Viel wurde darüber geschrieben, wie die zapatistische Bewegung Widerstand gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Naturzerstörung leistet und gleichzeitig eigene Strukturen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Rechtsprechung und Selbstverwaltung aufbaut.
Weit weniger bekannt ist der ökonomische Sektor der kleinbäuerlich-indigen geprägten Bewegung, der im Folgenden anhand von Einblicken in alternativ ökonomische Versuche seitens der Zapatistas skizziert werden soll.
Kollektive und Kooperativen
In den oppositionellen Gebieten des mexikanischen Südostens gibt es eine Vielzahl an Kollektiven und Kooperativen in folgenden Bereichen: Taxis, Kleinbus- und Warentransport, Backwerk, Gemeinschaftsläden, kleine Restaurants, Vieh- und Gemüsekollektive, Kunsthandwerk und Kaffee. Dabei sind die Kollektive nicht nur für die Anhänger*innen der EZLN konzipiert, wie uns die „compas“ (dt.: Genoss*innen) immer wieder berichteten.
Es kaufen auch viele Nicht-Zapatistas bei den Kollektiven ein. Nach wie vor reden die Zapatistas davon, dass sie hoffen, dass die „nicht zapatistischen Geschwister“ eines Tages einsehen werden, dass die Projekte von Regierung und Privatwirtschaft ihnen langfristig viele Nachteile bringen und sie sich den Zapatistas anschließen bzw. auf ihre Art und Weise gegen die Regierung Widerstand leisten und eigene alternative Wege gehen.
Die Bedeutung der kollektiven ökonomischen Strukturen
Die Arbeitskollektive sind eine wichtige Stütze der Bewegung und bringen den Aufbau der Autonomie und der selbstverwalteten Strukturen voran.
Die Einnahmen der Kollektive werden häufig in den Aufbau weiterer Projekte investiert, aber auch für Beteiligungen an Feierlichkeiten genutzt oder wenn eine Notsituation in einer Familie oder im Dorf auftritt. Die Kollektivarbeiten sind Ausdruck des gemeinschaftlichen Konzeptes in den Gemeinden: „All diese Arbeiten haben nicht das Ziel, die Einnahmen unter uns aufzuteilen, sondern wir wollen damit einen kleinen regionalen oder Gemeinde-Geldfonds anlegen, um diejenigen von uns zu unterstützen, die verschiedene Tätigkeiten innerhalb der Organisation ausführen.“ (1)
Dazu zählen z.B. Fahrt- und Verpflegungskosten von Amtsträger*innen (z.B. Mitglieder des Rates der Guten Regierung, Gesundheits-, Bildungs- oder Agrarpromotor*innen) für Weiterbildungsseminare und Delegiertentreffen.
Während unserer Aufenthalte in Chiapas haben wir immer wieder erfahren, dass sehr viel Wert auf das Gemeinschaftliche gelegt wird. Die einzelne Person steht nicht im Mittelpunkt, sondern das Ziel, eine andere, solidarische Welt aufzubauen.
Gut überlegte Strukturen und eine jahrelang durchdachte und erprobte Organisierung sind notwendig, um dies zu erreichen. Dazu gehört auch die Annahme von Aufgaben, die eigentlich nicht zu den eigenen ‚Lieblingstätigkeiten‘ gehören, aber eben notwendig sind.
Zapatistische Kaffeekooperativen
Neben den kollektiv erwirtschafteten Einnahmen spielen Kooperativen mit gemeinschaftlicher Organisierung als individuelle Einnahmequelle eine elementare Rolle. Hierzu gehören z.B. Kunsthandwerks-, Taxi- oder auch die Kaffeekooperativen. Am Beispiel der Kaffeekooperativen lässt sich verdeutlichen, wie die Kooperativen organisiert sind und arbeiten. Ziel ist es, einen Anderen Handel aufzubauen, der nicht vom ausbeuterischen und bevormundenden Zwischenhandel abhängig ist.
In Chiapas gibt es zurzeit drei zapatistische Kaffeekooperativen, die eine Exportgenehmigung haben.
Jede Kaffeekooperative hat eine mesa directiva, einen Vorstand, der i.d.R. aus einem Presidente (Vorsitzende*r), Sekretär*in und einem/rKassenwart*in besteht.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an técnicos, Berater*innen im ökologischen Anbau und der Weiterverarbeitung der Kaffeekirschen bis zum exportfertigen Rohkaffee, sowie Kommissionen für verschiedene Arbeitsbereiche. Genauso wie bei allen Ämtern der zapatistischen Bewegung gilt: die Ämter sind unbezahlt und werden von den Delegierten nur so lange ausgeführt, wie sie ihre Arbeit zur Zufriedenheit der Basis ausüben. Sie sind jeder Zeit absetzbar. In der Regel haben die Delegierten ihre Ämter für drei Jahre.
