es wird ein lächeln sein

Hafen der Ideen

Dortmund. Das neue anarchistische Zentrum wurde feierlich eröffnet und lässt sich durch die Neonazis nicht einschüchtern

| Black Pigeon

Viel ist geschehen, seit in der Graswurzelrevolution Nr. 405 im Januar 2016 über die Crowdfunding-Kampagne für ein anarchistisches Zentrum Dortmund berichtet wurde. Im Endspurt der Kampagne hatten wir alle Hände voll zu tun, aber zusammen mit unseren Unterstützer*innen haben wir es geschafft, das angestrebte Spendenziel zu erreichen.

In der Dynamik, die sich entwickelte, als wir geeignete Räumlichkeiten gefunden hatten, konnten wir vor unserem inneren Auge beinahe schon die ganzen tollen Sachen sehen, die hier nun bald stattfinden würden.

Leider zog unser Eifer nicht nur wohlwollende Blicke auf sich

Am 6.11.2015 starteten wir unsere Crowdfunding Kampagne für ein anarchistisches Zentrum in Dortmund. Unser Plan war es, den bisher schon seit rund zwei Jahren bestehenden anarchistischen Buchladen „Black Pigeon“ zu vergrößern. Ein eigenes Zentrum sollte geschaffen werden mit viel Platz für Kunst, Kultur, Bildung und politische Arbeit. Ein Ort, an dem mensch sich zwanglos ausprobieren und verwirklichen kann.

Silvester feierten wir auf einer von Genoss*innen organisierten Soliparty ganz optimistisch bereits in „das Jahr der schwarzen Taube“ und verbrachten auch den Solitag am 2. Januar damit, über all die Möglichkeiten zu sprechen, die die neuen Räumlichkeiten bieten würden.

Zu unserer großen Freude trugen die zur Verfügung gestellten Dankeschöns unserer lieben Unterstützer*innen vom Unrast Verlag, Black Mosquito, Roots of Compassion, Schmetterling Verlag, Anarchistisches Radio Berlin und Bahoe Book dazu bei, dass die Spendenbereitschaft bis zum Ende hoch blieb und wir unser angestrebtes Ziel von 7.000 Euro erreichen konnten!

Als dann am 5. Januar fest stand: Es wird ein anarchistisches Zentrum Dortmund geben, ging damit wohl für manche von uns ein Traum in Erfüllung. Plenum für Plenum nahm dieser immer mehr Gestalt an. Im Hafenviertel Dortmunds fanden wir dann einen Ort, der mit 300m² viel Platz für unsere und eure Ideen bietet.

Es zeigte sich, dass wir die Nachbarschaft um das neue Zuhause der schwarzen Taube richtig eingeschätzt hatten. Kaum dass wir den ersten Staub aufgewirbelt hatten, kamen bereits die ersten Menschen im Laden vorbei und zeigten sich interessiert und wohlwollend. Motiviert durch so viel Zuspruch stürzten wir uns in die Renovierungsarbeiten und dachten, jetzt könnte uns nichts mehr aufhalten.

Alles vorbei?

So weit, so gut. Nur klingt das fast schon zu perfekt. Zumindest dachte das wohl Dortmunds Neonazi-Szene, als sie sich in den Kopf setzte, unseren Plänen ein schnelles Ende zu setzen.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Februar flog ein Stein in eines unserer Schaufenster. Hatten einige noch versucht, sich selbst und die anderen zu überzeugen, dass es sich um einen „dummen Zufall“ handelte, legte ein Bericht des Nazi-Internetportals „Dortmund Echo“ nahe, dass mehr dahinter steckte, denn es wurden hier auch weitere Aktionen sowie Kundgebungen angekündigt.

In den folgenden Tagen versuchten die Nazis vor allem durch Druckausübung auf den Vermieter, diesen dazu zu bringen, uns zu kündigen. Sie starteten einen gezielten Shitstorm auf der Facebook-Seite der Immobilienfirma und auf Immobilienportalen, was dazu führte, dass Kommentar- und Bewertungsfunktionen deaktiviert und Angebote durch die Firma gelöscht wurden. Außerdem wurde in diesem Zeitraum ein Farbanschlag auf das Büro verübt.

In einem im Internet veröffentlichten Statement kündigte die Immobilienfirma daraufhin an, die Rechtsgültigkeit des Mietvertrags zu prüfen und „entsprechend der Ergebnisse handeln und das rechtlich mögliche veranlassen“ zu wollen. Sie wolle „mit keinerlei Extremismus in Zusammenhang“ gebracht werden. Unsere Arbeiten gerieten zu diesem Zeitpunkt erst einmal gewaltig ins Stocken. Obwohl wir es nicht für möglich gehalten hatten, schienen die Neonazis mit ihrem Plan Erfolg zu haben…

Wir geben nicht nach!

