so viele farben

Das Bündnis von Mob und Elite benennen

| Detlev Beutner

Die Ereignisse von Clausnitz [vgl. GWR 407, S. 2] haben in weiten Teilen der Bevölkerung Empörung ausgelöst; allerdings fallen die Urteile sehr unterschiedlich aus, wenn man zu den Ereignissen auch den staatlichen Umgang hinzurechnet.

Wenn man von den gesamtgesellschaftlichen Reaktionen auf Clausnitz eines lernen kann, dann dies: Rassismus in Form eines Pulks von Dorfnazis ist gesellschaftlich – noch – geächtet; der – in seiner Wirkung oft fatalere – Rassismus aber in den dahinterliegenden gesellschaftlichen, staatlichen wie zivilen Strukturen wird kaum noch als solcher benannt, zumindest ist eine solche Benennung weit weg von einem gesellschaftlichen Konsens. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich und reichen von Unkenntnis und fehlender Empathie bis zu einem aggressiven Staatsrassismus, in dessen Vorstellung bitteschön auch das Gewaltmonopol gegenüber Geflüchteten – in welch widerlicher Weise es auch ggf. ausgeübt wird – immer noch beim Staat zu liegen hat. Unter diesen Vorzeichen ist die wahrgenommene Empörung zu relativieren; das, was gesellschaftlich geächtet wird, ist dann nicht mehr viel.

Etwa 20 Menschen, geflohen und aktuell so etwas wie „heimatlos“ (von mittellos mal ganz zu schweigen) und schon damit ohne Frage in einer um Größenordnungen massiveren existentiellen Not als alle „UreinwohnerInnen“ des Erzgebirges, werden in ihre neue Unterkunft nach Clausnitz gebracht. Dort wird der Bus von etwa 100 Menschen (im Wesentlichen: Männern) blockiert, umringt, mit Sprechchören belagert. Zwei Stunden lang. Die Situation macht bereits beim Zuschauen Angst, aber 104 Sekunden auf YouTube sind ein Sahneschlecken gegenüber 120 Minuten im Bus. Zwei Frauen müssen aufgrund der ausgelösten Panik später notärztlich behandelt werden. Was eine solche Situation psychisch auslöst, ist genau das: Panik, Angst; pure akute Angst (ein psychischer Zustand, den viele Deutsche übrigens nicht kennen, was ein kleiner Teil des weiteren Problems sein mag). Eines der Kinder hat Angst auszusteigen und will den Bus nicht verlassen. Nach Rufen aus der Menge: „Dann hol ihn doch raus, jetzt!“ – „Rausholen!“ – „Rausholen!“ – „Raus!“ greift sich ein Bundespolizist den Jungen gegen seinen Widerstand und zieht diesen schließlich – unter lautem Gejohle der Menge – mit dem Unterarm am Hals würgend aus dem Bus. Alles dokumentiert auf Video – ein „Glücksfall“, sollte man meinen. Gegen zwei Frauen wird ebenfalls „einfacher unmittelbarer Zwang“ angewendet – sprich, die Polizei setzt auch gegen diese Gewalt ein, um ihren durch berechtigte Angst geprägten Willen zu brechen. Keine Gewalt wird allerdings gegen die eingesetzt, die diese Angst mit ihrem dumpfen Rassismus und bedrohendem Gehabe geschürt haben.

Am 23.2. fragt Dietmar Dath in der FAZ: „Man beobachtet also den Polizisten vor dem Mob und fragt sich, auf welcher von drei möglichen Alarmstufen man sich befindet: der niedrigsten, wo der Staat gegen die Stämme noch handlungsfähig ist, der zweiten, auf der er sie ihren Zank unter sich ausmachen lässt, oder der schlimmsten, auf der er Partei ergreift und das Bündnis von Mob und Elite baut, das die Geschichtsschreibung ‚Faschismus‘ nennt?“ Gute Frage! Für die gesellschaftspolitische Einordnung ist weniger das Einzelereignis als solches ausschlaggebend.

Machen wir ein Gedankenexperiment: Man stelle sich den „optimalen demokratischen sozialen Rechtsstaat“ unter Berücksichtigung realer menschlicher Psyche vor. Ihnen sei die Fähigkeit gegeben, vor jedem Zu Bett Gehen jeden einzelnen polizeilichen Übergriff des Tages vor Ihrem inneren Auge abspielen zu lassen (mit Bild & Ton). Selbst im gedachten optimalen System würde jedem halbwegs empathiebegabten Menschen der Schweiß etwas auf die Stirn gekrochen kommen.

