Liebe Leserinnen und Leser,
das Graswurzelrevolution-Redaktionsbüro befindet sich unter dem Dach der ESG. Im Hochsommer entstehen unterm Erker schon mal Temperaturen über 40 Grad, wenn sich die Sonnenstrahlen wie unter einer Lupe bündeln. So wie jetzt, am 28. August, während ich diese Zeilen schreibe, am Schreibtisch der graswurzelrevolutionären Redaktionssauna. Puh!
Während die GWR ihre alljährliche Sommerpause eingelegt hat, haben sich Ereignisse überschlagen. Der Krieg in Syrien wurde im August mit dem Einmarsch türkischer Truppen in die kurdischen Autonomiegebiete verschärft, in der Türkei scheiterte ein Militärputsch, es folgten ein „Gegenputsch“ und die „Säuberung“ (siehe nebenstehenden Kommentar). Dominierend war in den Medien die Berichterstattung über die Terroranschläge (siehe Seite 3ff.).
Die Themen auf unserer Agenda sind vielfältig. Eine einzelne GWR kann nicht alles, was uns wichtig ist, abdecken. In den nächsten Ausgaben werden wir vieles von dem, was diesmal nur angeschnitten wird, vertiefen. Auch die spannenden (zeitlosen) Artikel, die uns schon vorliegen, werden wir zu einem großen Teil noch veröffentlichen.
Resonanzen
Dem Platzmangel sind diesmal auch die LeserInnenbriefe zum Opfer gefallen. Sie erscheinen in der GWR 412.
Zuspruch haben wir u.a. auf den GWR 410-Schwerpunkt „80 Jahre Spanische Revolution“ erhalten. So schrieb Moritz Herbst zum „Spanien 36“-Interview: „Ein tolles, dichtes Interview, das mir Spaß macht, weiterhin radikal freiheitsliebend und links zu sein. Freue mich auf Teil 2. Vielleicht kommt es auch durch meine langjährige Begeisterung für die Spanische Revolution 36/37 (als ich das erste Mal als 14-Jähriger über die Pyrenäen nach Donostia kam, war ich sehr aufgeregt, ebenso als ich mit 18 in das für mich bedeutungsvoll-historisch aufgeladene Barcelona kam).“
Die Seite piqd.de schreibt unter dem Motto „handverlesenswert“ über sich: „Kuratoren aus Journalismus, Wissenschaft und Politik empfehlen und kommentieren die besten Inhalte im Netz. Erfahre, was sich zu lesen lohnt und warum.“
Dort zeigt Dirk Liesemer unter dem Titel „Spanischer Bürgerkrieg (4): Wie Werke von Orwell und Enzensberger zur Meinungsbildung beitragen“:
„Der Bürgerkrieg in Spanien wurde nicht nur wissenschaftlich erforscht, sondern auch literarisch-journalistisch aufgearbeitet: Zu den Klassikern zählen George Orwells Frontbericht Mein Katalonien‘ und Hans Magnus Enzensbergers Roman Der kurze Sommer der Anarchie‘. Darin heißt es: Die Geschichte ist eine Erfindung, zu der die Wirklichkeit ihre Materialien liefert. Aber sie ist keine beliebige Erfindung. Das Interesse, das sie erweckt, gründet auf den Interessen derer, die sie erzählen; und sie erlaubt es denen, die ihr zuhören, ihre eigenen Interessen, ebenso wie die ihrer Feinde, wiederzuerkennen und genauer zu bestimmen.‘
Die beiden Bücher werden noch immer gelesen. Und sie wurden gleich mehrfach in einem Interview angesprochen, das kürzlich in der anarchopazifistischen Zeitschrift Graswurzelrevolution‘ erschienen ist. Im Gespräch geht es allerdings nicht explizit um die beiden Werke, sondern um die allgemeinere Frage, welche Medien – Literatur, Journalismus, Zeitzeugenberichte – heute unsere Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg wachhalten. Man sollte sich beim Lesen übrigens nicht davon irritieren lassen, dass von einer Revolution und nicht von einem Bürgerkrieg die Rede ist. Anfangs herrschte bei vielen Spaniern tatsächlich die Hoffnung, dass eine (soziale) Revolution gelingen könnte.
