Mitten in Frankfurt ist nun ein Gebäude eröffnet, das nur für einen kleinen Imbiss einer polizei-militärischen Aufrüstung bedurfte, mit der noch nicht einmal Atomkraftwerke geschützt werden. Die Stadt Frankfurt aber tut so, als ob dies normale Politik sei und allenfalls die KritikerInnen der Politik der Troika dafür verantwortlich seien. Eine Bank, die zur Eröffnung die JournalistInnen der meisten Medien ausschließt und die Öffentlichkeit auf ihre eigenen Informationen verweist, die also auf die Öffentlichkeit verzichtet, wird unterstützt von der Stadt Frankfurt, von einer Politik, die es für selbstverständlich hält, dass der Ausnahmezustand herrschen muss, wenn wenige PolitikerInnen und geladene Gäste sich treffen.
Die EZB ist schon alltäglich gut gesichert, mit Zaun und weitem, gut überwachten Gelände bis hin zum Gebäude. Angesichts der feierlichen, aber immer weiter reduzierten Größe der Eröffnungsfeier wurde im öffentlichen Raum eine Sperrzone errichtet. Die öffentliche Straße wurde für alle normalen BürgerInnen zur no-go-area. Hamburger Gitter reichten nicht zur Absperrung. Gleich zwei Reihen davon mussten aufgestellt werden. Dazwischen Natodraht, der schwerwiegende Verletzungen erzeugen kann. Aber auch das reichte nicht – Betonblöcke mussten diese Gitter beschweren. Die Polizei hatte sich selbst in diesen Hochsicherheitstrakt eingesperrt. Damit aber die Bürger und Bürgerinnen auch dieser weiträumigen Absperrung fernbleiben, wurde noch eine weitere zehn Meter breite Sperrzone erfunden. Fleißig wurden auf den Boden weiße Striche aufgetragen, auch die Wiesen wurden einbezogen. Ein weißer Strich vollzog die Absperrung der Gitter nach, ergänzt durch weiße Querstriche. Am morgen des 18. März wurde dieser imaginäre Zaun teilweise durch Flatterbänder in Sichthöhe gekennzeichnet. Aber auch das sollte nicht reichen. Davor noch waren polizeiliche Absperrungen eingerichtet, die die Demonstrierenden davon abhalten sollten, bis dahin zu kommen, wo sie demonstrieren durften.
VersammlungsleiterInnen und OrdnerInnen wurde mal wieder zugemutet, dafür zu sorgen, dass auch die symbolischen Absperrungen auf dem Boden eingehalten werden. Sie sollen verantwortlich sein, wenn Einzelne gegen Auflagen verstoßen. Sie sollen und sollen … und im Zweifelsfall sollen sie Versammlungen auflösen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass sich noch VersammlungsleiterInnen finden, die sich diesem Druck aussetzen. So sieht die Förderung der Versammlungsfreiheit aus, die die Polizei an diesem Tag in Lautsprecherdurchsagen immer wieder beteuerte.
Die Bank hatte also die Öffentlichkeit ausgeschlossen, die Politik hatte dem zugestimmt und beteiligte sich gar an dieser Art von Feierlichkeit. Die Polizei hatte die Aufgabe angenommen, den öffentlichen Raum für die Interessen einer Bank zu okkupieren. Macht sich diese Politik nicht selbst lächerlich? Hätte nicht ein lautes Lachen durch Europa schallen müssen, über eine Politik die sich so verschanzen muss? Die Feier brauchte man nicht blockieren, sie blockierte sich ja schon selbst.
Aber, das Lachen bleibt eben im Halse stecken angesichts des Elends, das diese Politik produziert. Im selbstgebauten Palasthimmel nimmt man die Folgen des eigenen Handelns nicht wahr. Und die, die diese Kritik auf die Straße und in die Medien bringen wollen, wurden schon im Vorhinein diskreditiert. Gewalttätige Ausschreitungen wurden angekündigt. Und über die mussten die Medien dann tatsächlich berichten.
Nun vergeht kaum eine Großdemonstration, nach der nicht gefordert wird, dass sich die aufrufenden Organisationen von der Gewalt distanzieren müssen. Diesmal aber ist einiges anders und über die Gewalt muss tatsächlich geredet werden. Nicht um der Sachschäden willen, sondern um der eigenen Ideen willen, für die Blockupy steht. Aber auch diesmal ist eben nicht nur über das eine Bild in den Medien zu berichten, sondern über viele. Über die inhaltlichen Anklagen von Blockupy ist zu reden, aber auch davon, wie diese Kritik vermittelt werden kann.