Wichtige Entscheidungen können sie nicht alleine fällen: alle Angehörigen der Kooperative werden einbezogen.
Zudem findet eine enge Zusammenarbeit mit dem basisdemokratischen Rat der Guten Regierung statt. Dies sind die fünf zapatistischen Selbstverwaltungsräte, die jeweils mehrere autonome Landkreise mit mehreren Tausend Menschen aus den rebellischen Gemeinden organisieren. Auch wenn sich die Kaffeeimportierenden mit den Kaffeekooperativen treffen, findet es immer in Anwesenheit und im Austausch mit dem Rat der Guten Regierung statt. Offenheit und Transparenz sind wichtige Anliegen.
Im Interview erläutert Estela Barco von der pro-zapatistischen Organisation DESMI in San Cristobal in Chiapas, die eine der Kooperativen unterstützt, die Vision für eine alternative Ökonomie:
„Wir sehen eine ganze Reihe von Vorteilen im solidarischen Handel. Einer ist, dass Netzwerke geknüpft werden. Damit auf eine andere Art verkauft und vermarktet wird, auf eine gerechtere Art. Wir sehen, dass es bisher in den Händen der coyotes (dt.: Zwischenhändler) liegt und dass dies ein permanenter Missbrauch gegenüber den Bäuer*innen ist, denn ihre ganze Arbeit wird überhaupt nicht anerkannt.
Der solidarische Handel bemüht sich darum, diese Arbeit anzuerkennen und einen gerechteren Preis durchzusetzen. Es soll keine Machtbeziehung mehr sein, so wie bisher, dass der Coyote den Bäuer*innen den Preis aufzwingt und die Leute gar nicht wissen, an wen überhaupt ihr Produkt verkauft wird.
Wir wollen, dass wir auf einer Ebene sind und gemeinsam die Preise absprechen. Es geht um eine gegenseitige Annäherung. (…) Das sind Mechanismen, um diese Anderen Ökonomie aufzubauen, die sich vom kapitalistischen System unterscheidet.“
Der Andere Handel hier in Europa
Es gibt viele solidarische Gruppen auf der ganzen Welt, die den Anderen Handel der Zapatistas unterstützen. In Europa ist das – neben Einzelnen und Gruppen die zapatistisches Kunsthandwerk weiterverkaufen – das RedproZapa. Dies ist ein europaweites Netzwerk von Gruppen, die Rohkaffee der zapatistischen Kooperativen einkaufen und als Röstkaffee weitervertreiben.
Auf einmal jährlich stattfindenden Treffen tauschen sich diese Gruppen aus Spanien, der Schweiz, Schweden, Norwegen, Italien, Griechenland, Frankreich, Finnland und Deutschland darüber aus, wie der solidarische Handel und der Kontakt mit den zapatistischen Kooperativen funktioniert und welche Schwierigkeiten und Verbesserungen gesehen werden.
Für uns in Hamburg bei Aroma Zapatista ist und bleibt es ein zentrales Ziel, die zapatistische Autonomie durch den Import von ihrem Kaffee und Tee zu stärken.
Aber es geht uns auch um weitere Perspektiven: neben dem Aufbau selbstverwalteter und kollektiver Arbeitsstrukturen für uns selber, streben wir auch eine länderübergreifende Vernetzung und Unterstützung von linken Kooperativen an, indem wir z.B. das Öl eines griechischen Kollektives in unser Verkaufssortiment nehmen und auch nach weiteren Produkten aus kollektiver Arbeit suchen.
Selbstverwaltete Kooperativen sehen wir als eines von mehreren wichtigen Werkzeugen für eine gerechtere Welt.
In diesen Punkten sind wir uns übrigens sehr einig mit den zapatistischen Kooperativen und freuen uns auf eine weitere langjährige solidarische Zusammenarbeit.
(1) aus: Schulmaterialien der kleinen zapatistischen Schule, August 2013: Marisol (La Realidad): Resistencia económica, S. 6-7
Kontakt
Kaffeekollektiv Aroma Zapatista eG
Am Veringhof 11 (Gewerbehof)
21107 Hamburg-Wilhelmsburg
www.aroma-zapatista.de