Andererseits könnten Sie sich nach wenigen Minuten des Reflektierens relativ beruhigt auf die andere Seite drehen: Sie wissen, dass diese Auswüchse geächtet sind; Sie wissen, dass diese morgen verurteilt werden; Sie wissen, dass sich dieses System etwa der Tendenz bewusst ist, dass staatliche Strukturen mit Gewaltausübungsmonopol (Polizei, Militär) zur Rechtslastigkeit neigen; Sie wissen, dass die Übergriffe eben „die Ausnahme“ waren, die das System weder leugnet noch ignoriert noch fördert.

Aufwachen!

Kalter Rücksprung in die Realität: Ist man sich einig, dass ein solcher Vorfall nie wieder vorkommen darf? Leider muss man zum diametralen Ergebnis kommen.

Zunächst steht die Frage im Raum: Wie äußert sich die Polizei als solche zu dem Vorfall? Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann sagt: „An diesem Einsatz gibt es nichts zu rütteln“, und es gäbe für die Polizei „überhaupt keine Konsequenzen“. Aber damit nicht genug, er geht weiter und erklärt die Opfer zu Tätern, die „mit Gesten“ ebenfalls „provoziert“ hätten: „Was wir allerdings ausweiten werden, das sind sicherlich auch die Ermittlungen gegen den einen oder anderen Businsassen.“ Das ist zwar inzwischen offiziell vom Tisch, aber die Stoßrichtung des zuständigen Polizeipräsidenten ist unzweifelhaft: Gewalt gegen Geflüchtete durch die Polizei ist in Ordnung, Gewaltdrohungen durch einen männlichen Mob sind irrelevant, und wer sich in zwei Stunden Busbelagerung evtl. zu einer „Geste“ hinreißen lässt, der ist dann allerdings doch ggf. strafrechtlich zu verfolgen.

Nun gut, mit ganz viel Systemtoleranz könnte man versuchen, sich zu beruhigen und zu sagen: Da hat es halt einen Durchgeknallten irgendwo in der sächsischen Provinz auf den Präsidentenstuhl gehievt, spätestens jetzt wird der auffällig, und die Systemkorrektur greift – etwas später, aber sie greift – erst auf höherer Ebene ein. Leider: Fehlanzeige.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig, der beim ersten Bekanntwerden des Videos spontan zutreffend erklärt, die Bilder sprächen für sich, bezieht sein Unwohlsein wohl doch nur auf die Menschenmenge, nicht den staatlichen Umgang mit der Situation. „Die Polizei musste konsequent handeln und hat das getan“, behauptet Ulbig. An diesem Punkt muss man eine Sekunde verweilen. Denn wenn sächsische Polizei „konsequent handelt“, dann sieht das aus der Lebenserfahrungsperspektive linker DemonstrantInnen nicht so aus, als ob rund 30 PolizistInnen nicht mit 100 Demonstranten fertig werden könnten. Es ist sächsischer Alltag, dass in einer solchen Situation, ob angemessen oder nicht, Schlagstock und Pfefferspray mit einer Deutlichkeit zum Einsatz kommen, die den Titel „konsequent“ verdient hat. Insofern sind auch alle Versuche, hier ernstlich behaupten zu wollen, die Polizei habe ein „Kräfteverhältnisproblem“ gehabt, nur als hochgradig lächerlich zu bezeichnen.

Das mag ein Bürgertum glauben, das solche Einsätze mit deutscher Verwaltungsmentalität auswertet und vor sich hin murmelt: „Naja, 30 gegen 100, ungünstig.“ Das hat aber rein gar nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun und muss als das benannt werden, was es ist: eine Lüge, um davon abzulenken, dass die Polizei sich hier – unter der Fragestellung bzgl. des vorhandenen Rassismus – eben nicht von dem Mob trennen lässt. Zumindest dann nicht, wenn ein solches Fehlverhalten im Einzelfall keinerlei Korrektur im Apparat erfährt.

Und es geht ja immer so weiter

Ob Matthias Damm, Landrat von Mittelsachsen, der das AfD-Mitglied Thomas Hetze als Leiter der betroffenen Unterkunft ablöst – nicht zum Schutz der Flüchtlinge, sondern „zum Schutz des Mitarbeiters“; zugleich ist es das Landratsamt, das die Räumung des Busses durch die Polizei jeder anderen Alternative bevorzugt.

