Funny van Dannen: An der Grenze zur Realität. Verlag Klaus Bittermann, Reihe: Edition Tiamat, Band 231, Berlin 2016, 208 S., 16 Euro, ISBN 978-3-89320-203-4
Mal was anderes. Im Meer der Theorien braucht es am Horizont auch mal eine Fata Morgana, der Computerfreak frische Luft und die Biobäuerin mal Rambazamba in der Großstadt. Die Position mal tauschen, den Blickwinkel verändern. Kurz: ein Buch von Funny van Dannen mal lesen. Gut, das gerade ein neues erschienen ist.
„An der Grenze zur Realität“ bietet auf etwas mehr als 200 Seiten 89 kurze Texte, die mit Realität eher weniger zu tun haben, als mit den Grenzen dazwischen. Schmunzeln bis Schenkelklopfen ist für Menschen mit Humor garantiert, aber nicht ohne Tiefsinn. Und alle, die momentan 100 Jahre Dadaismus zelebrieren, erkennen hier den Enkel subversiver und surrealer Geschichten.
Funny van Dannen, Jahrgang 1958, wäre fast Fußballprofi geworden, aber zum Glück für uns hat er sich für die Kunst entschieden. Er brach drei Monate vor dem Abitur 1978 die Schule ab und ging nach Berlin, spielte in Punk- und Jazz-Bands, bevor er mit eigenen Songs zum Liedermacher wurde. Inzwischen hat er rund 14 CDs (plus Hörbücher) seit 1991 herausgebracht, eigene CDs ab 1995. Mitunter waren andere Interpreten mit seinen Liedern erfolgreicher, wie etwa Udo Lindenberg oder Die Toten Hosen. Außerdem liegt nun sein achtes Buch vor. Mit seinem Schmöker „Neues von Gott“ schaffte er es 2004 sogar auf Platz 12 der Spiegel-Bestsellerliste. Und um das künstlerische Schaffen noch zu ergänzen: Er malt auch. Kurz: ein Tausendsassa.
Auf und van dannen
Für die Geschichten van Dannens wird gerne die Metapher „alles sei beseelt“ verwendet, was etwas eigenartig für einen Atheisten ist. Aber es ist richtig, dass es ganz normal ist, hier von sprechenden, denkenden Tieren zu erfahren, selbst philosophierende Bratwürste, die sich über die Menschen unterhalten. Mit einer schier unendlichen Fantasie versetzt van Dannen uns in eine komplexe Umwelt, in der der Mensch längst nicht mehr das Maß aller Dinge ist. Irgendwie „Der kleine Prinz“ auf Acid, oder als hätte jemand die homöopathischen Kügelchen gegen LSD ausgetauscht (nur ohne die Nachwirkungen). Doch sein Humor ist mitunter hinterlistig, heranschleichend, die Pointe schlägt auch schon mal zwischen den Zeilen noch ein paar Haken. Aber alles große Kunst.
Wie könnte wohl eine kleine Geschichte weitergehen, wenn sie mit dem Satz beginnt: „Als ich letzte Woche im Bushaltehäuschen auf den 144er wartete, saß neben mir Frau Merkel.“ Na, ich werde das jetzt nicht erzählen, lasst Euch selbst überraschen. Und ich muss gestehen, dass es durchaus Sinn ergibt die Geschichte auch mehrmals zu lesen: „Eine kleine Gurkenwalherde hatte die Orientierung völlig verloren und sich in einem Baggersee verirrt.“ Hier lauert schon der erste Witz, aber dass diese Tiere sich unterhalten mit einem mürrischen Angler und einem Rehkitz, welches sich aus Schilf ein Geweih bastelt, aber eigentlich wollen sie in den Essigsee (sic!). Nein, ehrlich, ich weiß nicht, woher dieser Mensch die Einfälle nimmt. Oftmals reichen schon die ersten Sätze, wie: „Zwei Pfund Gammelfleisch kamen in die Erste Hilfe.“
Ich sehe durchaus die Gefahr, dass es Menschen gibt, die sagen „Der spinnt doch!“, oder „So ein Blödsinn!“. Solche Menschen gibt es (zurzeit latschen die montags im Osten durch die einzigen Großstädte, die es im „Tal der Ahnungslosen“ gibt), aber das können nur fantasie- und humorlose GesellInnen sein. Nein, in diesen unseren trostlosen Zeiten braucht es auch Bücher wie dieses, damit uns die Mundwinkel nicht so schwer werden wie die von „Mutti“. Lachen hat was Subversives, und Funny van Dannen versorgt uns in großartiger Weise mit jenem Stoff, der uns genügend Kraft gibt, um weiter zu machen. Ich liebe das Buch, und es eignet sich wunderbar zum gegenseitigen Vorlesen: „Zwei Bratwürste standen an einem herrlichen Frühlingstag auf und wollten sich über die große Wirtschaftskrise unterhalten…“ Sagenhaft.
Termin
Funny van Dannen Lesung: 9.04. Berlin / Prater