Unter dem Motto "Sozial, bezahlbar, unverkäuflich" bauen derzeit ca. 150 Personen in Freiburg eigene Mietshäuser.
In Zeiten, in denen bezahlbarer Wohnraum zur Rarität wird, Investor_innen häufig den Ton auf dem Immobilienmarkt angeben und fast alle wissen, was unter Gentrifidingsbums zu verstehen ist, macht eine gute Idee langsam Schule.
Im Grunde geht es um etwas Paradoxes: Wir bauen „eigene Mietshäuser“. 150 Personen werden Mieter_in und Vermieter_in in einer Person, die SZ nannte uns die „Entprivatisierer“, die gute Idee nennen wir Mietshäuser Syndikat. Bundesweit gibt es bereits über 100 Projekte, die sich mit dem Mietshäuser Syndikat zusammengeschlossen haben. Häufiger wurden Häuser gekauft und renoviert, seltener neue gebaut.
Mietshäuser Syndikat
Die Idee des Mietshäuser Syndikats kommt ursprünglich aus der Freiburger Hausbesetzer_innen-Szene. Sie entstand im Zuge der Besetzung des sogenannten Grethergeländes in den späten 1980ern. Die Räume dieser ehemaligen Eisengießerei wurden der Stadt abgerungen und bewohnbar gemacht, dabei entstand jedoch ein Finanzierungsproblem. Wie weiter? Fertige Konzepte gab es nicht. In einer Arbeitsgruppe stellten die Aktivist_innen fest, dass nach jeder Anfangsphase eines Wohnprojekts die finanziellen Belastungen mit der Zeit weniger würden. So kam die Idee auf, dass nach einigen Jahren und Jahrzehnten immer mehr ökonomischer Spielraum entsteht, mit dem man neue Projekte anschieben und durch praktisches Know-how unterstützen kann. Dieser solidarische Gedanke ist von Anbeginn tief im Konzept des Mietshäuser Syndikats verwurzelt.
Nun musste noch sichergestellt werden, dass die einmal angeeigneten Häuser nie wieder auf dem weniger solidarisch ausgerichteten Immobilienmarkt landen. In der Rechtsform der GmbH fand man geeignete Regelungen. Ein Gesellschafter der Haus-GmbH ist das Mietshäuser Syndikat, der andere der jeweilige Hausverein. In letzterem sind die aktuellen Hausbewohner_innen organisiert, das Mietshäuser Syndikat übernimmt mit seinem Gesellschafteranteil eine Wächterfunktion.
Die Satzung der GmbH legt fest, dass ein Hausverkauf nur dann möglich ist, wenn beide Gesellschafterinnen zustimmen. Abgesehen von diesen Vorgaben steht das Mietshäuser Syndikat dem Hausverein hauptsächlich beratend zur Seite: Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden, wenn Häuser dem Wohnungsmarkt entzogen werden sollen! Mittels Handbuch und Jahrzehnte langer Erfahrung ist das Mietshäuser Syndikat ein wertvoller Verbündeter auf dem doch auch steinigen Weg.
Von Finanzierungshürden und Kleinanleger_innen
Rund vierzehn Millionen Euro kosten die drei neu entstehenden Häuser samt der Grundstücke, die im Freiburger Stadtteil Gutleutmatten gebaut werden.
Wie können das Menschen finanzieren, die kaum Eigenkapital besitzen und gerade deshalb auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind?
Wir finanzieren die Häuser über Kredite: Einerseits haben wir Bankkredite (L-Bank und Sparkasse), andererseits Privatkredite, sogenannte Direktkredite bekommen. Die zinsfreien Landeskredite für sozialen Wohnungsbau von der L-Bank machen einen großen Posten aus.
Hinzu kommen Fördermittel der KfW für energetisch anspruchsvolles Bauen und Barrierefreiheit. Für die Kredite der Banken ist jedoch Eigenkapital nötig, das die künftigen Mieter_innen selbst nicht besitzen. Als Ausweg aus dem Dilemma bietet sich eine Abkürzung an: der Direktkredit. Menschen, die das Projekt kennen und unterstützenswert finden, können Ersparnisse direkt bei dem Hausverein bzw. der GmbH anlegen – frei nach dem Motto: „Lieber 1.000 Freunde im Rücken als eine Bank im Nacken.“ Direktkredite sind viele kleine (und auch größere) Beträge ab 500 Euro, die Unterstützer_innen dem Projekt zu moderaten Zinsen zur Verfügung stellen. Die Mieteinnahmen fließen dann in Zins und Tilgung, wie auch bei einem ganz „normalen“ Mietshaus, nur dass eben keine Traumrenditen auf dem Rücken der Mieter_innen erwirtschaftet werden.
So bleiben die Mieten auf Dauer sozialverträglich. Direktkreditgeber_in können alle werden, die in sozialen Wohnungsbau investieren wollen (1).
