die waffen nieder!

Friedensstadt mit Waffenmarkt

Antimilitaristischer Protest gegen die NATO-Messe "Defense Expo"

| Thomas Billstein

Von der überregionalen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, gab es Mitte April eine große Messeveranstaltung in Münster, die sowohl internationale Polizeikräfte als auch NATO-Streitkräfte als Kundschaft hatte. Bei der "Defense Expo" und der zeitgleich stattfinden "IPOMEX" konnten sich uniformierte Vertreter diverser polizeilicher und militärischer Einheiten mit Waffen, Ausrüstungsgegenständen und den dazu passenden Dienstleistungen und Strategien eindecken oder einfach nur den Mix aus militärischem High-Tech, den neusten Polizeiautos und Soldatentum genießen.

Münster, die selbsternannte Westfalenmetropole, gibt sich gerne als fortschrittliche Stadt und ziert sich darüber hinaus mit allerhand Prädikaten. Zu bundesweiter Bekanntheit schaffte es -nicht zu Unrecht- die Auszeichnung als Fahrradstadt. Vor ein paar Jahren gab es dann einen noch größeren Triumph für die Stadtoberen, als die Stadt beim internationalen LivCom Award zur „lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt wurde. Die älteste, oder besser gesagt klassischste Auszeichnung, die Münster sich gerne ans Revers heftet, ist die der Friedensstadt. Für die Außenstehenden sei bemerkt, dass sich diese Wertung natürlich nicht auf die jüngere Geschichte bezieht, sondern auf den Friedensschluss nach dem dreißigjährigen Krieg im Jahre 1648. Die Marketingabteilung der Stadt Münster geht sogar noch weiter und bürdet sich folgende Losung auf:

„Die Stadt nutzt ihre Geschichte, um Verantwortung für Gegenwart und Zukunft zu übernehmen, wenn es darum geht, für die heutigen Krisenherde auf der Welt neue Instrumentarien und Verfahren zur Konfliktvermeidung, Konfliktlösung und Friedenssicherung zu entwickeln oder um einen Konsens durch Verhandlungen zu ringen.“

Das ist natürlich erstmal eine tolle Formel, und wer möchte nicht in einer Stadt wohnen, die engagiert ist in friedlichem Miteinander und globaler, gewaltfreier Konfliktlösung. Leider aber weichen die Tatsachen von dem schönen Werbegeschreibsel der Stadt ab und die Realität ist dann doch eher eine schallende Ohrfeige für antimilitaristisch eingestellte Menschen. Als Beispiel sei hier die neue Führungsrolle des Deutsch-Niederländischen Korps genannt, die im Ernstfall den Russen zeigen soll, wo der transatlantische Hammer hängt – und zwar von Münster aus. Desweiteren befand sich in Münster das Luftwaffentransportkommando, welches unter anderem Nachschubflüge für Militäreinsätze der Bundeswehr koordinierte. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen, teils unkonventionellen Versuche, den Militarismus in die Zivilgesellschaft zu tragen. So gab es vor 15 Jahren gemeinsame Wander-und Laufveranstaltungen, an denen sich Soldaten und Bürger*innen gleichermaßen beteiligen sollten. Auch aufgrund des dynamischen Widerstandes dagegen, wurden diese „Soldatenmärsche“ wieder recht bald eingestellt.

Als neuster Streich richtete das „Messe und Congress Centrum Halle Münsterland“ (ein Tochterunternehmen der Stadt) nun vom 14.4. bis zum 16.4. eine Doppelmesse aus. Hierbei handelt es sich um die „IPOMEX“ und die „Defense Expo“. Bei ersterer handelt es sich um eine Polizeifachmesse, auf der es neben polizeilichen Einsatz- und Sonderfahrzeugen, Bewaffnung und Ausrüstung auch um die neusten Strategien rund um Geheimdienste und Aufstandsbekämpfung geht. Spitz formuliert kann hier in Seelenruhe begutachtet, diskutiert, ausgetestet und bestellt werden, was zukünftig gegen soziale Bewegungen, Proteste und alles, was sonst noch unliebsam ist, eingesetzt wird.

Widerlicher wird es auf der Defense Expo. Diese versteht sich laut Webseite nicht nur als „Fachmesse für neueste militärische Ausrüstungsgegenstände“, sondern beherbergt auch noch die NLSE-Conference, wobei es sich um eine Art Beschaffungs- und Koordinierungsmarktplatz für die 18 NATO-COMMIT Staaten handelt. Mit dabei ist neben Polen, Litauen auch die Türkei, welche ja bekanntlich einen immer dubioseren und undemokratischeren Weg einschlägt.

Auch die Ausstellerliste bestätigt nach einiger Recherche das Bild dieser Veranstaltung. Vorneweg der insgesamt 116 Aussteller sei hier der global agierende Waffenhersteller FN Herstal genannt, der unter anderem dadurch heraussticht, dass er die Armeen in über 100 Ländern offiziell ausrüstet. Spezialisiert hat sich FN Herstal auf Maschinengewehre in diversen Größen und Kalibern. Am bekanntesten dürfte das M16 sein, mit dem beispielsweise die US-Army ausgerüstet ist, aber auch die Streitkräfte von Indonesien, Liberia und Sri Lanka. Die Firma hat ihren Hauptsitz in Belgien, lässt Waffen aber unter Lizenz in diversen Ländern produzieren, unter anderem auch in Mexiko und Indien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Durchführung solcher Messen durch die Stadt Münster schockierend und enttäuschend ist. Der geografische Ort einer solch traurigen Veranstaltung ist prinzipiell natürlich nebensächlich, im Hinblick auf die markigen Worte der Stadtoberen ist so eine Shopping-Mall für Militärstrategen und Waffenhändler aber nochmal extra zynisch.

Die Messe hat sich leider nicht verhindern lassen, nicht zuletzt weil viele Menschen aus der Stadt und dem Umland – wenn überhaupt – erst in den letzten Tagen von diesem Treiben erfahren haben. Die Planung zur Messe lief bei Stadt, Polizei und Militär hinter vorgehaltener Hand, ohne große Aufmerksamkeit zu schaffen. Trotzdem gab es viele kreative Aktionen. Ein schnell zusammengefundenes antimilitaristisches Bündnis hat zwei Kundgebungen sowohl vor der Messe als auch in der Innenstadt abgehalten. Dazu gab es recht spektakuläre Kunstaktionen, bei denen beispielsweise ein grausiges entstelltes Schlachtfeld vor dem Münsteraner Friedenssaal installiert wurde. Desweiteren gab es Transparente in der Stadt, um die Öffentlichkeit aufzuklären, und Graffiti-Aktionen. Sollte die Stadt Münster auch in den nächsten Jahren diese Veranstaltungen möglich machen, ist dafür zu sorgen, einen starken und breit organisierten Widerstand auf die Beine zu stellen, um diesen Marktplatz des Militarismus zu verhindern.

Anmerkungen

Der Autor ist auf twitter @billstein zu erreichen.

Literaturtipp

Einen tieferen Einblick über Militär und Krieg im Zusammenhang mit der Westfalenmetropole, bietet der Reader "Münster ist im Krieg - und wir sind dagegen!" von 2001: www.muenster.org/uwz/ag/ReaderMSimKrieg.pdf