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„System Change, not Climate Change“

Warum die Braunkohle nur ein Symptom ist

| Janna Aljets

Wenn über Pfingsten viele mutige Menschen in der Lausitz die Tagebaue und deren Infrastruktur blockieren, geht es ihnen nicht allein um ein bisschen mehr Umweltschutz oder einen Umstieg auf erneuerbare Energien. Das breite Bündnis Ende Gelände besteht aus Umweltgruppen, Graswurzelinitiativen, Nichtregierungsorganisationen, Bürger*inneninitativen und linken Politgruppen und sie fordern neben dem sofortigen Kohleausstieg eine sozial-ökologische Wende.

Die Klimakrise ist nur eine von vielen

Die Aktivist*innen von Ende Gelände sind keine reinen Umweltaktivist*innen, sondern auch radikale Systemkritiker*innen. Sie haben erkannt, dass sich die aktuellen globalen Krisen nicht allein mit einem Fokus auf ein problematisches Symptom oder technischen Verbesserungen beheben lassen, sondern dass unsere Krisen miteinander verknüpft sind und deshalb die ursächlichen Probleme benannt werden müssen.

Die Braunkohle ist dabei nur ein Symptom für ein krankes System: Der Kohleabbau steht für gesellschaftliche Naturverhältnisse, in denen sich Menschen ohne Rücksicht auf Verluste Ressourcen aneignen. Die Braunkohleverstromung ist einer der umweltschädlichsten Industrien auf diesem Planeten. In Deutschland werden immer noch fast 25% des Stroms aus Braunkohleverbrennung hergestellt und es ist damit für den größten Ausstoß von CO2-Emissionen verantwortlich. Natur- und Kulturlandschaften werden irreversibel zerstört und ganze Ortschaften, in der Lausitz auch kulturelle Minderheiten, werden vertrieben. Dies alles wird mit der Absicherung von Arbeitsplätzen, einer günstigen Stromversorgung und dem Ziel des Wirtschaftswachstums verteidigt. Gerade der Wachstumszwang und die Fixierung auf ein nichtssagendes Bruttoinlandsprodukt offenbaren uneingelöste Versprechen von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit im kapitalistischen System.

Zudem ist kurzfristiges, profitorientiertes Denken und eine auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft auf einem begrenzten und bereits vom Klimawandel betroffenen Planeten nicht mehr haltbar. Dies zeigt sich sehr stark an den jetzt schon spürbaren Auswirkungen des Klimawandels weltweit, der auf anthropogene CO2-Emissionen zurückzuführen ist. Insofern ist auch der Klimawandel als Ausdruck dieser gesellschaftlichen Naturverhältnisse zu verstehen, die verändert werden müssen. Da die Nutzung von fossilen Energieträgern Basis der profitorientierten Wirtschaft ist, ist der Protest gegen die Braunkohle immer auch ein entscheidender Hebel für Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem.

Keine kleinen grünen Schritte, sondern systemische Sprünge

In den letzten Jahrzehnten haben sich ökologische Forderungen immer stärker auch in der Mainstream-Politik verfestigt, gerade Deutschland genießt international eine Vorbildfunktion für die Energiewende. Doch oftmals werden ökologische Forderungen nur im Rahmen von grüneren (z.B. Elektroautos) und teilweise noch nicht entwickelten Technologien (z.B. CO2-Speicherung) gedacht, während das grundsätzliche Problem des Wachstumszwangs und der Profitlogik unangetastet bleibt. Zudem besteht die Gefahr, dass kleine ökologische Verbesserungen, die innerhalb einer kapitalistischen Wachstumslogik verbleiben, tendenziell systemstabilisierend wirken.

Deshalb fordern die Aktivist*innen von Ende Gelände auch umfassende soziale und ökologische Veränderungen, die ein gerechtes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen ermöglichen. Denn solange unser Wirtschaftssystem Gewinne auf Kosten von natürlichen und humanen (hier sind z.B. feministische Analysen zu empfehlen) Ressourcen macht, müssen auch diese grundlegenden Strukturen kritisiert werden.

Dies erfordert natürlich auch einen grundsätzlichen Mentalitätswechsel, der an die Stelle von Konkurrenz, Profit und Ausbeutung eher Kooperation, Gemeinschaft und Solidarität setzt. Diese Werte zu leben, wird schon im Organisationsprozess von Ende Gelände versucht.

Radikale Aktionsformen für radikale Ansprüche

Dennoch kann es nicht der Anspruch einer Aktion des zivilen Ungehorsams sein, schon alle Lösungen für eine ökologisch und sozial gerechtere Gesellschaft zu präsentieren. Auch wir kennen nicht alle Antworten und suchen gemeinsam fragend nach Vorschlägen für einen radikalen Wandel. Klar ist aber, dass der Abbau von Braunkohle nicht mehr Teil einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Gesellschaft sein kann und sie nur Ausdruck eines Ungerechtigkeiten produzierenden Wirtschaftssystems ist.

Wir wissen aber, dass radikale, d.h. an den Wurzeln des Übels orientierte Forderungen radikale Aktionen erfordern. Das haben zum Beispiel die Castor-Blockaden gezeigt. Auch deshalb wählt Ende Gelände die Protestform von Blockaden mit vielen tausend Menschen, die sich mutig auch über legale Grenzen hinweg gegen die Braunkohle und damit auch für eine soziale und ökologische Transformation der Gesellschaft einsetzen.

Nur so lässt sich auch die große Anziehungskraft der Bewegung erklären. Wir erwarten zu Pfingsten über 2000 Menschen, die sich mutig nicht nur gegen die klimaschädliche Braunkohle, sondern auch gegen ein ausbeuterisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem stellen. Deshalb bleibt der Slogan „System Change, not Climate Change“ auch für Ende Gelände brandaktuell.

Janna Aljets