In den Medien lesen wir, dass Frankfurt am 18. März 2015 von einer maßlosen Welle von Gewalt überrollt wurde. Wir sehen die Bilder von brennenden Autos, fliegenden Steinen, zerbrochenen Scheiben. Steine und Feuerwerkskörper flogen in Richtung von Menschen, von PolizeibeamtInneen, von Bauarbeitern, von anderen Menschen. Eine große, aber im Verhältnis zur Gruppe der Demonstrierenden kleine Gruppe wollte Angst und Schrecken verbreiten.
Berichtet werden könnte auch über einen bunten, friedvollen, lauten Protest, der sich sogar an solch absurde Zumutungen, wie die auf dem Boden markierte Sperrzone von 10 Metern vor den martialischen Absperrgittern gehalten hat. Berichtet werden kann über die Aktionen der Clowns Army, über Chöre und Theatergruppen, die die Inhalte ihrer Kritik unterhaltsam vorbrachten. Geschildert werden könnten die vielen Gruppen, die mit Transparenten durch die Stadt zogen oder eine Brücke blockierten und sich nicht von einer unkalkulierbaren Polizeigewalt abschrecken ließen. Diese Kritik, für die Blockupy steht, findet große Zustimmung in der Bevölkerung. Mehrere Tausend – ob nun 7.000 oder 10.000 – Bürger und Bürgerinnen hatten sich mitten in der Woche frühmorgens in Frankfurt eingefunden, mittags und nachmittags waren es gar ca. 20.000, die sich – auch nach den erschreckenden Berichten in den Medien – zur Kundgebung und zur Demonstration einfanden, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.
Berichtet werden kann auch über eine Polizei, die Demonstrierende mit Schlagstöcken traktierte, die Pfefferspray versprühte, aber auch CS-Gas aus Gewehren verschoss. Sie tat dies kaum gegenüber denen, die erstere Bilder produzierten, sondern vor allem gegenüber friedlich Protestierenden. Sie kesselte über Stunden eine Gruppe ein, die sicherlich nicht die war, die morgens randalierend durch die Stadt gezogen war. Sie ließ zwar einzelne zu der Absperrung am Paul-Arnsberg-Platz, wo eine Mahnwache stattfinden durfte, aber sie verhinderte, dass Gruppen von Demonstrierenden zu dieser Mahnwache kamen. Berichtet werden kann auch, dass die Polizei trotz der morgendlichen Gewaltwelle nachmittags bei der Großdemonstration zwar martialisch bereit stand, aber nicht eingriff. Teile der Demonstration wurden weit enger und bedrängender als notwendig begleitet.
Wir leben in einer Welt, in der Gewalt herrscht – allüberall. Die Zumutungen der europäischen Politik, von Deutschland angeführt, das bisher der größte Gewinner dieser Politik ist, sind in anderen Ländern viel deutlicher spürbar. Wie schön wäre es, wenn Oberbürgermeister Feldmann in seiner Rede zur Eröffnung der EZB recht hätte. „Auch radikale Kapitalismuskritik war immer in dieser Stadt zu Hause, aber Gewalt ist von der Bevölkerung und allen Kritikern des Finanzsystems immer abgelehnt worden. Dabei muss es auch bleiben.“ Das sind die Sonntagsreden derer, deren Politik auf Gewalt beruht.
Ist es angesichts der Zumutungen herrschender Politik, angesichts der Armut in weiten Teilen Europas, angesichts der tödlichen Abwehr von Flüchtlingen, angesichts einer Politik, die Abwehr gegenüber Flüchtenden produziert und militärische Politik zum selbstverständlichen Mittel von Politik macht, nicht eher erstaunlich, wie friedlich und bunt – auch gut gelaunt – dieser Protest in den weitaus größten Teilen war?
Gewalt
Es ist nicht das erste Mal, dass auch Autos brennen. Aber die entschuldigende und achselzuckende Reaktion „auf ein brennendes Auto kommt es ja nicht an“ ist arrogant und überheblich gegenüber denen, die sich um Mittel und Ziele des Protestes Gedanken machen, die Verantwortung übernehmen und Vertrauen aufgebaut haben. Sachbeschädigung ist das eine. Aber bei dieser Art von geplanter Gewalt, ging es darum, Macht auszuüben über alle anderen. Gewalt war deren Mittel, wie Gewalt auch das Mittel der herrschenden Politik ist.
