Irgendwie sind die Herren aus dem Saarland in den letzten Jahren berühmt geworden mit ihrem melodischen Punkrock-Gewüte. So berühmt, dass selbst das Rockfeuilleton begeistert ist: "Für ihre Sicht der Dinge braucht es keine von Lowtzowsche Verschrobenheit, für ihre Musik keinen hippen 80s-Retro-Sound - und für ihre Relevanz kein Instagram oder Tumblr. Also, liebe Hörer dort 'Unten am Fluss' und anderswo, heben wir die halbvollen Gläser des Kulturpessimismus und stoßen an! 'Ein letztes Hoch auf die Beschissenheit der Dinge!' Denn solange es die gibt, sind Pascow hier noch lange nicht fertig." (plattentests.de)
Und deshalb begab sich die 1998 gegründete Band im Herbst auf eine „Rutsche durch Azs, Clubs, besetzte Häuser“ , in deren Rahmen sie auch Station in der Frankfurter „Au“ machten, wo in dem überfüllten besetzten Haus ein auch für Punkrock-Verhältnisse wildes Konzert gespielt wurde und die Band zuvor der GWR erklärte, wie es zu der Idee kam.
„Nach den letzten Konzerten in größeren Läden und den Festivals im Sommer wollten wir zum Abschluss der „Diene der Party“-Tour noch einmal etwas anderes machen und dann kam noch die Idee mit dem Filmprojekt. Das sollte aber kein Promovideo für Pascow werden, sondern auch die Szene, aus der wir kommen und der wir uns zugehörig fühlen, dokumentieren. Da war schnell klar, dass es deutsche Läden sein sollten und in solchen kleineren Läden zu spielen, darauf hatten wir auch einfach mal wieder Lust“, erklärt Alex die Motivation zu der so genannten „Lost Heimweh“-Tour und Drummer Ollo stellt klar: „Pascow gibt es seit 17 Jahren und die meiste Zeit davon haben wir in diesen kleinen Läden gespielt. Erst nach dem Album „Alles muss kaputt sein“ sind die Hallen größer geworden und da war es uns ein Bedürfnis, dahin zurückzukehren, wo wir herkommen.“
Dabei stellt nicht nur plattentests.de Pascow in eine Reihe mit den wenigen Großen und Relevanten des Deutschpunks wie Slime, But Alive (1) oder Muff Potter, auch die GWR konfrontiert die Band mit dieser Ahnengalerie. Alex Pascow relativiert: „Was die Bedeutung für die Szene oder die Qualität der Platten betrifft, ist das schwer zu sagen, aber in der Tradition solcher Bands sehen wir uns auf jeden Fall. Die Bedeutung von Bands wie Muff Potter oder But Alive hat sich ja eigentlich auch immer erst im Nachhinein herausgestellt, da müssen wir wohl noch etwas warten.“
Und überhaupt, meint Ollo, „ich habe einmal ein Interview gelesen, da wurde einem der beiden Songschreiber von Muff Potter ein Song von einer unserer frühen Platten vorgespielt und das fand er ganz furchtbar und meinte: Das kannst du doch nicht mit uns vergleichen!“
Dabei ist die musikalische Entwicklung der Band tatsächlich atemberaubend. „Das ging“, erklärt Ollo, „bei uns mit der Fähigkeit einher, die Instrumente zu bedienen. Ich hab mit der Band angefangen, Schlagzeug zu spielen und mit Swen [der Gitarrist, N.H.] war zum ersten Mal ein Musiker in der Band. Mit der Zeit sind wir mutiger geworden.
Als wir mit Kurt Ebelshäuser [Gitarrist bei Scumbucket, Blackmail, produzierte u.a. Donots und Adam Angst, N.H.] im Studio waren, hat er oft gesagt, das kann man eigentlich nicht so machen und dann hat er kurz gekuckt und gesagt, ach komm, ihr dürft das machen.“
Was Punkrocker im Jahr 2015 über linke Debatten, nationale Identitäten und Sportprogramme bei Rockfestivals denken, erklärten Ollo und Sänger und Texter Alex dann auch noch.
GWR: Wir kritisieren den Kapitalismus bekanntlich fundamental und kritisieren aktuelle politische Vorgänge aus dieser kategorialen Perspektive. Inwiefern seht ihr euch als linke, linksradikale, anarchistische Band?
Alex: Eine gewisse anarchistische Grundhaltung ist in der Band Konsens, aber wir würden das nie benennen, weil es auch innerhalb der Band dazu viele verschiedene Meinungen gibt. Da bin ich beim Texten auch immer vorsichtig. Mit politischen Aussagen in den Texten müssen alle in der Band klar kommen.
Ollo: Wir sehen die Zustände, kritisieren sie auch, aber mit konkreten Vorschlägen für eine bessere Welt halten wir uns zurück. Wir können unsere Kritik in Bilder packen, aber ohne Zeigefingerattitüde.