… aber das kann und darf natürlich nicht passieren! Nachdem wir den ersten Schock überstanden hatten, beschlossen wir, alles zu geben und an unseren Plänen festzuhalten. Wir lassen uns die Idee eines anarchistischen Zentrums nicht durch die Nazis zerstören. Unsere Liebe zur Freiheit hat den längeren Atem.

Anstatt zu resignieren, gingen wir in die Offensive und starteten eine Medienkampagne, deren Reichweite wir vorher nicht erwartet hatten.

Über die Vorfälle rund um das Zentrum berichteten lokale Medienportale wie die Nordstadtblogger und die Ruhrbarone. Die Tatsache, dass ein Unternehmer Ziel der Angriffe von Neonazis war, stellte eine so vorher nie da gewesene Bedrohung dar und weckte deshalb sogar das Interesse von Mainstream-Medien.

Da es nun um die Belange des Unternehmers und die Frage der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Dortmund ging, kam es zu der absurden Situation, dass sogar ein Sat.1-Kamera-Team an die Türe des Black Pigeon klopfte, um uns beim Hämmern, Pinseln und Sägen zu filmen. Durch den hohen medialen Druck und die Forderungen von Lokalpolitiker*innen, am Mietvertrag festzuhalten, bekannte die Immobilienfirma öffentlich, „dass ein rechtsgültiger Mietvertrag vorliegt“. An dieser Stelle sei vor allem unseren Genoss*innen herzlich gedankt, die uns ihre Solidarität bekundet haben, die uns geholfen haben durch Ratschläge und Kontakte oder die einfach nur mit uns zusammen wütend waren und sich trotzdem nicht unterkriegen lassen wollen. Wir haben es zusammen geschafft, einer Kündigung entgegen zu wirken.

Nachdem die Neonazis mit ihren Aktionen gegen den Vermieter keinen Erfolg hatten, konzentrieren sich die Rechtsextremisten nun wieder auf den libertären Buchladen „Black Pigeon“.

Erneute Attacke

In der Nacht zum 16. März haben bisher unbekannte Täter erneut zwei Schaufenster eingeworfen. Die Nazis wollen so weiter Druck machen gegen ein „linksextremistisches“ Zentrum und so sicherstellen, dass der auf zwei Jahre befristete Mietvertrag nicht verlängert wird.

Die Ereignisse verdeutlichen einmal mehr die Dimensionen des „Nazi-Problems“ in Dortmund. Es ist wichtiger denn je, sich dem entschlossen entgegenzustellen. Das waren nicht die ersten und auch nicht die letzten Angriffe dieser Art. Wir können am besten etwas dagegen tun, in dem wir Orte schaffen, in denen wir heute schon ein Stückchen der Utopie von Morgen leben.

Gelungene Eröffnungsfeier

Am 18. März feierten wir die Eröffnung des anarchistischen Buch- und Kulturzentrums unter großem Besucherinteresse. Daran konnte auch ein Aufmarsch von 35 Nazis am Abend nichts ändern. Dagegen hatten sich mehr als 250 Antifas vor dem Laden formiert.

Für Stimmung sorgten ein veganes Buffet und ein buntes Kulturprogramm: Duo Fadenlos, Geigerzähler und „Rest in Risiko“. Der Liedermacher Christoph Holzhöfer sang zu Texten von Erich Mühsam. Dond & Daniel machten eine Lesung.

„Unter den Gästen der Eröffnung waren VertreterInnen aller Nordstadt-Fraktionen. Sie wollten damit – ebenso wie mit der von allen Fraktionen getragenen Resolution – ein klares Zeichen setzen. … in den vergangenen fast zwei Jahren war ‚Black Pigeon‘ Teil des Kreativkaufhauses ‚ConcordiArt‘. Dort hatten sie 16 Quadratmeter – das neue Ladenlokal ist um ein Vielfaches größer.“ (http://nordstadtblogger.de/43486)

Eure Ideen sind im anarchistischen Zentrum immer willkommen, denn die Welt kann sich mit unseren Träumen ändern!

Kontakt

Black Pigeon
Anarchistisches Buch- und Kulturzentrum
Scharnhorststr. 50
D-44147 Dortmund
www.blackpigeon.blogsport.eu