wir sind nicht alleine

Tierra y Libertad auf kolumbianisch…

"Es geht um solidarische politische Zusammenarbeit auf horizontaler Ebene". Ein Interview mit Dorit Siemers vom Kaffeekollektiv Aroma Zapatista

| Interview: Jochen Schüller

Das Kaffeekollektiv Aroma Zapatista verkauft seit Dezember 2015 neben dem Kaffee aus Chiapas auch Bohnen aus dem Cauca - dem Südwesten Kolumbiens. Der Kaffee kommt - ebenso wie der aus Chiapas - von einer widerständigen indigenen Bewegung, die im Februar 2016 ihr 45-jähriges Jubiläum feiert. Der solidarische Handel mit ihnen stärkt ihren Kampf für Land und Autonomie, gegen Krieg und Freihandel. Das Interview mit Dorit Siemers von Aroma Zapatista führte Jochen Schüller (GWR-Red.).

Graswurzelrevolution: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, neben dem Kaffee aus Chiapas auch welchen aus Kolumbien importieren zu wollen? Warum Kaffee von der indigenen Bewegung im Cauca?

Dorit Siemers: Wir hatten schon seit längerem die Idee, auch Kaffee von einer anderen unterstützenswerten Bewegung ins Sortiment aufzunehmen.

Auf den CRIC in Kolumbien, den Consejo Regional Indígena del Cauca, also den Regionalen Rat der Indigenen im Cauca, sind wir gekommen, weil uns jemand aus Kolumbien-Solikreisen, der die CRIC-Bewegung schon mehrere Jahre kennt und vor Ort gelebt hat, auf sie aufmerksam gemacht hat.

Wir haben uns daraufhin näher mit der Bewegung beschäftigt und uns bei Aktivist_innen in Deutschland und Lateinamerika umgehört. Die Rückmeldungen waren alle positiv, so dass wir uns entschieden haben, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

GWR: Du warst Anfang 2015 dort und hast den CRIC, die Region Cauca und die Kaffeeproduktion kennengelernt. Was waren Deine Eindrücke?

Dorit Siemers: Zunächst einmal: Für uns war es wichtig, die Bewegung und die Menschen persönlich kennenzulernen, bevor wir einen neuen Kaffee einer neuen Kooperative ins Sortiment aufnehmen. Natürlich können wir auf einer ersten Reise nur einen kleinen Einblick bekommen, aber uns war dieser erste Schritt sehr wichtig. So habe ich mich mit einem Freund aus Mexiko auf die Reise nach Südwest-Kolumbien in den Cauca gemacht, eine Region, die einigen wahrscheinlich durch die Präsenz der FARC-Guerilla bekannt ist. Zur Info: CRIC und FARC arbeiten nicht zusammen.

Wir wurden von den CRIC-Mitgliedern sehr nett und offen empfangen. Wir haben mehrere Tage mit ihnen verbracht; haben verschiedene Gemeinden und Kaffeeanbauregionen kennengelernt, waren mit Kaffeeanbauenden auf Kaffeefeldern und haben eine Art Uni bzw. Ausbildungszentrum des CRIC besucht. Es war toll, dass wir die Möglichkeit hatten, uns und unsere Ideen auf Versammlungen in verschiedenen Gemeinden vorzustellen. Es gab Nachfragen zum zapatistischen Aufstand und Ideen zur Vernetzung. Sie haben sich gefreut, dass wir nicht irgendwelche Kaffeehändler sind, sondern dass wir an ihrer Bewegung interessiert sind.

Ich fand es beeindruckend, wie gut der CRIC organisiert ist. Mensch merkt, dass die Bewegung schon jahrelange Erfahrungen hat – sie hat sich bereits im Februar 1971 gegründet.

GWR: Was hat Dich besonders beeindruckt?

Dorit Siemers: Besonders positiv ist mir aufgefallen, dass viele Frauen aktiv an den Versammlungen teilgenommen haben und von diesen auch mehrere Amtsträger_innen waren. Beim CRIC wird das Innehaben eines Amtes durch das Tragen eines bastón (ein mit Bändern geschmückter Stock) zum Ausdruck gebracht.

GWR: Die zapatistischen Gemeinden in Chiapas haben massive Probleme mit dem Kaffee-Rost, einer Plage, die in manchen Orten bis zu 80 % der Kaffee-Produktion vernichtet hat. Ist der Kaffee aus Kolumbien nun Ersatz oder gar Konkurrenz zum zapatistischen Kaffee?

Dorit Siemers: Nein, das soll er auf keinen Fall sein! Es ist schon so, dass wir aufgrund des Kaffee-Engpasses in Chiapas früher als gedacht Kontakt zum CRIC aufgenommen haben, aber es ist für uns klar, dass die Beziehung langfristig angelegt ist.

Wir hoffen, dass beide Sorten gut angenommen werden und jeweils ihre „Fans“ finden. Die Qualität des Rohkaffees ist aus beiden Ländern sehr gut. Und wir finden, dass beide Bewegungen aufgrund ihres Kampfes gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Naturzerstörung und aufgrund ihrer Ideen und Ziele Unterstützung verdienen.