Alex: Wir sind in erster Linie Musiker mit politischem Bewusstsein und nicht Politiker, die ein Instrument spielen.
GWR: Verfolgt ihr die Debatten, die in der radikalen Linken geführt werden und beeinflussen euch linke Theorien beim Texten?
Alex: Klar, damit wurde ich schon im Studium konfrontiert und das alles beeinflusst uns durchaus. Kapitalismuskritik ist bei uns auch immer wieder Thema. Bereits in „Schwerter zu Clubsmartkarten“ auf einer älteren Platte bis „Zeit des Erwachens“ auf der aktuellen. Andererseits versuche ich, solche Aufregerthemen innerhalb der Szene nicht gleich zu bedienen. Beispielsweise hätte ich derzeit keinen Bock, einen Song über Homophobie zu schreiben. Nicht weil wir da keine Meinung zu hätten, sondern weil das gerade jeder macht.
GWR: Noch so ein Aufregerthema: Nation, nationalische Denkmuster.
Alex: Ich glaube nicht an die Idee der Nation. Es hat sich gezeigt, dass es für den Frieden zuträglich ist, wenn das Denken in Nationen überwunden wird. Deswegen finde ich auch Feierlichkeiten wie die zur deutschen Einheit nicht gut. Hier soll etwas gefeiert werden, das ich ablehne. Man kann vielleicht noch feiern, dass bei der Wiedervereinigung auch eine Grenze abgeschafft wurde, aber das ist es ja nicht, sondern da wird Deutschland gefeiert.
GWR: Gibt es bei euch keine Identifikation mit der „Nation“? Freut ihr euch, wenn die deutsche Mannschaft Weltmeister wird?
Ollo: Ich interessiere mich eher allgemein für Fußball. Wenn es ein gutes Fußballspiel ist, dann darf jeder gewinnen. Aber die Länderspiele schaue ich mir schon an.
Alex: Naja, das ist die Kategorie Sport und Spiel, aber was die ökonomische Krise betrifft, ist Deutschland bei dem ganzen Spiel der Gewinner und das liegt sicher nicht nur an der deutschen Arbeitsmoral, sondern unser Wohlstand geht stark zu Lasten anderer. Daher ist es meiner Meinung nach in der aktuellen Flüchtlingskrise auch vollkommen richtig, wenn die Leute hier herkommen und sich ihren Teil vom Kuchen holen.
GWR: In eurem Song „Lettre noir“ äußert ihr euch zu den so genannten Grauzonebands. Nun hat sich der Bassist der Böhsen Onkelz, die in dem Lied ja auch eine Rolle spielen, mit einem Statement zur Flüchtlingskrise geäußert. Darin heißt es unter anderem, es spiele „keine Rolle, warum Menschen ihre Heimat, ihre sozialen Strukturen, ihre Familien verlassen und sich auf einen schmerzhaften und aberwitzig gefährlichen Weg machen: Am Ende der Reise sollte sie eine helfende Hand und keine hassverzerrte Fratze erwarten.“ Und an seine eigenen Fans schreibt Weidner: „Was ihr uns jetzt auf meine Seite kotzt, ist mir scheißegal. Es interessiert mich nicht, welche Argumente ihr gegen Flüchtlinge oder ‚Gutmenschen‘ vorbringt, denn es gibt keine.
Verbrennt meine Platten, bleibt in euren traurigen Zirkeln, in denen nur Hass und Ignoranz alles Schöne und Gute platt walzen.“ Lasst ihr solche Worte als Distanzierung gelten oder ist es eher so: Einmal Nazi, immer Nazi?
Alex: Grundsätzlich sollte jeder Mensch das Recht haben, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und zu sagen: Ich gehe einen neuen Weg. Einen besseren Antifaschismus kann es kaum geben, als wenn Leute, die mal Nazis waren, sagen: Ich kämpfe jetzt dagegen. Ob das jetzt authentisch und glaubwürdig ist, kann ich nicht beurteilen. Wenn er das wirklich ernst meint, akzeptiere ich das.
Ollo: Es wäre auch das falsche Zeichen, das nicht zu tun. Wenn man das Problem lösen will, dann darf man auch jemandem, der mit 20 üble Musik und Texte gemacht hat, mit 50 eine solche Meinung zugestehen. Er hat in dem Text vieles auf den Punkt gebracht und geht damit bei den eigenen Fans ein Risiko ein. Und er scheint ja auch schon damit zu rechen, dass viele seiner Follower nicht seiner Meinung sind. Das macht aber ihre Musik nicht besser. Und das war bei frei.wild ja ähnlich, die haben auch so einen Post gemacht und da fragt man sich dann schon auch, wieviel Promo dahintersteckt. Aber das kann man sich bei linken Bands dann natürlich auch fragen, wieviel Promo hinter Engagement in dieser Richtung bei einigen Bands steckt.
GWR: Ihr arbeitet alle neben der Band noch in regulären Jobs. Muss das sein? Könntet ihr auch allein von Pascow leben?
