Griechischer Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro soll in einen von den Gläubigern verwalteten Treuhandfonds überführt und privatisiert werden. So sieht es das Diktat aus dem Hause Schäuble vor. Neben der Wasserversorgung, Stromkraftwerken, Häfen, Stränden und der Eisenbahn stehen auch Flughäfen zum Verkauf. Ausgerechnet ein deutsches Unternehmen, das sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet, soll davon maximal profitieren: Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport will 14 der lukrativsten griechischen Flughäfen übernehmen und spekuliert auf satte Gewinne. Einnahmen, die eigentlich der griechische Staat sehr gut gebrauchen könnte, sollen also auf Betreiben der Bundesregierung in deutschen Staatskassen landen.
Fraport hatte zusammen mit dem griechischen Kopeloúzos Konzern für 1,2 Milliarden Euro den Zuschlag erhalten. Der noch im November 2014 von der Samarás-Regierung und Fraport eingefädelte Privatisierungsdeal der 14 griechischen Regionalflughäfen, steht nun nach der Durchsetzung des deutschen Diktats gegen Griechenland wieder auf der Tagesordnung. Nach ihrem Wahlsieg vom 25. Januar 2015 hatte die neue Syriza-Anel-Regierung alle Privatisierungen vorerst gestoppt.
Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 17.07.2015 trieben sich Fraport-Chef Stefan Schulte und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier als politisch-administrative Vertretung der Flughafengesellschaft schon Mitte Juli in Brüsseler EU-Amtszimmern herum, um nach dem „Hin und Her“ Garantien zu fordern. „Man kann eine so hohe Investition nur verantworten, wenn man sichergehen kann, dass nicht irgendein Politiker das Ganze wieder rückgängig macht“, so Bouffier. „Es muss eine Sicherheitskonstruktion herbei, die das Risiko überschaubar macht.“ Bouffier brachte das Thema bei der Unterredung mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Sprache und forderte Garantien, etwa durch EU-Bürgschaften. Hessen hält ein Drittel der Fraport-Anteile. Mit kaum zu überbietender Arroganz pries er eine Übernahme der Flughäfen durch Fraport als „Signal auch für andere Investoren“. Griechenland werde geholfen, da der Tourismus „durch funktionierende Flughäfen“ in Gang gebracht werde. „Dieser Staat wird sie nicht herrichten“, betonte Bouffier mit Bezug auf Griechenland und meinte ohne Privatisierung würden sie „irgendwann mit Unkraut zu wuchern“. Unter den Flughäfen befinden sich die beliebtesten Touristenziele des Landes.
Reibach für Fraport – Kosten für Griechenland
Worum es wirklich geht wird bei Schulte deutlich. Der sprach von Flughäfen „mit erheblichem Wachstumspotenzial“. Die umfassende Erfahrung und Kompetenz der Fraport garantiere, dass „wir die Wettbewerbssituation der griechischen Regionalflughäfen stärken und weiter ausbauen“. Man wolle das um „bessere Flughäfen für die jeweilige Bevölkerung“ zu bauen, „aber natürlich auch, weil wir Geld dabei verdienen“. Der Vertrag soll über 40 Jahre bis 2055 laufen. Es geht um den Flughafen der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki, zwei weitere auf dem Festland, und die Flughäfen der beliebten Urlaubsinseln Kefalonía, Kérkyra, Kos, Mýkonos, Mytilíni, Rhodos, Sámos, Santoríni, Skiáthos, Zákynthos und Chaniá auf Kreta. 2013 flogen nach Angaben der Fraport rund 19,1 Millionen Fluggäste von diesen Standorten.
Janine Wissler, die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, kritisierte die Privatisierungspläne. Ausländische Investoren machten „Reibach“ damit, die griechische Infrastruktur zu Schnäppchenpreisen aufzukaufen. Die Bundesregierung habe den griechischen Staat erpresst, den Privatisierungsfonds zu installieren, und „jetzt machen unter anderem deutsche Konzerne damit ein gutes Geschäft“, betonte Wissler.
