Im September 2016 war die inhaftierte WikiLeaks-Informantin Chelsea Manning aus Protest gegen die Haftumstände und die Verweigerung von Medikamenten, die sie als Transgender benötigt, in den Hungerstreik getreten. Sie werde keine Nahrung zu sich nehmen, bis sie "ein Minimum an Würde, Respekt und Menschlichkeit" erfahre und die "konstante, bewusste und übereifrige Überprüfung durch das Gefängnis- und Militärpersonal" ende. Am 13. September beendete sie ihren fünftägigen Hungerstreik, nachdem ihr das US-Militär zugesagt hat, Manning als Transgender einen operativen Eingriff zur Geschlechtsumwandlung zu ermöglichen. (GWR-Red.)
In den letzten Monaten war es um die US-Whistleblowerin Chelsea Manning ruhig geworden. Die IT-Spezialistin war wegen Spionage und Verrat von Militärgeheimnissen zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt worden, weil sie Dokumente und Videos an die Plattform Wikileaks geschickt hatte, die Kriegsverbrechen von US-Militärs während ihres Kriegseinsatzes im Irak dokumentieren. Doch seit einigen Wochen wächst weltweit die Angst um Mannings Leben, die als Transgender ihre Haftstrafe in dem Militärgefängnis für Männer Fort Leavenworth verbüßen muss. Dort verübte Manning in den Morgenstunden des 6. Juli 2016 einen Suizidversuch. Entsprechende Gerüchte wurden von ihren Anwälten mittlerweile bestätigt.
„Ich bin okay. Ich bin froh, am Leben zu sein. Vielen Dank für Eure Liebe. Ich komme da durch“, ließ Manning über Twitter ihren Unterstützer_innen mitteilen. Doch nach ihrem Suizidversuch drohen der Whistleblowerin nun neue Anklagen. Manning werden bedrohliches Verhalten, der Besitz verbotener Gegenstände und der Widerstand gegen Gefängnispersonal vorgeworfen. Kommt es zu einer Verurteilung, befürchtet die US-Menschenrechtsorganisation (ACLU) die unbefristete Einzelhaft, die Wiedereinstufung auf die höchste Sicherheitsstufe sowie neun zusätzliche Haftjahre ohne die Möglichkeit der Haftaussetzung. Solidaritätsgruppen warnen, dass solche Restriktionen das Leben der psychisch angeschlagenen Gefangenen gefährden könnten.
Mit einer Petition wollen die Unterstützergruppen die Öffentlichkeit gegen die erschwerten Haftbedingungen von Manning aufrütteln. „Chelsea braucht unsere Solidarität“, lautet ihr Motto.
Das Interesse ist zumindest in Deutschland nach ihrer Verurteilung zurückgegangen. Der Wikipedia-Eintrag zu Manning wurde seit 2014 nicht mehr aktualisiert. Doch nach ihren Suizidversuch hat der Chaos Computer Club (CCC), deren Ehrenmitglied Manning ist, ihre Begnadigung gefordert: „Die unmenschlichen Haftbedingungen haben Chelsea Manning an den Rand des Selbstmords getrieben. Als Strafe für ihren Versuch sollen diese nun noch verschärft werden“, kritisiert der CCC die US-Behörden. Mannings Haftbedingungen wurden schon 2012 vom UN-Berichterstatter als Folter kritisiert.
Nicht auf eine mögliche Begnadigung durch den Präsidenten verlassen
Der CCC fordert, wie andere Solidaritätsgruppen in aller Welt, dass der scheidende US-Präsident Barack Obama Manning begnadigt und so den grausamen Bedingungen ein Ende bereitet. „Das wäre endlich das langersehnte Zeichen für Whistleblower, auf das viele hoffen“, heißt es in der Erklärung.
Doch Solidaritätsgruppen in den USA warnen vor Illusionen in einen Gnadenakt von Obama. Sie verweisen darauf, dass es bisher nicht gelungen ist, den nach einem juristisch äußert fragwürdigen Indizienpross, der von massiver politischer Hetze begleitet war, zu einer lebenslänglichen Haft verurteilten Aktivisten des American Indian Movement Leonard Peltier freizubekommen. Nachdem Peltier vor mehr als einem Jahrzehnt schwer erkrankte, konzentrierten sich die Hoffnungen vieler seiner Unterstützer_innen auf eine Begnadigung durch Präsident Clinton. Doch die war ausgeblieben. Peltiers kritischem Gesundheitszustand zum Trotz, ist es nicht gelungen, die außerparlamentarische Kampagne für seine Freilassung wieder mit mehr Elan zu forcieren.
Deshalb wollen sich viele Unterstützer_innen von Manning verstärkt darauf konzentrieren, die Solidaritätsbewegung für ihre Freilassung sowohl in ihren eigenen Ländern als auch auf transnationaler Ebene zu stärken. Nur so könne der nötige Druck erzeugt werden, damit zunächst Mannings Haftbedingungen nicht noch weiter verschärft werden und der Druck für ihre Freilassung wächst.
Manning did the right thing
Dabei ist wichtig, Chelsea Manning nicht in erster Linie als Opfer, sondern als eine Aktivistin zu sehen, die durch die Veröffentlichung von Dokumenten geheim gehaltene Kriegsverbrechen im Irak bekannt gemacht hat. In Zeiten, in denen die Herrschenden aller Länder, auch in Deutschland, Kriege nicht nur wieder planen, sondern auch in ihr politisches Kalkül einbeziehen, solle Manning als ein Beispiel für einen Widerstand im Herzen der Kriegsmaschinerie gelten. Daher sollte neben ihrer Freilassung immer auch das Lob ihrer Aktionen im Mittelpunkt stehen. Die Parole „Manning did the right thing“ sollte auf keiner Antikriegsaktion fehlen.