Freitag, 29.08.
Der erste Tag war vom Publikum her recht übersichtlich. Das bot aber umso mehr Möglichkeiten in Ruhe alle Stände zu inspizieren. Und ich muss sagen, wer sich mit anarchistischer und artverwandter Literatur beschäftigt, dem muss da einfach das Herz aufgegangen sein!
Insgesamt mag der eigentliche Ausstellungsbereich recht klein gewesen sein, aber ich wüsste in NRW keinen anderen Bereich, der eine so breite Masse an antiquarischen (mitunter Erstausgaben von Stirner, Rocker, Bookchin, u.a.) und aktuellen Werken bereit stellt! Schmetterling-Verlag, Edition Nautilus, Karin Kramer Verlag, Edition Assemblage, Assoziation A, AG SPAK, Edition AV, Unrast, Graswurzelrevolution, Syndikat A, Trotzdem, Alibri und viele andere Verlage, sowie Antiquariate und Projekte waren mit Ständen anwesend.
Aber es gab ja nicht nur Bücher und anarchistische Zeitungen wie DA, GWR und Gai Dao, sondern auch Vorträge. Der Vortrag zum Antiziganismus zeigte deutlich, wie dramatisch mit Sinti und Roma umgegangen wird. Und inwiefern eben immer noch das alte „Zigeuner“bild verwendet wird, um explizit Front gegen Sinti und Roma, aber auch allgemein gegen alle Menschen aus dem Balkan zu machen.
Danach folgte Claudia Froböhse mit einem Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann. Sie zeigte dabei anschaulich, dass Frauen auch in Deutschland immer noch im Durchschnitt deutlich weniger verdienen.
Besonders betroffen sind aktuell Rentnerinnen, da sie sich für die Familie aufopferten, anstatt rentenpflichtigen Jobs nachgehen zu können, weswegen ihre Rente oft nicht einmal für das Existenzminimum reicht. Schade finde ich dabei besonders, dass das länger schon bekannt ist.
Aber es ändert sich leider viel zu wenig!
In der anschließenden Diskussion fiel mir noch auf, dass es oft auch Männer gibt, die sich zur Emanzipation der Frau berufen fühlen. Jedoch nicht immer mit Frauen, sondern quasi aus der Rolle der wissenden Person, die etwas Gutes für Nichtwissende tun will. Leider ist das in dem Bereich, wie auch in der Flüchtlingsarbeit immer noch weit verbreitet…
Samstag, 30.08.
Maria Braig las am Samstagmorgen auf der Limesse aus ihrem 2014 im Verlag 3.0 erschienenen Buch „Nennen wir Sie Eugenie“. Schon im Sommer 2012 war in der GWR 370 ihr gleichnamiger Artikel erschienen. Maria Braig beschreibt ihre Idee zum Buch: „Bei der Recherche für diesen Artikel über lesbische Flüchtlinge im deutschsprachigen Raum stieß ich auf die Geschichte von Eugenie. Eine junge Frau aus den Senegal hatte Asyl in der Schweiz gesucht, weil sie wegen der Liebe zu einer Frau und der drohenden Zwangsverheiratung mit einem Mann ihre Heimat verlassen musste. Eine Mitarbeiterin von amnesty international erzählte mir in anonymisierter Form, was sie vom Schicksal der jungen Senegalesin wusste, einem am zweiten Tag der Messe vom Eichhörnchen zu ihrem 2014 im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen Buch Schicksal unter vielen“. Auf der realen Grundlage dieses Schicksals beruht die Roman-Handlung. Die Einzelheiten allerdings sind erfunden oder anderen Lebensgeschichten entnommen. Sie könnten so geschehen sein, aber auch ganz anders.
Die Lesung am zweiten Tag der Messe vom Eichhörnchen zu ihrem 2014 im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen Buch „Kommen Sie da runter!“ (2) war wirklich super und teilweise sehr erheiternd, auch wenn das Thema Repression durch staatliche Organe an sich nicht wirklich witzig ist. Schön auch jemanden zu sehen, die mit Herzblut und viel Charme kreativen Widerstand leistet und sich nicht durch Schikane einschüchtern lässt! Davor kann ich wirklich nur den Hut ziehen und meinen größten Respekt zollen!