Im Februar hatte die damals neugewählte griechische Regierung die Privatisierung gestoppt, da laut Staatsminister Alékos Flambouráris unklar sei, ob die Übernahme der Flughäfen durch Fraport „dem allgemeinen Interesse dient“. „Der Vertrag wurde noch nicht ratifiziert und wir haben darum gebeten, ihn bis zu einer Überprüfung auf Eis zu legen“, so Flambouráris gegenüber dem Fernsehsender Mega TV.
Eine Mitarbeiterin der Fraport sagte zu den Äußerungen, ihr Unternehmen kommentiere grundsätzlich keine laufenden Verhandlungen. Solange vom Partner Kopeloúzos kein anderes Signal komme, „planen wir normal weiter“. Heftige Kritik am Privatisierungs-Deal äußert auch der zuständige griechische Infrastrukturminister Chrístos Spírtzis gegenüber dem ARD-Magazin Monitor: „Bei dieser Privatisierung soll der griechische Staat 14 gewinnbringende Flughäfen verkaufen, und die anderen 30 Flughäfen, die keinen Gewinn machen und subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat. Das ist ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland.“
Die Lufthansa Consulting, die den griechischen Privatisierungsfonds im Bieterprozess beriet, bestätigte gegenüber Monitor, dass „sicherlich von wirtschaftlicher Lukrativität ausgegangen werden“ kann. Wofür auch die jüngsten Flug- und Passagierzahlen sprechen: Die Zahl der Flüge an den betroffenen Flughäfen stieg 2014 um 14 Prozent, die der Passagiere um 20 Prozent, auf mehr als 22 Millionen.
Vor einer „Privatisierung unter Zeitdruck“ warnte indes Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gegenüber Monitor: „Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass diese staatlichen Unternehmen schnell verhökert werden, dann wird man sich darüber ärgern, denn derzeit sind sie nicht zu ihrem wirklichen Wert verkaufbar.“
Deutsche Korruption in Griechenland
Die griechische Regierung schließt die Aufnahme neuer Korruptionsprozesse gegen deutsche Konzerne nicht aus. So soll es für den Fall eines von Berlin erzwungenen griechischen Staatsbankrotts zu Korruptionsermittlungen gegen Unternehmen wie Siemens, Lidl oder Hochtief kommen.
Die Korruption deutscher Konzerne in Griechenland ist seit Jahrzehnten notorisch. Die betroffenen Firmen, die bisher nur teilweise von Ermittlungen wegen Bestechung betroffen waren, sollten so zur partiellen Wiedergutmachung der von ihnen verursachten Korruptionsschäden gezwungen werden. Diese werden von offizieller Seite in Milliardenhöhe veranschlagt.
Das bekannteste Beispiel ist der Münchner Siemens-Konzern, dessen mit systematischer Bestechung angerichtete Schäden von einem Untersuchungsausschuss des Athener Parlaments auf mindestens zwei Milliarden Euro beziffert werden. Nach einem außergerichtlichen Vergleich Anfang März 2012 musste Siemens lediglich 270 Millionen Euro an Ausgleich zahlen – weniger als ein Fünftel des aktuellen Quartalsgewinns. In einer Zeit, in der Griechenland auf Grund der Schuldenkrise unter äußerst starkem Druck aus Deutschland stand, waren mit der Aushandlung des Vergleichs höchste Regierungsstellen in Athen und Berlin befasst.
Der ehemalige Siemens-Chef in Griechenland, Michális Christoforákos, hatte sich schon 2009 vor seiner drohenden Verhaftung nach München abgesetzt und lebt dort weitgehend unbehelligt von deutschen Behörden.
Ende Mai 2015 hat das griechische Parlament neue Untersuchungen zum Siemens-Skandal aufgenommen. Der als erster Zeuge verhörte Vorsitzende des früheren Siemens-Untersuchungsausschusses, Sýfis Valyrákis, betonte, Recherchen könnten „durchaus intensiver geführt“ werden, als 2010 im von ihm geleiteten Ausschuss. Es gelte außerdem, den außergerichtlichen Deal von 2012 zu überprüfen, so Valyrákis.