Immer wieder müssen sich die Protestbewegungen gegen einen von der herrschenden Politik inflationär verwendeten Gewaltbegriff zur Wehr setzen. Zu Gewalttätern werden dann auch diejenigen gemacht, die nur mit Kreidefarbe die Glasfassade der EZB kennzeichnen. Aktionen Zivilen Ungehorsams werden mit dieser Begrifflichkeit belegt, obwohl gerade diese Aktionen von Rücksichtnahme auf alle Beteiligten, von gemeinsamen Absprachen und von Verzicht auf jedwede Aktionen, die Menschen gefährden, geprägt sind.
Die selbst ernannten Straßenkämpfer, die am Mittwochmorgen durch die Straßen zogen, wollten auf all diese Aktiven keine Rücksicht nehmen. Sie kaperten einen gut organisierten „Finger“, der zu einem Blockadepunkt ziehen wollte. Sie instrumentalisierten die Demonstrierenden und zogen mit martialischem Macho-Gehabe nur ihr eigenes „Ding“ ab. Sie unterscheiden sich in ihrer Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit kaum von der Logik der gegenwärtigen Weltordnung. Deshalb haben sie in diesem Protest nichts zu suchen.
Zu fragen bleibt aber, wie kann ein Protest gegen die herrschenden Zumutungen aussehen, der den Ernst der Lage zum Ausdruck bringt, sich nicht auf die Sprache der Herrschenden einlässt, weite Teile der Bevölkerung anspricht und nicht in Bedeutungslosigkeit versinkt. Der Protest gegen einen Hochsicherheitstrakt scheint ziemlich aussichtslos zu sein. Die vorgeschickte Polizei blockierte ja selbst die EZB. Wie hätten diese martialische Aufrüstung sichtbar und in ihrer Perversion die Mächtigen lächerlich gemacht werden können? Was für ein Zeichen von Politik ist es, wenn Banken zu militärischen Festungen werden? Und wie kann damit einfallsreich umgegangen werden? Ende Mai 2013 waren in Frankfurt viele kreative Protestformen zu sehen, inhaltlich gut aufgearbeitet, manchmal witzig wurden die vielen „Täter“ markiert. Nur folgten danach die polizeiliche Einkesselung und die Verhinderung der Großdemonstration.
Wir haben verloren, sowie wir uns auf die militärische Logik einlassen. Nicht deshalb, weil wir angesichts eines hochgerüsteten Staates gar nicht gewinnen können, sondern weil wir dann beginnen auf die Ideen zu setzen, die wir bekämpfen müssen. Menschenrechte und Demokratie sind nicht mit Gewalt zu gewinnen.
Ja, man könnte verzweifeln, dass diese Politik immer so weiter geht, schlimmer, dass die Reichen immer dreister ihren Reichtum mehren, während andere darben oder gar sterben. Gegen eine gewählte griechische Regierung wird die Armut und Elend erzeugende Politik der Troika machtvoll und arrogant durchgesetzt. Wer möchte da nicht verzweifeln oder sich endlich auch einmal machtvoll wehren. Die Macht der Unterdrückten kommt aber nicht aus der Gewalt, sondern aus der kritischen Analyse, aus dem langen Atem und dem lebendigen Witz, der Liebe zum Leben und aus der Solidarität. Deshalb bleibt Blockupy, bleibt der kritische Sachverstand, der sich mit der Bereitschaft zum Handeln vereint hat, so wichtig. Das ist vielleicht das schlimmste, dass diese kurze Gewaltorgie auch auf dieses aufgebaute Vertrauen in Blockupy und in seine Aktionsfähigkeit, an der sich alle beteiligen können, keine Rücksicht genommen hat. Gebraucht wird ziviler Ungehorsam, Kreativität in den Formen des Protestes. Die Ziele müssen auch in den Mitteln deutlich werden. Wer jetzt wieder so leichthin davon redet, dass Veränderungen nur mit Gewalt erreicht werden können, dass Gewaltlosigkeit illusorisch ist, hat schon wieder begonnen, Teil des herrschenden Systems zu werden.
Die Autorin
Elke Steven ist Referentin im Komitee für Grundrechte und Demokratie. Das Grundrechtekomitee hat den Protest von Blockupy mit einer Demonstrationsbeobachtung begleitet.