum zwischen 1992 und 2008 vom Militärgericht in Thessaloniki zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Damit wird die Reihe der Strafverfolgungen gegen frühere Kriegsdienstverweigerer fortgesetzt. Bereits 2013 waren sechs Kriegsdienstverweigerer verhaftet, angeklagt und zum Teil zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. (3)
Ägypten: Neue Kriegsdienstverweigerer
In Ägypten ist seit fünf Jahren die Bewegung No to Compulsory Military Service Movement (Bewegung Nein zum Kriegsdienstzwang) aktiv, eine Gruppe, die trotz der angespannten Situation weiter für ihre Rechte eintritt: „Wir werden nicht zum Militär gehen“, betonten neue Verweigerer wie Mark Sanad. „Wir fordern die Abschaffung der Wehrpflicht und die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung. Es ist ein Menschenrecht, das uns zusteht. Aber um dies durchzusetzen, brauchen wir internationale Unterstützung.“ Mark Sanad war vor zwei Tagen bei der Musterung für sechs Stunden festgehalten worden, weil er seine Kriegsdienstverweigerung gegenüber dem Rekrutierungsbüro erklärt hatte. Er sieht sich nun einem erneuten Verhör beim militärischen Geheimdienst gegenüber. Ägypten erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an. Nach der Einberufung zum Militär droht Verweigerern die Rekrutierung sowie mehrfache Bestrafung wegen Befehlsverweigerung und Desertion. (4)
Israel: Petition für drusischen Kriegsdienstverweigerer
Mit einer Petition (5) fordert Connection e.V. mit weiteren 15 Organisationen die sofortige und bedingungslose Freilassung des drusischen Kriegsdienstverweigerers Omar Sa’ad. Er wurde zuletzt am 13. April 2014 zum siebten Mal verurteilt, dieses Mal zu einer Haftstrafe von 40 Tagen. Omar Sa’ad gehört in Israel der palästinensischen Minderheit der Drusen an, die wehrpflichtig ist.
Vor wenigen Wochen hatten auch 50 israelische SchülerInnen gegenüber Premierminister Natanjahu erklärt, dass sie den Dienst in der Armee verweigern werden: „Unser wichtigster Grund für die Verweigerung ist unsere Ablehnung der militärischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. Das Problem mit der Armee beginnt oder endet aber nicht mit dem Schaden, der der palästinensischen Gesellschaft zugefügt wird. Es beeinflusst auch das alltägliche Leben der israelischen Gesellschaft: Es formt das System der Ausbildung, unsere Arbeitsmöglichkeiten, fördert Rassismus, Gewalt und ethnische, nationale und Geschlechterdiskriminierung.“ (6) Einer der Verweigerer, Uriel Ferera, wurde am 27. April 2014 zu einer ersten Haftstrafe verurteilt. (7)
Türkei: Verein für Kriegsdienstverweigerer feiert einjähriges Bestehen
Der am 15. Mai 2013 gegründete Verein für Kriegsdienstverweigerung (Vicdani Ret Dernegi) wird mit einer Pressekonferenz und einer Demonstration das einjährige Bestehen feiern. Der Verein fordert die längst überfällige Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung und hat dazu vor wenigen Tagen eine Petition an das türkische Verfassungsgericht gerichtet. Bereits 2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall von Yunus Erçep die Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht anerkannt, womit die Türkei verpflichtet ist, eine gesetzliche Regelung herbeizuführen. Die Türkei führt die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern jedoch weiter. Da in der Türkei die Wehrpflicht erst dann als erfüllt gilt, wenn der Militärdienst abgeleistet wurde, besteht die Gefahr der Rekrutierung und Strafverfolgung praktisch ein ganzes Leben lang. (8) Neben etwa 600 Kriegsdienstverweigerern, die öffentlich erklärt haben, keinen Militärdienst abzuleisten, gibt es in der Türkei weitere 700.000 Wehrpflichtige, die sich dem Militärdienst entzogen haben. Sie alle müssen in einem Zustand des „Zivilen Todes“ leben. Bei jeder Polizeikontrolle können sie verhaftet werden. Sie können keinen Pass erhalten, keine Wohnung anmieten, keinen offiziellen Job annehmen, nicht heiraten, ihre eigenen Kinder nicht anerkennen.
Nord-Zypern: Trotz Verurteilung gibt es weitere Kriegsdienstverweigerer
Trotz einer Verurteilung des Kriegsdienstverweigerers Murat Kanatli (9) im Februar 2014 wird die Initiative zur Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai bei einer Aktion in Lefkosa neue Verweigerer präsentieren. Im Norden Zyperns gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Wehrpflichtige unterliegen nach ihrer Rekrutierung zu Einheiten der zypriotischen Armee praktisch der Befehlsgewalt der türkischen Armee, die im Land stationiert ist.
Kriegsdienstverweigerer brauchen Unterstützung
Die Europäische Menschenrechtskonvention und der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte verpflichten die Länder, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. „Connection e.V. fordert, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen, ihre Entscheidung anzuerkennen und ihnen die vollen bürgerlichen Rechte zu garantieren.“
(1) www.connection-ev.org/article-1912
(2) www.connection-ev.org/article-1953
(3) www.connection-ev.org/article-1863
(4) www.connection-ev.org/article-1946
(6) www.connection-ev.org/article-1936
(7) www.connection-ev.org/article-1950
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