Ob Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der die Ausschreitungen in Clausnitz ernsthaft mit den Protesten gegen das Bahn-Projekt „Stuttgart 21“ vergleicht, „wo es auch sehr unsachlich zugegangen“ sei; dass im Falle von UmweltschützerInnen der Staat nicht zögert, auch Wasserwerfer unter Inkaufnahme schwerster Körperverletzungen einzusetzen, während die Polizei in Sachsen den „Unsachlichen“ gar nichts entgegenzusetzen hat, das vergisst Tillich dann aber wieder. Ob Rainer Wendt, Vorsitzender der „Deutschen Polizeigewerkschaft“, nach dessen Wahrnehmung „die Polizei absolut richtig und angemessen reagiert“ habe (und der wenige Tage später der „Jungen Freiheit“, dem Leitorgan der Neuen Rechten, ein Interview zum Thema gibt, was er im Übrigen mit einer gewissen Regelmäßigkeit macht). Ob Oliver Malchow, Vorsitzender der „Gewerkschaft der Polizei“, der keinen Anlass habe, „daran zu zweifeln, dass die Beamten verantwortungsvoll gehandelt haben“. Ob Dieter Romann, Chef der Bundespolizei, der zu dem Schluss kommt, „dass der Einsatz des Beamten und seiner Kollegen rechtmäßig und verhältnismäßig war zum Schutze der Betroffenen“. Oder schließlich Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der „Kritik an diesem Polizeieinsatz nicht erkennen“ könne. Auch er argumentiert, dass der Schutz der Flüchtlinge im Vordergrund gestanden habe.

Schutz also. Wenn in Deutschland eine Minderheit offen angegriffen wird durch Kreise der Bevölkerung und diese Minderheit anschließend der Gewalt der Polizei „zu ihrem eigenen Schutz“ ausgeliefert wird – dann sollten die Alarmglocken dauerklingeln. Aber kein Klingeln weit und breit, stattdessen erklärt de Maizière: „Stellen Sie sich mal vor, der Bus wäre zurückgefahren. Dann hätten ja diese grölenden Leute noch Recht bekommen. Nein, das war in Ordnung.“

Nein, das war es nicht. Beziehungsweise: Nur wer den Wertmaßstab setzen will, dass, bevor ein einziger pöbelnder Nazi auch nur angefasst wird, man einen Flüchtling „zu seinem eigenen Schutz“ auch mal würgen kann – nur für den mag das in Ordnung sein. Also: für RassistInnen. Für alle anderen ist die Lage viel trivialer: Ob nun Schlagstock und Pfefferspray gegen die Menge unter den Augen der Businsassen eingesetzt werden (als Ausprägung des Grundsatzes, dass das Recht nicht vor dem Unrecht zu weichen habe, immer noch besser; aber sicherlich auch optimierbar). Oder ob man den Bus zeitweise entfernt, um die Situation vor Ort unter Zuhilfenahme von weiterer Verstärkung zu entschärfen.

Dresden etwa ist 60 km und eine Stunde Fahrtzeit entfernt; hätten Linke einen AfD-Bus äquivalent belagert, die sächsische Polizei hätte notfalls ein logistisches Meisterstück vorgeführt, wie es etwa die Berliner Kollegen am 13. Januar dieses Jahres getan haben, als 500 PolizistInnen, SEK- und Hubschraubereinsatz inklusive, ein ganzes Straßenviertel gestürmt haben, weil ein Kollege vor einem Haus von Linken zu Fall gebracht und leicht verletzt wurde. Oder man beschließt, den Geflüchteten einen Einzug unter diesen Vorzeichen nicht zumuten zu können, und kehrt wirklich endgültig um – kein Sieg der Nazis, sondern eine demütige Verbeugung vor den Schutzbedürftigen: Leute, wir haben es leider versäumt, in manchen Regionen menschlich-solidarische Wertmaßstäbe aufrecht zu erhalten, wir sehen, hier liegt so ein furchtbarer Fall vor, aber: wir können und werden Euch das nicht zumuten.

Über jede Alternative kann man sich auseinandersetzen, welche die bessere wäre. Aber: Jede Alternative wäre eine bessere; jede Alternative wäre aushaltbar, nur der gewählte Weg, der ist es nicht. Nicht, weil er unter den möglichen Alternativen die schlechteste wäre. Sondern weil jeder andere Weg von dem Leitbild getragen wäre, Schutzbedürftige zu schützen und Angreifern Grenzen aufzuzeigen. Und weil der gewählte Weg demgegenüber von einem Leitbild getragen war, das Geflüchtete zu Objekten degradiert. Weil dem Weg Rassismus zugrunde liegt.