Es geht eben nicht nur um bessere Bezahlung, sondern um solidarische politische Zusammenarbeit auf horizontaler Ebene.

GWR: Gibt es Kontakt zwischen der zapatistischen Bewegung in Chiapas und dem CRIC in Kolumbien?

Beide sind ja indigene Bewegungen, die gegen Freihandel, Neoliberalismus und für Autonomie und eine andere Wirtschaft kämpfen!

Dorit Siemers: Wir wissen, dass Vertreter_innen des CRIC an internationalen Treffen der Zapatistas teilgenommen haben, aber ob es darüber hinaus tiefergehende Treffen, z.B. einen Austausch mit einem Zapatistischen Rat der Guten Regierung, gegeben hat, wissen wir bisher nicht.

Nach unserer Kolumbienreise und dem ersten Kontakt zum CRIC, hat es Anfang September 2015 auch ein Treffen in Chiapas gegeben: Ein Vertreter der CRIC-Kaffee-Kooperative CENCOIC aus Kolumbien, der unser Begleiter und Ansprechpartner ist, wurde eingeladen, um dort an einem Austausch-Seminar über die Kaffeekrankheit Roya teilzunehmen.

Wir haben diese besondere Gelegenheit genutzt und mitgeholfen, ein Treffen mit ihm und zapatistischen Kooperativen zu organisieren.

GWR: Wird es im Kaffee-Sortiment eine Mischung von Kaffee aus Chiapas und dem Cauca geben? Eine kulinarische Begegnung von Zapata und Quintín Lame?

Dorit Siemers: Mir gefällt das Wortspiel „kulinarische Begegnung von Zapata und Quintin Lame“. Vielleicht vorab kurz zur Person Quintìn Lame: Er war ein bedeutender Indigener im Cauca, der wie Emiliano Zapata im 20. Jahrhundert für mehr Rechte der Indigenen und gegen Ausbeutung und Unterdrückung gekämpft hat.

Von 1984 bis 1991 gab es eine bewaffnete Bewegung im Cauca, die sich nach Quintín Lame benannt hat und in der auch CRIC-Indigene aktiv waren.

Zurück zur Frage: Wir haben lange überlegt, zu welchen Sorten wir den kolumbianischen Kaffee rösten lassen. Letztendlich haben wir uns entschieden, zwei neue Sorten aufzunehmen: einen Filterkaffee café minga und einen Espresso kintín.

Darüber hinaus mischen wir einen bestehenden Espresso: Der Estrella Negra wird eine Mischung aus Rohkaffeebohnen von der zapatistischen und der indigenen Bewegung aus dem Cauca und wird Estrella Fusión heißen. Somit gibt es hierzulande also auch eine Annäherung der beiden Bewegungen, eine kulinarische Begegnung von Zapata und Quintin Lame.

GWR: Was ist für Dich bzw. für Euch neu und besonders spannend?

Dorit Siemers: Ich finde es spannend, dass die indigene Bewegung im Cauca schon seit mehreren Jahrzehnten existiert. Ich freue mich darauf, die Bewegung Schritt für Schritt mehr kennenzulernen. Durch Veranstaltungen, Interviews und Artikel möchten wir sie hier bekannter machen und zur Vernetzung beitragen. Interessant finde ich, dass die Bewegung bis 1990 eine vertikale Struktur hatte – es gab einen Präsidenten, der viel Macht hatte, wie uns erzählt wurde. Da sie damit schlechte Erfahrungen gemacht haben und unzufrieden waren, haben sie die vertikale Struktur in eine horizontale umgewandelt.

Interessant ist es auch, die Parallelen und Unterschiede zum Zapatismus zu sehen bzw. kennenzulernen.

GWR: Warum nennt Ihr einen Kaffee „MINGA“ (vgl. Artikel in GWR 405)? Was steckt dahinter?

Dorit Siemers: Wir haben Namen überlegt, die etwas mit der Bewegung des CRIC zu tun haben. Minga hat gleich zwei wichtige Bedeutungen: Zum einen steht minga für kollektive Arbeit und zum anderen werden die großen Demos und Protestaktionen, die häufig vom CRIC initiiert werden, auch als minga bezeichnet. Zwei Bedeutungen, in denen wir uns gut wiederfinden.

GWR: … und wie schmeckt der Kaffee aus dem Cauca und wo kann mensch ihn kaufen?

Dorit Siemers: Er hat etwas weniger Säure als der zapatistische Kaffee. Uns schmeckt er sehr gut, aber das ist ja auch immer Geschmackssache, die einen schmecken das, was andere wiederum gar nicht schmecken…

Am Besten probieren.

Der Kaffee kann über unseren Webshop oder per Mail/Telefon bestellt werden. Zudem hoffen wir, dass ihn auch mehrere Läden ins Sortiment aufnehmen.

Wem der Kaffee schmeckt und wer den indigenen Widerstand im Cauca und ihre Selbstorganisation weiter unterstützen will, kann gerne im persönlichen Umfeld werben oder im „Laden des Vertrauens“ fragen, ob sie den Kaffee anbieten möchten.