Die anschließende Lesung von GWR-Redakteur Bernd Drücke war ebenfalls gut, hätte aber insgesamt einen deutlich größeren Zeitrahmen verdient. Impressionen von zwei von insgesamt 40 Interviews ist doch arg knapp für mehr als einen flüchtigen ersten Eindruck in das im März 2014 im Karin Kramer Verlag erschienene Buch „Anarchismus Hoch 2“ (3) und den Vorgängerband „ja! Anarchismus“.
Insbesondere die Diskussion im Anschluss litt durch das abrupte Ende. Leider lässt sich das bei einem engen Zeitrahmen mit vielen Lesungen und Vorträgen nicht vermeiden.
Der Vortrag von Rainer Knirsch war dann für mich die größte Überraschung, da er den selbst erlebten „Fall BMW“ (Verlag Die Buchmacherei, 2014) fesselnd vortrug und anschaulich zeigte, wie sehr der gewerkschaftliche Alltag frustrieren kann, wenn man denn wirklich etwas bewegen will und nicht nur firmenfreundlich die „Interessen der Belegschaft“ repräsentiert und dabei eigentlich nur das eigene Ego streichelt.
Weitere Vorträge gerade zu den feministischen Ansätzen hätten mich zwar noch sehr interessiert, aber irgendwann raucht dann einfach der Kopf bei soviel Input. Zumal die Gespräche und Diskussionen an allen drei Tagen am Rande der Vorträge nicht unerwähnt bleiben sollen. Denn es herrschte eine wirklich offene Atmosphäre! Also alles in allem ein super Tag!
Sonntag, 31.08.
Der dritte Tag war nicht mehr ganz so gut besucht. Da waren wohl einige noch vom Vorabend geschlaucht. Trotzdem verfolgten etliche den Worten von Ralf Landmesser in Gedenken an Erich Mühsam. Seine Mischung aus historischem Input und eingestreuten Gedichten Mühsams war wirklich gut gewählt. Auch hier machte sich der enge Zeitrahmen bemerkbar. Deswegen trug er kurzerhand vor einigen Interessierten den zweiten Teil im Außenbereich des Cafés vor.
Im Anschluss gab es noch einen Vortrag zu solidarökonomischen Projekten, wo mehrere Kommunen und Kollektive vorgestellt wurden und wie diese aufzeigen, dass es auch anders geht, als es uns allen von diversen Ökonomen, Politiker*innen und sonstigen Menschen im kapitalistischen Umfeld herunter gebetet wird. Zeitgleich stellte sich das Projekt FREE! (4) vor.
Dabei gingen die anwesenden Referenten auf die Schwierigkeiten der Kommunikation im weltweiten Netz ein und welche Möglichkeiten es gibt, um sich im www ein wenig sicherer zu vernetzen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass es eine absolute Sicherheit vor Überwachung nicht gibt. Egal, wie verschlüsselt und egal über welche Umwege E-Mails verschickt werden. Trotzdem sollte jede*r sich Gedanken machen, inwiefern dezentrale Wege nicht doch besser sind, als über zentrale Anbieter a la facebook, twitter und whatsapp zu kommunizieren.
Damit endete für mich auch der dritte Tag. Und alles in Allem kann ich sagen, dass die Veranstalter*innen eine wirklich eindrucksvolle Messe organisiert und durchgeführt haben!
Much respect for that!
Schön auch zu sehen, wie bunt das Publikum gemischt war und wie viele an diesem Ort zusammen kamen (an allen drei Tagen sicherlich einige Hundert).
Das macht Mut, gibt Kraft und Hoffnung für eine bessere, eine anarchistisch-libertäre Welt zu streiten und zu leben!
(1) Homepage der Messe: www.limesse.de
(2) Kurzbeschreibung mit Links zu Rezensionen unter: http://blog.eichhoernchen.fr/pages/Eichhoernchen-Buch
(3) Rezension von Wolfgang Haug in GWR Nr. 387
(4) Homepage des Projekts: www.free.de