All das ist ja nicht so schwierig zu verstehen. Und ein rassistischer Einzelfall wäre schlimm, aber letztlich zu ertragen, wenn es alle verstehen würden – und sich der Rassismus maximal in den hintersten Ecken bestehender staatlicher Strukturen tummeln könnte: Der Polizeipräsident erklärt, dass ihm die Vorfälle leidtun; er entschuldigt sich bei den Betroffenen und sichert zu, dass es zu disziplinarischen Maßnahmen kommen werde; Strafanzeigen gegen die eingesetzten Beamte werden ernsthaft geprüft.

Die Innenminister von Land und Bund haben dem außer weiterer Schamesröte nichts hinzuzufügen. Der Rechtsfrieden bliebe gewahrt; die, die bei uns Schutz gesucht haben, hätten das Gefühl, diesen am Ende auch zu bekommen, und das gesellschaftliche Signal wäre gesetzt, dass aggressiver Rassismus keinen Platz bekommt, sich zu entfalten. Dass das alles wie in einem Märchen klingt, ist das eigentliche Problem: Die Realität verweist die Vorstellung von einem nicht durch und durch von Rassismus infiltrierten Staatswesen in das Reich der Ammenmärchen, die nur „Gutmenschen“ hören wollen.

Man könnte dem entgegenhalten: Ja, dass polizeiliche Strukturen da anfällig sind: bekannt; auch dass der kritische Umgang mit solchen Entwicklungen über die Führungsspitzen nicht klappt: ist leider so.

Das ist auch schlimm, aber: Mehr ist da nicht. Ein isoliertes Problem von Polizeistrukturen, von dem aber nicht auf den Zustand der Politik oder der Gesellschaft abzuleiten ist.

Aber: Da ist mehr. Denn der Teil der Empörung, der sich gegenüber einem sächsischen Dorfmob noch ein bisschen Weg bereitet, der ist nicht zu hören, wenn politische Entscheidungen auch in diesem Land dazu führen, dass Kinder nicht nur von PolizistInnen harsch angegangen werden, sondern im Mittelmeer ertrinken.

Wenn Deutschlands Rüstungsexporte in 2015 auf den neuen Rekordwert von 12,5 Milliarden Euro steigen, dann ist es albern, einen kausalen Zusammenhang mit Fluchtbewegungen zu verneinen. Deutschland liegt zwar im gesellschaftlichen Diskurs zur Flüchtlingsfrage in Europa nicht am hintersten Ende. Allerdings sollte sich das Land dafür nicht zu sehr auf die Schultern klopfen – die Lage ist schlimm genug, und zugleich hat das Land weltpolitische Verantwortung in einem Ausmaß, das die von Österreich, Dänemark, Schweden, Polen oder Ungarn deutlich übersteigt.

Unmenschlichkeiten

Der Diskurs zur Flüchtlingspolitik wird davon bestimmt, dass man sich in scheinbar demokratischer Manier über gröbste Unmenschlichkeiten wie etwa die Aussetzung des Familiennachzugs bei geflüchteten Kindern oder die erleichterte Abschiebung Schwerkranker streitet (und solche Maßnahmen am Ende tatsächlich beschließt). Oder zur Frage der Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern: Da wird im Juli 2015 eine Verschärfung beschlossen, die am 1.1.2016 (!) in Kraft tritt, und Silvesterereignisse 2015 (!) führen zur nächsten Verschärfung. Wie willig muss die deutsche Bevölkerung sein, einem rassistischen Grundgefühl Platz zu machen, wenn ein dermaßen billiger Populismus nicht sofort als solcher enttarnt wird. Die Frage kann an einer solchen Stelle eigentlich nur lauten: Überwiegt hier die Dummheit oder der Rassismus – oder bedingt das eine das andere?

In Sachsen konnte man an diesem Einzelfall die Spitze des Eisbergs erahnen. Das sächsische Prinzip der Blindheit gegenüber dumpfem, um sich greifendem Rassismus ist besonders ausgeprägt; es hat sich in den politischen Strukturen verfestigt und teilweise verselbständigt. Die dem zugrunde liegende Gleichgültigkeitsmentalität breiter Kreise in der Bevölkerung unterscheidet sich aber quer durch die Republik nicht so sehr.