Mit der Neuformulierung des Vermögensanlagegesetzes im September 2014 wollte die Bundesregierung vorgeblich Kleinanleger_innen vor riskanten Finanzprodukten schützen. Nebenwirkung wäre in der ursprünglichen Fassung jedoch gewesen, dass sämtliche Projekte, die sich über Direktkredite von Unterstützer_innen finanzieren, in ihrer Existenz stark bedroht gewesen wären.
Das 3HäuserProjekt machte sich an einem Freiburger Runden Tisch gemeinsam mit dem Mietshäuser Syndikat, Freien Schulen, Energiegenossenschaften, Wohngenossenschaften und anderen Vertreter_innen der solidarischen Wirtschaft dafür stark, dass das Gesetz abgeändert wurde. Bundesweit ackerten Initiativen dafür, dass sie weiterhin Direktkredite für ihre Projekte einwerben dürfen.
Mit Erfolg: Das im April 2015 endgültig verabschiedete Kleinanlegerschutzgesetz berücksichtigt die Belange solidarisch wirtschaftender Projekte.
Wer wir sind und was wir tun
Neben der politischen Arbeit engagieren wir uns hauptsächlich in Arbeitsgruppen. Ende März 2014 starteten wir im 3HäuserProjekt optimistisch in das für uns komplette Neuland. Im 3HäuserProjekt haben wir – der Name hält, was er verspricht – drei Hausvereine gegründet, die im Freiburger Westen drei neue Häuser bauen. Die Hausvereine sind aus unterschiedlichen Initiativen entstanden: Im Hausverein LAMA sind Personen organisiert, die derzeit schon in einem Mietshaus zusammenwohnen, welches aber seit dem Verkauf an eine Investorengruppe von Gentrifizierung bedroht ist. Mehrere Versuche, das Haus selbst in Kooperation mit dem Mietshäuser Syndikat zu erwerben, scheiterten.
Die Gruppe Luftschloss sucht seit vielen Jahren nach einer bezahlbaren Immobilie für ein gemeinschaftliches Hausprojekt in Freiburg. Der Wunsch nach selbstbestimmtem Wohnen, nach Gemeinschaft und dem solidarischen Teilen von Ressourcen hat sie als Gruppe zusammengebracht.
schwereLos ist die „jüngste“ Gruppe im 3HäuserProjekt. Die Kaufoption für das Grundstück, auf dem schwereLos bauen wird, hat der Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ e.V. – ein wohnungspolitisch aktiver Ableger des Mietshäuser Syndikats – im städtischen Losverfahren gewonnen.
Alle drei Häuser garantieren mit 70% Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein deutlich mehr geförderten Wohnraum, als in der Ausschreibung für Gutleutmatten gefordert wurde. In allen drei Häusern reservieren wir zudem je eine Wohnung für Personen mit Fluchterfahrungen. Schön fänden wir es, wenn auch diese Idee weitergetragen wird: Würde bei jedem Neubau eine Wohnung oder ein Zimmer für Personen mit Fluchterfahrungen bereitgestellt werden, dann hätten wir zumindest wohnungspolitisch eine schöne Alternative zu der grauseligen Lagervariante von LEAs und BEAs! Zudem bauen wir die Häuser rollstuhlgerecht und doch billig, weil günstiger Wohnraum echte Mangelware geworden ist. Im größten Haus schwereLos ist auch noch Platz für eine KiTa.
In regelmäßigen Treffen und Arbeitsgemeinschaften stimmen die Gruppen ihr Vorgehen miteinander ab, loten aus, wo Synergien entstehen können, und gehen den gemeinsamen Weg zu solidarischem Wohnen. Durch die Arbeit am 3HäuserProjekt haben sich ganz unterschiedliche Menschen kennengelernt und viele Aktionen gemeinsam gestemmt: Gleichzeitig werden Baupläne gemacht, Bauanträge eingereicht, Infostände bei Flohmärkten und Festen bestritten und viel, viel diskutiert und noch mehr Emails geschrieben und gelesen als jemals zuvor.
Ganz klar gehören zu solch einem Vorhaben viel Engagement und Durchhaltevermögen, jedoch müssen nicht alle Personen alle Aufgaben bearbeiten, sondern engagieren sich arbeitsteilig im jeweiligen Hausverein, in den Arbeitsgruppen (Architektur, Öffentlichkeitsarbeit, Orga und Finanzen), auf dem Gesamtplenum oder bei Veranstaltungen des Mietshäuser Syndikats. Eine Durststrecke von ein bis zwei Jahren steht uns nun noch bevor, bis die Häuser bezugsfertig sind. Wir freuen uns schon sehr auf diesen Zeitpunkt, endlich in Gemeinschaft und selbstbestimmt nicht nur zu leben, sondern auch zu wohnen!
(1) Mehr Informationen gibt es auf unserer Homepage unter www.3haeuserprojekt.org/direktkredite/
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3HäuserProjekt
c/o Bauverein Wem gehört die Stadt?'
Adlerstr. 12
79098 Freiburg
Tel. 0761/3848403 (AB)