Die Redaktion führte das Gespräch mit fünf Mitgliedern eines autonom-anarchistischen Kollektivs, genauer: mit dem Münsteraner Infoladen Bankrott. Dass die Mitglieder keine Rolle in der großen Politik spielen und auch ansonsten nicht weiter bekannt sind, halte ich für nebensächlich.
Vielmehr ist das Interview ein bemerkenswertes Beispiel dafür, dass Literatur (und journalistische Arbeiten) auch Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen noch zur politisch-gesellschaftlichen Meinungsbildung beitragen können.“ (1)
GWR 411
Auf Seite 20 f. könnt Ihr den zweiten Teil des „Spanien 36“-Interviews finden, eingebettet in einen Anarchismus-Schwerpunkt, der von einem Bericht vom Anarchistischen Sommercamp 2016 (S. 16), über eine Auseinandersetzung mit den „Thesen zum Anarchismus“ der Alpine Anarchist Productions (S. 17) bis zum Interview mit unserem Griechenland-Korrespondenten reicht.
Im Gespräch mit Ralf Dreis (S. 1, 18 f.) wird auch die, nach dem Brexit (S. 24), vielleicht zweitbekloppteste Entscheidung des Jahres ;-) diskutiert: die vom FAU-Pfingstkongress beschlossene Einstellung der anarchosyndikalistischen DA als Printmedium. Mit der DA ist nach dem Schwarzen Faden (1980-2004) nun auch das zweite der „drei Großen“, also der überregionalen und über die eigene Szene hinauswirkenden Organe des Anarchismus verschwunden. Nach der seit 1972 erscheinenden Graswurzelrevolution war die DA die zweitlanglebigste anarchistische Zeitschrift der deutschen Geschichte. Sie sorgte dafür, dass die FAU als kleine Gewerkschaftsinitiative über die eigenen Gruppen hinaus Gehör fand. Es ist zu hoffen, dass die FAU ihre Entscheidung revidiert und so die DA von den Toten aufersteht.
Mut macht der Bericht über die Freie Schule Wendland (S. 15). Ein Schwerpunkt dieser GWR lässt sich unter dem Motto „Die Waffen nieder!“ zusammenfassen. Thematisiert wird außerdem der kreative Widerstand in Indonesien, die Repression in Ungarn, Leiharbeit, Cyborgs, Anti-Atom,…
CETA und TTIP
Die Themen CETA und TTIP wurden in der GWR schon ausgiebig behandelt. Wir empfehlen Euch einen Blick in die entsprechenden Ausgaben und freuen uns, wenn wir Euch am 17. September auf einer der „Stop TTIP/CETA“-Demos in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Leipzig, Stuttgart oder Nürnberg treffen (2).
Vielleicht möchtet Ihr dort die GWR im Handverkauf unter die Leute bringen? GWR-WiederverkäuferInnen bekommen Rabatte, unterstützen den Kampf für eine gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft und gehen dabei kein finanzielles Risiko ein (siehe Aboschnipsel: Seite 24).
Viel Spaß beim Lesen, Anarchie und Glück,
(1) https://www.piqd.de/zeitgeschichte/spanischer-burgerkrieg-4-wie-werke-von-orwell-und-enzensberger-zur-meinungsbildung-beitragen
(2) Siehe: www.ttip-demo.de
Termin
29.9., 19 Uhr, Robert-Havemann-Saal, Haus der Demokratie & Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, Berlin: "Menschenrechte aktuell". Pazifismus & Menschenrechte - Beispiele für antimilitaristisches Handeln. Mit Gernot Lennert (DFG-VK) und Wolfram Beyer (IdK). Infos: www.ilmr.de