Dass die politischen Strukturen einer Korrektur bedürfen, sollte klar sein. Aber auch das zivile Umfeld macht es da nicht leichter. Wenn etwa in der Tagesschau der Zweiklang „kriminelle Ausländer“ regelmäßig nicht mehr nur als Zitat benutzt wird, dann sagt das einiges über die Veränderungen seit Anfang der 90er Jahre aus, als diese Vokabel noch eindeutig faschistischen Kreisen vorbehalten war. Oder wenn – wiederum die Tagesschau, hier am 21.2.16 – das Clausnitz-Video bearbeitet wird und, ganz im Gegensatz zum Pressekodex, Gesichter unkenntlich gemacht werden: die von Polizisten, aber nicht die der betroffenen Flüchtlinge! Wenn die Medien sich auf einen Dorfmob stürzen, aber mit jeder Leiterstufe der politisch Verantwortlichen hinauf die Empörung überproportional abnimmt; dann ist die Gefahr da, dass auch die restlichen Elemente einer zivilen Gesellschaft in sich zusammen fallen können.

Aber: Sie sind noch da. Auf der einen Seite die immer noch große Menge derjenigen, die in der Flüchtlingshilfe stark engagiert ist. Sie kommen in den Medien und damit in der allgemeinen Wahrnehmung nur noch am Rande vor, aber sind zahlenmäßig und von ihrem Engagement her nicht zu unterschätzen. Politisch ändert aber diese Schicht wenig, weil sie in ihrer Hilfe vor allem nach innen wirkt.

Daneben gibt es aber auch noch eine kämpferische Opposition, parlamentarisch und außerparlamentarisch. Aber erst, wenn die von purem Humanismus Getriebenen auch nach außen Stellung beziehen und zusammen mit den politischen Oppositionsgruppen laut und wütend werden, gibt es – eventuell – noch eine Chance, in Deutschland die Bewegung hin zu einer offen aggressiv-rassistischen Gesellschaft zu vermeiden oder ihr zumindest dauerhaft Relevantes entgegenzustellen.

Der Staat ist da akut die letzte Stelle, auf die man setzen darf. Sachsens Ministerpräsident Tillich hat nach einigem Hin und Her doch eingeräumt, dass sein Bundesland ein besonders großes Problem habe. Nun, er ist deswegen nicht in Demut zurückgetreten. Nein: „Wir brauchen wieder einen starken Staat.“ Mehr Polizei soll es richten. Das ist unter sächsischen Verhältnissen eine weitere Drohung von rechts. Man mag ja darüber streiten, ob landauf landab die Anzahl der PolizistInnen wirklich das Problem ist; mehr von einer von Rassismus durchtrieften sächsischen Polizei ist nun allerdings so mit das Schlimmste, was diesem Bundesland passieren könnte.

„Pflicht, Gewalt anzuwenden“

Am 26.2.16 wurden in Dresden 202 frische PolizistInnen in den Dienst gestellt. Dabei erklärte der Inspekteur der Sächsischen Polizei, Dieter Hanitsch, unter konkretem Bezug auf die Ereignisse von Clausnitz: „Polizisten haben das Recht und die Pflicht, Gewalt anzuwenden, um das Wohl der Menschen zu schützen. […] Bilder von einfachem, unmittelbarem Zwang können niemals schön aussehen, sind aber in gewissen Situationen notwendig.“

Hanitsch, der also die neuen PolizistInnen explizit auffordert, es dem Bundespolizisten im Zweifelsfall gleich zu tun, war 2011 als Chef der Dresdner Polizeidirektion abgelöst worden, nachdem im Zuge der Ermittlungen gegen Links von seiner Dienststelle aus Telefonverbindungsdaten von fast einer Million Menschen ausgewertet wurden.

Das absurde sächsische Demokratieverständnis arbeitet weiter vor sich hin und wird bundesweit flankiert.

Ein Zitat von 1992, damals um die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen herum, das ich leider nicht mehr sicher zuordnen und evtl. auch nur noch nahe am Wortlaut wiedergeben kann, hat mich seinerzeit sehr wachgerüttelt, und ich habe es immer wieder auf seine aktuelle Relevanz hin überprüft. Die Tendenz, auf die diese Gesellschaft zuläuft, macht es heute leider relevanter als in den letzten 20 Jahren. Ich tausche das damalige „Schwarze“ gegen „Flüchtlinge“ und stelle es erneut in den Raum, mit dem Appell an alle Halbwachen, aufzustehen und sich zusammenzuschließen und Schlimmeres zu verhindern:

Dass man die Juden nicht umbringt, haben die Deutschen inzwischen gelernt; bei den Flüchtlingen ist man sich noch nicht ganz sicher.