Soziale Bewegungen verändern permanent die scheinbar klar abgesteckten Räume der Gesellschaft. Die starken Proteste gegen die kapitalistische Stadt und für Bewegungsfreiheit sind dabei zwei Beispiele, die heute sehr präsent in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Gleichzeitig fällt es jedoch auch hier schwer, über die Szene hinaus zu mobilisieren und nachhaltige Veränderungen anzustoßen. Neue Vorschläge, die über kleinere kosmetische Korrekturen hinausgehen und einen grundlegenden Gesellschaftswandel einfordern, sind kaum präsent. Auf dem 36. BUKO Kongress in Leipzig werden kritische Analysen und die notwendigen Kämpfe im Fokus stehen. Wir wollen nach Auswegen aus dem Bestehenden fragen. Die alleinige Erkenntnis der Existenz kapitalistischer Unterwerfung wird für uns kein Argument gegen eine emanzipatorische Zukunft sein.
Transnationale Mobilisierung gegen internationale Grenzregime
Die zunehmende Militarisierung der EU-Außengrenzen und die stetig ausgeweiteten Kooperationsvereinbarungen mit den anliegenden Staaten zielen auf eine Abschottungspolitik, die täglich neue Opfer fordert. Gleichzeitig spiegelt auch der Klimawandel rassistische und postkoloniale Strukturen eines ungerechten globalen Herrschaftsverhältnisses wieder. Selbst für die Menschen, denen die Flucht gelingt, endet die erhoffte selbstbestimmte Arbeits- und Wohnortwahl in vielen Ankunftsländern in Isolationslagern, Abschiebeknästen und rassistischem Alltagsterror. Der erste Themenschwerpunkt »Rassismus und Migration« wird sich dieser Problematik annehmen: Neben der Reflexion der eigenen politischen Praxis und einem thematischen Austausch soll der BUKO.36 als länderübergreifender und internationalistischer Kongress das Gespräch zwischen den unterschiedlich gelagerten Bewegungen ermöglichen. Erst damit ist aus unserer Perspektive eine transnationale Mobilisierung gegen internationale Grenzregime denkbar.
Marginalisierung, Verdrängung, Kontrolle: urbane Grenzen überwinden!
Die Spaltung in wirtschaftlich erfolgreiche und abgehängte Städte, neue urbane Sicherheitsregime und rassistische Polizei- und Kontrollpraxen, sowie steigende Mieten und marktförmiges Wohnen, Verdrängung und Privatisierung des öffentlichen Raums machen die soziale Realität in der kapitalistischen Stadt aus und bilden den Übergang zum zweiten BUKO-Themenschwerpunkt »Recht auf Stadt«. In der Konkurrenz um internationale Investor_innen und im Vorfeld sportlicher Großevents zeigt sich ein Gesicht unternehmerischer Stadtfabriken: Der gewaltsame Ausschluss der »Überflüssigen« geht mit dem gleichzeitigen Einschluss alles Verwertbaren einher.
Städte sind von Grenzen durchzogen: Menschen, die vermeintlich nicht in das Bild und die Reproduktionspraxis der Mehrheitsgesellschaft passen, sind wenig willkommen. Weibliche* Flüchtlinge sind dabei besonders stark von den prekären Lohnarbeitsverhältnissen im informellen Dienstleistungssektor betroffen, falls sie überhaupt eine »Arbeitserlaubnis« bzw. einen »Arbeitsplatz« erhalten. Wir wollen und müssen auf dem BUKO.36 der Frage nachgehen, wie diese urbanen Grenzregime überwunden und wie der Kampf von Marginalisierten unterstützt werden kann. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach der Reproduktion von Städten: Wo und unter welchen Bedingungen werden Nahrung, Energie und andere notwendige Güter erzeugt?
Gerade weil die neoliberale Stadt nicht mehr bloß Standort einer industriellen Produktion, sondern zur Fabrik einer ausgrenzenden Realität geworden ist, rückt die Rolle linker Stadtkritik und eine notwendige Perspektive zur Überwindung des urbanen Kapitalismus in den Fokus. Auf dem BUKO.36 wollen wir nicht nur diskutieren, inwieweit ein »Recht auf Stadt« auch eine Überwindung von Geschlechterhierarchien und menschenverachtenden Marktprozessen im Blick haben muss, sondern wollen das Anrecht auf Zukunft mit praktischen Ansätzen verbinden.
Blick nach vorn – für radikale Utopien!
Die Forderung nach einem »Recht auf Stadt« teilen viele urbane soziale Bewegungen. Das Recht auf Differenz ist dabei nicht nur eine Forderung an eine lebenswerte Stadtutopie, sondern auch eine Forderung an die soziale Bewegung selbst. Die erkennbare Ungenauigkeit – was ist ein »Recht auf Stadt«? – ermöglicht breite Allianzen, trägt aber auch die Gefahr der Vereinnahmung in kapitalistische Verwertungslogiken und Anschlüsse an regressive Diskurse in sich. So wird der Prozess einer urbanen Emanzipation nicht zuletzt in der Bundesrepublik durch die rassistischen Initiativen gegen die Unterbringung von Geflüchteten konterkariert, wenn sie sich in ihrer Agitation gegen »Armutsmigrant_innen« und jegliche Bewegungsfreiheit auf ihre »Bürger_innenrechte« und Raumansprüche berufen.
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung über die jeweilige Analyse und Perspektive wird auf dem BUKO.36 immer auch die Frage nach Schnittstellen zwischen urbanen Kämpfen und der Forderung nach Bewegungsfreiheit gestellt werden. Dabei wollen wir aber nicht einfach nur unkritisch nach Allianzen Ausschau halten, sondern im Wissen um unterschiedliche gesellschaftliche Positionierungen Bündnismöglichkeiten ausloten.
Auf dem BUKO.36 werden die Kämpfe um Stadt und für Bewegungsfreiheit verbunden und breitere Diskussionen und Vernetzungen zumeist lokaler Widerstandsformen im Fokus stehen. Wir wollen in Leipzig 2014 eine radikale und emanzipatorische Gesellschaftsutopie anstoßen, die sowohl die postkapitalistische Stadt als auch Kämpfe für Bewegungsfreiheit einbezieht. Das wird gelingen, sobald wir nicht weiter die Augen vor dem vielfachen Unrecht und Unaushaltbaren verschließen. Beteiligt euch am BUKO.36 in Leipzig: Die kapitalistische Realität wird nachgeben, wenn wir uns gegen sie verbünden!
Alle oder nirgends! Räume und globale Bewegungsfreiheit erkämpfen!
Weitere Infos