Alex: Wenn man alles auf eine Karte setzen würde, würde das vielleicht funktionieren, so in dem Rhythmus Platte, Tour, Platte, Tour. Dann könnten wir aber so eine Tour wie jetzt nicht spielen, da müssten wir das alles so groß machen wie es geht. Nicht weil wir den Hals nicht voll kriegen, sondern um davon überhaupt leben zu können.
Ollo: Und die Frage ist dann, wieviel künstlerische Freiheit man dabei aufgibt. Wenn du darauf angewiesen bist, möglichst viele Platten zu verkaufen, gehst du schon mit einem anderen Bewusstsein dran, als wenn du sagst: „Zur Not scheißegal.“ Diese maximale künstlerische Freiheit würde man damit aufgeben.
Alex: Das haben wir auch bei Muff Potter gesehen (2). Der Gitarrist hat mal in einem Interview gesagt: „Wir leben alle von der Band, es gab nie einen Plan B. Von uns hat keiner was gelernt, wir haben von Anfang an alles auf diese Karte Band gesetzt.“ Das war schon mutig und die konnten zwar zeitweise gut von der Band leben, aber Bands in dieser Größenordnung sind damit nicht abgesichert wie die Ärzte oder die Hosen oder die Beatsteakes, die sagen können: Ok, wenn wir fertig sind mit der Musik, müssen wir nichts anderes mehr machen. Und an diesem Punkt sind Bands wie Muff Potter oder Turbostaat oder wir lange nicht.
Ollo: Die Frage ist auch immer, wie lange man den jungen Leuten was von revolutionärem Punkrock erzählen will, wenn man schon die 50 überschritten hat. Da müssen wir aber bald aufhören. Nächste Woche…
Alex: Ich will das nicht so lange machen, bis es nicht mehr geht oder bis die Band in der Krise ist.
Ollo: Was halt auf keinen Fall passieren darf, ist, dass wir zu einer Band verkommen, die einmal im Jahr auf irgend so einem Nostalgie-Punkfestival spielt, wo sie irgendwann alle mal ausgegraben haben. Dann ist es tot. Dann ist es vorbei.
GWR: Bei euren Konzerten sind zwei Dinge auffällig. Zum einen die Diskrepanz zwischen den wutschnaubenden Punkrockern auf der Bühne und den freundlichen Herren, die hier gemütlich beim Kaffee sitzen. Zum zweiten die Tatsache, dass ihr fast vollständig auf Rockstarattitüde, Mitgrölparts, und Festivalaerobic verzichtet.
Alex: Ja, wenn wir auf die Bühne gehen, wird ein Schalter umgelegt, das ist bei uns allen so und das haben wir auch schon so gemacht, als nur 20 Leute auf den Konzerten waren. In den Songs haben wir schon einige Parts zum Mitsingen, aber im Grunde sind wir da wirklich schon ziemlich konservativ.
Ollo: Wir sind halt nicht im Partymodus. Auf Festivals könnten die Leute uns als langweilig empfinden, weil wir kein Sportprogramm liefern. Ich finde auch Festivals nicht geil, die mittlerweile zu einer Kirmes verkommen sind. Auf einem Rockfestival muss ich nicht zwingend ein Riesenrad haben. Oder einen Bungeejumpturm. Oder ein Jägermeister-Promoteam, das halbnackt durch die Welt läuft und den Leuten Fusel andreht. Dann ist es ehrlicher, wenn vorne eine Band steht, die abgeht wie Schmitts Katze und sich nur eine Handvoll Leute dafür interessieren, aber es ist kein Kindernachmittagsprogramm. Letztes Jahr, als wir auf dem Highfield gespielt haben, da war auch die ganze Zeit Action und Trallala und danach sind Converge auf die Bühne, die auf diesem Highfield-Festival eines der überzeugendsten Livesets abgeliefert haben und die Leute: ein Großteil ist gegangen, ein paar haben sich das ein bisschen angeguckt. Da stehen Converge und reißen sich den Arsch auf – ohne Animation – und die Leute interessiert es nicht. Sowas ist Perlen vor die Säue geworfen.
Alex: Es gibt aber auch Bands, zu denen das passt und dann kann das auch Spaß machen, so eine dicke-Hose-Rock-Show. Aber wenn das dann alle machen und auch Bands, die eigentlich politisch oder alternativ oder kritisch sein wollen, dann wird es langweilig.
Ollo: Ja, das beste Beispiel sind ja im Moment Bengalos. Bengalos sind das Arschgeweih der Rockszene. Jede Band hat im Moment jemanden, der fünf Bengalos anzündet.
(1) Vgl.: Erick Dickmann: Rockgiganten vs. Straßenköter, Concert for Anarchy, in: GWR 398, April 20015, www.graswurzel.net/398/concert.php
(2) Siehe auch: "Nationalismus ist überall dumm". Ein Interview mit dem Sänger Nagel von Muff Potter, in: GWR 304, Dezember 2005
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