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Weltordnungskriege und gescheiterte Staaten

| Sebastian Müller

Gerd Bedszent: Zusammenbruch der Peripherie - Gescheiterte Staaten als Tummelplatz von Drogenbaronen, Warlords und Weltordnungskriegern, Horlemann-Verlag, Berlin 2014, 186 S., 16.90 Euro, ISBN 978-3-89502-380-4

Schon seit Jahren versinken immer mehr Weltregionen in Bürgerkrieg, Terror und Chaos. Die westliche „Wertegemeinschaft“ hatte auf diese Entwicklung bekanntlich folgendes Interpretationsmuster parat: die Barbareien hätten grundsätzlich nichts mit dem Kapitalismus zu tun und die Lösung wäre, mit Granaten und „Menschenrechten“ im Rucksack, einzumarschieren und nach zahlreichen Opfern „Demokratie“ einzuführen.

Schon 2003 hatte Robert Kurz in seinem im Horlemann-Verlag erschienenen Buch „Weltordnungskrieg“ darauf aufmerksam gemacht, dass solche Kriegsmaßnahmen ins Leere laufen und kein einziges Problem lösen. Schon damals war klar, dass z.B. die westliche „Friedensmission“ im Kosovo die Region nur in einen korrupten Mafiastaat verwandelt hat. Die zerfallenden Regionen bleiben gefüllt mit „überflüssigem Menschenmaterial“. Ein Staat, dem die Steuereinnahmen fehlen, ist weitgehend handlungsunfähig und folglich hochgradig korrupt und dessen „Sicherheitskräfte“ sind von Terrorbanden kaum oder gar nicht zu unterscheiden. Am Ende floriert eine Schattenwirtschaft aus Drogen- und Menschenhandel.

Gerd Bedszent sammelt in dem etwas längeren Vorwort dieses Buches den theoretischen Hintergrund auf, wie dieser von Robert Kurz und anderen AutorInnen seit Ende der 80iger Jahre erarbeitet wurde und unter dem Label „Wertabspaltungskritik“ bekannt ist. Die zentrale These, die schon fragmentarisch bei Marx, beispielsweise in den Grundrissen, zu finden ist, besagt, dass die kapitalistische Dynamik langfristig zu einem absoluten Abschmelzen der Arbeitssubstanz führt, sodass für die Kapitalverwertung immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird, dass sich also die gesellschaftliche Reichtumsproduktion immer mehr von der Arbeitsleistung Einzelner entkoppelt und immer mehr durch Maschinen und technologische Großaggregate besorgt wird. Seit den 1970iger Jahren im Zuge der „mikroelektronischen Revolution“ präsent, hat sich die Krise seitdem immer weiter voran gefressen; mehrere Jahrzehnte konnte es allerdings durch den Neoliberalismus und die entfesselten Finanzmärkte hinausgezögert werden, aber spätestens seit 2008 ist der „finanzgetriebene Kapitalismus“ vorbei (wobei es seit Ende der 80iger Jahre immer wieder zahlreiche Finanzkräche gab, aber diese waren lokal und sektoral beschränkt) und seitdem ist die Krise permanent. Auch der Zusammenbruch der Sowjetunion ist nach Robert Kurz in diesem Zusammenhang zu sehen („Der Kollaps der Modernisierung“). Die Krise der Warengesellschaft frisst sich immer mehr von der Peripherie in die Zentren des Kapitalismus, wie Südeuropa leidvoll erfahren musste. Vor diesem theoretischen Hintergrund ist die Ursache dieses globalen Bürgerkriegs zu finden.

In dem jüngst vom Horlemann-Verlag herausgebrachten Buch schaut sich Bedszent einige Länder aus der Peripherie an. Die einzelnen Artikel sind schon anderswo unabhängig voneinander veröffentlicht worden, bis auf die etwas längere Einleitung. Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, was auch einzusehen ist, da die Anzahl der weltweiten Krisenherde so groß ist, dass man nie zu einem Ende kommen würde.

Dabei geht der Autor nicht nur auf die Gegenwart der Länder ein, sondern skizziert auch einen historischen Werdegang und zeigt, warum manche Staaten es nie geschafft haben, moderne bürgerliche Gesellschaften zu werden. Syrien und Irak sind nicht Thema. Dafür ist erfreulich, dass Länder wie Jamaika und Kolumbien beleuchtet werden, zumal diese im öffentlichen und linken Diskurs eher nicht auftauchen. Schade ist, dass der Abschnitt über Mexiko etwas klein geraten ist. Dann geht es weiter zu einigen Krisenherden, die von der westlichen Bombengemeinschaft beglückt worden sind, wie Kosovo, Libyen und Mali. Zum Schluss geht es um den Notstandsterror der EU in Zypern und den imperialen Krisenherd in der Ukraine, der ja, wie andere auch, immer noch anhält.

Interessant wäre gewesen, sich etwas mehr das „Zentrum“ anzuschauen und wie die Krise zu einer Erosion von BürgerInnenrechten und Demokratie führt. Sehr bedenklich ist beispielsweise die militärische Aufrüstung der Polizei, die zunehmend als Besatzungstruppen im eigenen Land wahrgenommen wird.

Der bürgerliche Rechtsstaat kennt in der Krise bekanntlich meist auch nur die Antwort des Ausnahmezustandes und des Notstandsterrors. Interessierte werden dazu (und den sicherheitsstaatlichen Reaktionen auf den 11.9. usw.) fündig in dem oben genannten Robert-Kurz-Buch „Weltordnungskrieg“, welches mit dem von Gerd Bedszent thematisch verwandt ist. Für eine kritische Linke, die die zahlreichen Schreckensmeldungen zu einem kohärenten Bild zusammenfügen möchte, ist das Buch von Gerd Bedszent empfehlenswert.