libertäre buchseiten

„Ich, der Mörder“-Comic

| Minou Lefebre

Altarriba, Keko: "Ich, der Mörder", Comic, avant-verlag, München, Oktober 2015, 136 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-945034-32-3

„Ich, der Mörder“ von Antonio Altarriba und dem Zeichner Keko ist ein atmosphärisch düsterer, anspruchsvoller Krimi-Comic. Erzählt wird die Geschichte einer Reflexion über den Mord, den der Madrider Professor für Kunstgeschichte, Emilio Rodriguez, gerne zu einer Kunstform erhoben gesehen hätte. Zumindest in der Form, wie er ihn serienmäßig ausübt.

Folgt man einem Klischee, wird nur der zum Kunsthistoriker, der es zum Künstler nicht gebracht hat. Das kann zu Komplexen führen. Und die möchte man dem Protagonisten des Comics, Emilio Rodriguez, durchaus unterstellen. Wichtiger als alles andere scheint ihm, für einen Professor nicht unüblich, die Distinktion. So grenzt er sich im akademischen Lehrbetrieb nicht nur von seinen KollegInnen akribisch ab, deren Theoriegehabe er, nicht ganz zu Unrecht, für Esoterik hält. Auch in seiner zweiten Leidenschaft, dem Menschenmorden, hält er sich für etwas Besonderes. Mit dem gemeinen Alltagskiller möchte er nicht in einen Topf geworfen werden. Seine Taten sind, wie könnte es anders sein, natürlich: Ganz große Kunst.

In dieser Erhöhung seiner Taten erfährt er nicht nur eine Erhöhung seiner Person, den „Ritterschlag zum Kunstschaffenden“, sondern zugleich die Rechtfertigung seiner Grausamkeit. Da denkt man unweigerlich, und diese Überlegung stellt auch der Comic an, an die „Serienmorde“ durch staatliche Institutionen, durch Krieg, Folter und rechtstaatlich legitimierte Hinrichtungen. Auch der Staat bedient sich der Rechtfertigung seiner Tötungen wegen vermeintlich „höherer Ziele“, den Menschenrechten, dem Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei usw.

Implizit stellt sich die Frage: Warum soll ich als selbstbestimmter Mörder für etwas zur Rechenschaft gezogen werden, für das ich im Kriegsfalle oder auch in der profanen Praxis der Staatsausübung, einen Orden oder ein Beamtengehalt bekomme?! Rodriguez wähnt sich, soviel sei verraten, in seiner Kunstfertigkeit über dem Gesetz und bedarf folglich nicht der staatlichen Lizenz zum Töten.

Stilistisch geht der Comic weitgehend bekannte Wege des Krimi-Comicgenres: Sattes schwarz-weiß, harte Kontraste, die Farbe „rot“ führt den Lesenden einer Blutspur ähnlich durch die Geschichte und lenkt den Blick des Betrachtenden auf das Wesentliche. Uneins bin ich, wie ich die Collagierung der Zeichnung mit Bitmaps von Fotografien im Hintergrund bewerten soll. Mir scheinen manche Grafiken dadurch an Zusammenhalt einzubüßen. Das mögen andere Lesende aber anders beurteilen. Einen wirklichen Abbruch tut es dem Comic auf jeden Fall nicht. Geschichte und visuelle Umsetzung sind allemal besser gelungen, als so manch sonntäglicher, moralinsaurer Krimi im deutschen Fernsehen, der schlussendlich und totsicher die Staatsgewalt über den Gesetzesbrecher siegen lässt. Ich zumindest habe mir gestern den Stuttgart-Tatort geschenkt und an seiner Stelle diesen Comic mit Vergnügen verschlungen.

Bei allen Krimi-Toten durch Menschenhand – der größte Serienmörder ist laut „Mord-Experte“ Rodriguez allerdings immer noch die Zeit: Sie verfehlt niemanden, ihr fällt noch jedeR zum Opfer – früher oder später.