Rezension

Spielend in den Heldentod

| Minou Lefebre

Michael Schulze von Glaßer: Das virtuelle Schlachtfeld – Videospiele, Militär und Rüstungsindustrie, PapyRossa, Köln 2014, 205 S., 14,90 Euro,

Auch wenn Michael Schulze von Glaßer bei seiner neuesten Publikation „Das virtuelle Schlachtfeld – Videospiele, Militär und Rüstungsindustrie“ vornehmlich an SpielerInnen von Videospielen als Zielpublikum gedacht haben mag, gerade für mich als „Nicht-Gamerin“ war es besonders interessant, Einblick in diesen virtuellen Mikrokosmos bekommen zu haben. Dass ich selber nie eine Gamerin gewesen bin, mag auch der Grund sein, weshalb es mir immer schwer fiel, überhaupt nach zu vollziehen, weshalb man, zumal als kritischeR LinkeR, solche Spiele meint spielen zu müssen.

Denn die Propaganda und Heroisierung von Soldatentum und Soldatentod und die Vermittlung von Feindbildern, in Spielen westlichen Ursprungs sind das vor allen Dingen Russen und Araber, hat in diesen Spielen erschreckende, nicht selten faschistische Ausmaße. Zwei Beispiele: „… Ehemänner, Väter, Brüder und Söhne, fähig, dem Tod in die Augen zu blicken und trotzdem am selben Tag wieder nach hause zu kommen, um ihr Neugeborenes in den Schlaf zu wiegen. Diese Art von Kriegern kann man nicht erschaffen oder kaufen. Sie werden in dieses Leben hineingeboren, gesegnet mit dem Bewusstsein für ein höheres Ziel und dem Wissen, was ihr Schicksal für sie bereithalten könnte. Wir (Frauen, A.d.A.) entscheiden uns, dieses Leben mit ihnen zu teilen, weil wir lieber für einen kurzen Moment einen außergewöhnlichen Mann lieben, als ein ganzes Leben mit einem weitaus gewöhnlicheren Menschen zu verbringen.“ Nein, das ist nicht etwa einer Rede des „Bundes Deutscher Mädel“ entnommen, sondern der Abspann des zweiten Teils des Kriegsspieles „Medal of Honor“.

Mit pathetischer Musik unterlegt, heißt es ferner im Abspann des ersten Teil von „Medal of Honor“: „Krieger erwachsen aus Loyalität, aus der Liebe zum Nachbarn und zum Land und aus dem Bedürfnis, Schutz zu gewähren. Ihre Handlungen sind präzise, von Prinzipien gelenkt, entschlossen, und sie dienen selbstvergessen dem Wohle anderer. – Für jene Männer, die jedes Opfer bringen, um zu werden, was sie sind. Für die Ehre. Für das Land. Für den Bruder.“

Aber nicht in allen Kriegsspielen liegt die Kriegspropaganda derart offen zu Tage wie bei „Medal Of Honor“. Mittels der Analyse weiterer, aktueller und populärer Spiele versucht Michael Schulze von Glaßer auch im Detail herauszuschälen, wo derartige „Bedarfslenkungen“ in den Games noch versteckt sind. Er fragt nach den Profiteuren solcher Spiele und kritisiert die ungute Allianz zwischen Industrie und Militär. Dabei lehnt er Kriegsspiele nicht grundsätzlich ab. Er hält die Spieler solcher Spiele lediglich zur Reflektion der Inhalte und Bilder solcher Spiele an: Seiner Meinung nach die beste Form, der Kriegspropaganda etwas entgegen zusetzen.

Besonders Spannend fand ich dann auch das, leider etwas kurz geratene, Kapitel über Antikriegsspiele. Wobei sich die Frage stellt: Was ist ein Antikriegsspiel überhaupt? Von Glaßer führt als in die Richtung gehendes Beispiel „Spec Ops: The Line“ an, ein Third-Person-Shooter, der allgemein „… wegen der erschütternden Darstellung von Kriegsverbrechen auch als Anti-Kriegsspiel bezeichnet wird“. Tatsächlich wird aber auch bei „Spec Ops“ der Spaß am (virtuellen) Töten garantiert. Und es könnte auch gar nicht anders sein, denn entweder habe ich Spaß, am (virtuellen) Töten, dann ist es aber m.E. schon kein Antikriegsspiel mehr, oder es macht mir keinen Spaß, dann spiele ich es aber erst gar nicht. Wie also lässt sich ein Antikriegsspiel folglich überhaupt denken? Vielleicht antwortet mir Michael Schulze von Glaßer mit einem entsprechenden Buch. Ich würde es mir wünschen!