moment mal!

Gut aufgestellt

| Johann Bauer

„Kurz vor Mitternacht musste der Bahnhofsvorplatz im Bereich des Treppenaufgangs zum Dom durch Uniformierte geräumt werden. Um eine Massenpanik durch Zünden von pyrotechnischer Munition bei den circa 1000 Feiernden zu verhindern, begannen die Beamten kurzfristig die Platzfläche zu räumen. Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte.“

(Die Kölner Polizei zieht Bilanz: POL-K: 160101-1-K/LEV Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich, Pressemitteilung vom 01.01.2016)

Wie konnte die Wirklichkeit so verkannt oder verleugnet werden?

Mussten die Verantwortlichen nicht damit rechnen, dass das hier gezeichnete Bild schnell widerlegt wird? An diese Presseerklärung der Kölner Polizei werden immer wieder Vermutungen herangetragen, „politische Korrektheit“ habe dazu geführt, dass unerwünschte Sachverhalte nicht erfasst, berichtet und polizeilich-strafrechtlich verfolgt würden.

Eine „Schweigespirale“ gegenüber unerwünschten Phänomenen bestimme öffentliche Erklärungen der Polizei und die Medien, die solche Erklärungen in aller Regel einfach nur wiedergeben (so wie ihre redaktionelle Tätigkeit insgesamt zunehmend auf den Abdruck von Presseerklärungen von Konzernen, Lobbygruppen, der Exekutive zusammenschrumpft). Aber der Schlüssel zum Verständnis solcher einseitiger und falscher Informationen ist nicht „Lügenpresse“, sondern „Marketing“.

Ging es nicht vielleicht um den „Standort Köln“, das „Image“ der Stadt und damit ihre Attraktivität für TouristInnen, InvestorInnen, die BewohnerInnen selbst? Ist es nicht im Rahmen einer „Standortlogik“ und eines „Stadtmarketings“ geradezu zwingend, dass unerfreuliche Entwicklungen von einer „gute Laune“-Oberfläche überdeckt werden müssen? Wozu ist in den letzten Jahren die Stadt als „Event“ und „Image“ inszeniert worden, wenn man das von ein paar … stören und herunterwirtschaften lässt?

„Gut aufgestellt“ ist ein Schlüsselbegriff dieser Konzeptionen. Es ist heute beinahe unmöglich geworden, Kritik zu formulieren, die prinzipiell gemeint ist; statt dessen: „…muß sich besser aufstellen“, „…ist noch nicht optimal aufgestellt“, ob Sportverein, Gewerkschaft, Kaninchenzüchter oder Umweltverband. Das hat immer eine Seite tatsächlicher Organisationsausrichtung, aber auch sehr viel mit Strategien öffentlicher Darstellung und deren Manipulation zu tun.

Dafür braucht es längst keine Anweisungen von oben mehr (auch wenn es die durchaus gibt und sehr penibel kontrolliert wird, welche Tatsachen öffentlich werden dürfen, das treibt jede Organisation von der Deutschen Bank bis zu den HausbesetzerInnen um). Seit Jahren besteht „Organisationsentwicklung“ und „Personalentwicklung“ auch in der unausgesetzten Propaganda von „Corporate Identity“, von „Wording“ (also dem Festlegen, welche Ausdrücke und Sätze von den Organisationsangehörigen verwendet werden sollen, oft beschönigende „Newspeak“-Phrasen). Viele Formen einer vereinheitlichenden Hochglanz-Darstellung aller Aktivitäten haben längst auch allen Beschäftigten (und den Pressestellen sowieso) klar gemacht, wie Sachverhalte darzustellen sind.

So wird jede Rationalisierungsmaßnahme, jede Verlagerung von Arbeit auf „Kunden“ als „Verbesserung des Service“ verkauft. So gesehen verwundert es fast, dass die Kölner Presseverantwortlichen … nein, das wollen wir uns nicht weiter ausmalen.

„Benchmarking“-Vergleiche der verschiedenen „Anbieter“ beziehen sich bei Städten längst nicht mehr nur auf Miethöhen, Verkehrsanbindung, Kinderbetreuung, sondern stark auf die Sicherheit des öffentlichen Raums, neben „Kultur“-„Events“, Erholungswert und anderen damit wiederum zusammenhängenden Strukturen. Beschönigende Darstellungen sind deshalb keine Ausnahme, sondern zwingend. Ein „Imagefilm“ zeigt ja auch keine Schmuddelecken, sondern nur die besten Seiten. Und VW hat eine Software entwickelt, die Messdaten bei Abgasuntersuchungen manipuliert. Übrigens: Jede Organisation rechnet sich „Erfolge“ zu, das waren dann die Ergebnisse der Anstrengungen, gut gemacht. Misserfolge können nur an widrigen Umständen oder einer feindlichen Umwelt liegen. Gute Schüler hat die Schule ausgebildet, schlechte Schüler sind unfähig, faul oder aus bildungsfernen Schichten.

So auch die Polizei zu Köln: Nach einer kurzen, „ungeplanten Feierpause“ (nicht: Feuerpause, merkwürdige Assoziationsketten, es war ja davor die Rede von der Pyrotechnik!) war „die Einsatzlage entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte.“

So geht Marketing!