editorial

Vom GWR-Artikel zum Buch, vom Protest zum Widerstand

| Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

Titelseite Gwr 389
Titelseite GWR 389

Liebe Leserinnen und Leser,

leider hat mich in der GWR 389-Endproduktion eine Grippe erwischt. Deshalb und weil wir so kurzfristig keinen früheren Ersatzdrucktermin bekommen haben, mussten wir den Drucktermin der GWR 389 auf den 5. Mai verschieben.

Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt. Die neue Ausgabe bringt wieder soziale Bewegungsberichte u.a. aus Russland, der Ukraine, Griechenland, der Türkei, Mexiko und Deutschland.

Wenn es diesmal ähnlich begeisterte Reaktionen geben wird, wie auf die GWR 388, dann würde uns das freuen. Vor allem der Ukraine/Russland-Schwerpunkt der GWR 388 hat für Aufsehen gesorgt, wurde vom Freitag (1) rezensiert, u.a. ins Russische übersetzt und von Konstantin Weckers „Hinter den Schlagzeilen“, labournet, scharf-links und zig anderen Internetseiten gespiegelt bzw. mit Quellenangabe übernommen. Das freut uns ebenso wie die positiven Rückmeldungen aus der LeserInnenschaft, die Resonanz auf die Bücher aus dem Verlag Graswurzelrevolution und die Lesereise von GWR-Mitherausgeberin Cécile Lecomte (2), das graswurzelrevolutionäre Portrait, das Anne Hilger in den Beobachter News – Magazin für politische Bewegung im Südwesten vom 25. April veröffentlicht hat. (3) Schön ist auch, dass aus GWR-Artikeln bzw. Diskussionen, die in der GWR geführt wurden, Bücher entstehen.

In der GWR Nr. 370 vom Sommer 2012 erschien Maria Braigs Artikel „Nennen wir sie Eugenie. Unsichtbare Lesben im Exil“. (4) Dieser ist nun Grundlage eines Romans. Maria Braig beschreibt ihre Idee zum Buch: „Bei der Recherche für einen Artikel über lesbische Flüchtlinge im deutschsprachigen Raum stieß ich auf die Geschichte von Eugenie. Eine junge Frau aus dem Senegal hatte Asyl in der Schweiz gesucht, weil sie wegen der Liebe zu einer Frau und der drohenden Zwangsverheiratung mit einem Mann ihre Heimat verlassen musste. Eine Mitarbeiterin … von amnesty international erzählte mir in anonymisierter Form, was sie vom Schicksal der jungen Senegalesin wusste, einem Schicksal unter vielen: ‚Nennen wir sie Eugenie‘, so begann ihr Bericht. Auf der realen Grundlage dieses Schicksals beruht die hier entwickelte Handlung, die Einzelheiten allerdings sind erfunden oder anderen Lebensgeschichten entnommen, sie könnten so geschehen sein, aber auch ganz anders.“ (5)

Eine ähnliche Vorgeschichte hat das im Verlag Edition AV erschienene Buch „Strategische Einbindung“ (6). Die Idee zu diesem Sammelband entstand im Anschluss an eine Artikelserie zur Politischen Mediation in der Graswurzelrevolution. (7) „Diese Artikel wurden Ende 2012/Anfang 2013 in der Nachwirkung der von Heiner Geißler durchgeführten Schlichtung zum Bahnhofsprojekt S 21 verfasst. Sie schienen uns zu wertvoll, um sie nicht noch einmal in übersichtlicher und handlicher Form einem anderen und breiteren Publikum zugänglich zu machen“, so Michael Wilk. Im Klappentext heißt es: „Ob Flughafenerweiterungen, Kohleabbau, Bahnprojekte wie Stuttgart 21, Autobahnausbau oder Stromleitungstrassen – Proteste gegen Großprojekte nehmen zu. Offene Repression, Polizei und Justiz wirken als Durchsetzungsmethode oft kontraproduktiv, verstärken Unruhe und Empörung gegenüber autoritärem Regierungshandeln. Mediations-, Dialog- und Schlichtungsverfahren bieten sich als Alternative an. Die ‚sanften‘ Methoden einer Strategischen Einbindung werden immer häufiger zur Befriedung, Kanalisierung von Protest und Marginalisierung von Widerstand eingesetzt.

In diesem Sammelband kommen engagierte AutorInnen aus Sozialen Bewegungen zu Wort, die von ihren negativen Erfahrungen mit Mediationen und runden Tischen berichten. Sie zeigen die Fallen auf, die in Beteiligungen an von oben eingefädelten Gesprächsrunden lauern, und analysieren anschaulich die manipulativen Wirkungsweisen und politischen Folgen von Einbindung. Strategische Einbindung ist auf dem Vormarsch und gewinnt zunehmend als Herrschaftsinstrument an Bedeutung. Verweigerung gegenüber den Einbindungsversuchen ist mehr als eine Option – sie ist Voraussetzung zur Wahrung einer kritischen Distanz und legitimes, ja notwendiges Mittel in der Auseinandersetzung mit herrschender Politik.“

In diesem Sinne wünsche ich Euch Erkenntnisgewinn beim Lesen der Bücher und dieser GWR, auch wenn wir aufgrund von Platzmangel wieder viele Beiträge verschieben mussten.

Li(e)bertäre Grüße,

(1) www.freitag.de/autoren/hans-springstein/ukrainische-noete-und-westliche-ignoranz

(2) www.graswurzel.net/verlag/eichhoernchen.php

(3) www.beobachternews.de/2014/04/25/bernd-druecke/

(4) www.graswurzel.net/370/eugenie.shtml

(5) Vergünstigter Subskriptionspreis: 9 Euro (späterer regulärer Ladenpreis 11,80 Euro): http://verlag-shop.com/Nennen-wir-sie-eugenie

(6) Michael Wilk, Bernd Sahler (Hg.): Strategische Einbindung. Von Mediationen, Schlichtungen, runden Tischen … und wie Protestbewegungen manipuliert werden, Beiträge wider die Beteiligung, Verlag Edition AV, Lich 2014, 170 S., 14 Euro, ISBN 978-3-86841-094-5, www.edition-av.de/buecher/strategische_einbindung.html

(7) http://duckduckgo.com/?sites=www.graswurzel.net&q=Mediation