Kommentar
„Amerika setzt erstmals die ‚Mutter aller Bomben‘ ein“, titelte die FAZ am 13. April 2017. Tatsächlich hat das US-Militär die größte nichtatomare Bombe über dem – von der Bundesregierung zum „sicheren Herkunftsland“ verklärten – Afghanistan abwerfen lassen. „Der mehr als zehn Tonnen schwere Sprengkörper traf nach Pentagon-Angaben einen Tunnelkomplex des ‚Islamischen Staats‘ in Afghanistan“, hieß es in der FAZ. Die Zeitung, hinter der schon immer ein deutsch-US-amerikanischer Sprengkopf steckte, stellte nicht einmal die Frage nach den Opfern. Dass in einem Tunnelkomplex des IS niemand ein Überlebensrecht hat, scheint für diese Kriegsberichterstatter_innen selbstverständlich zu sein. Gefangene werden nicht gemacht, wer zur falschen Zeit am falschen Ort war, hat Pech gehabt. Schließlich ist ja der Bundeswehroberst Klein nicht bestraft, sondern zum General befördert worden, obwohl er für den Tod von 140 Menschen in Afghanistan verantwortlich ist, die Benzin aus einem manövrierunfähigen Tankwagen abgezapft hatten. Die Drohnen, deren Einsatz unter Obama gestiegen ist, löschten ganze Familien aus. Das waren „Kollateralschäden“ und die Welt wollte es nicht so genau wissen.
Trump übertrumpft seinen Vorgänger nun an Militarismus. Schon eine Woche nach seiner Inauguration am 28./29. Januar starben bei einem Angriff von US-Spezialkräften im Jemen mindestens 30 Zivilist_innen. Bei der Bombardierung von Mossul sollen Menschen in dreistelliger Höhe umgekommen sein. Am 18. März starben im Norden Syriens etwa 40 Menschen in einer bombardierten Moschee. Am 20. März töteten Bomben der US-geführten Kriegskoalition, die seit 2014 in Syrien angeblich gegen den IS kämpft, mindestens 33 Menschen, die in einer Schule Zuflucht gesucht hatten. Die Zielkoordinaten hatte wohl die Bundeswehr geliefert. Es gab wenige Berichte darüber und dann war das Thema erledigt. Eine kritische Öffentlichkeit, die Aufklärung über die Verbrechen verlangt, an denen auch die Bundeswehr beteiligt war, fehlt hier. Vom Unbehagen gegen Trump in den Medien sollten wir uns nicht täuschen lassen. Denn ein großer Teil dieser Trump-Kritiker_innen befürchtet, dass unter der neuen Administration die NATO und die Feindschaft zu Russland womöglich nicht mehr oberste Priorität haben könnten. Ein mittlerweile zurück genommenes Trump-Zitat, in dem die NATO für obsolet erklärt wurde, sorgte bis in den Bundesvorstand der Grünen und der taz-Redaktion für Aufregung. Dabei blieb ein Aspekt unterbelichtet.
Lange bevor das Trump-Zitat für Furore sorgte, gab es auch in Deutschland eine antimilitaristische Bewegung, die die NATO für überflüssig erklärte. Sogar in den Programmen der Grünen der 1980er Jahre war die Forderung nach Auflösung der NATO enthalten. Linke Sozialdemokrat_innen und Gewerkschafter_innen argumentierten ähnlich und verwiesen auf die zu hohen Militärausgaben. Diese Forderungen waren am stärksten, als es noch einen Warschauer Pakt gab. Man forderte damals, dass sich die beiden Militärblöcke auflösen sollen, um die Gefahr von Kriegen zu minimieren.
Heute will kaum jemand daran erinnert werden. Besonders die Grünen hyperventilierten, als Trump sich kritisch zur NATO äußerte. Sie waren mit die ersten, die nach der Trump-Wahl forderten, dass nun die von Deutschland dominierte EU die Speerspitze der neuen NATO sein müsste.
In der Linkspartei gibt es zumindest in der Programmatik noch die Beschlüsse gegen die NATO. Wie schnell sie aber bei einer möglichen rot-rot-grünen Koalition der Regierungslogik geopfert werden, wird zu beobachten sein. In der BRD darf nur Mitregieren, wer sich zu EU und NATO bekennt, nicht unbedingt auch zur USA.
Je mehr Trump deutlich machte, dass zu seinem „Make America great again“ der Einsatz von Bomben gehört, desto mehr machen die NATO-Freund_innen aller Parteien mit ihm ihren Frieden. Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg war voll des Lobes für den Militärpräsidenten, der die NATO nun nicht mehr für obsolet erklärt. In den USA haben die Militarist_innen aller Parteien aufgeatmet, als klar wurde, dass Trump keine neutralistische Politik betreiben würde. Und in Deutschland ist eine ganz große Koalition von Union bis zu den Grünen zufrieden mit Trump, der nicht nur Drohnen, sondern auch ganz große Bomben zum Einsatz bringen lässt. Der Präsident, den viele noch vor Monaten als Gefahr erkannten, wird jetzt von diesen Politiker_innen gelobt, weil er sich als Militarist erweist. Rassismus und Sexismus in Trumps Ideologie spielen in dem Augenblick keine große Rolle mehr, in dem er sich als Oberkommandierender der „Freien Welt“ geriert, zu der sich auch eine ganz große Koalition in Deutschland zählt.
Antimilitarist_innen hingegen treten an, um den Mythos dieser „Freien Welt“ zu zerstören. Zu ihr gehören Kriege, Putsche und die Niederschlagung von emanzipatorischen Bewegungen. Der Vietnamkrieg wurde ebenfalls zur Verteidigung dieser vermeintlich „Freien Welt“ geführt, die für schrankenlose Durchsetzung des Kapitalismus steht. Antimilitarist_innen in Deutschland werden gerne auf die Zustimmung all jener Kräfte von Bildbis taz verzichten können, die sich in den letzten Monaten über Trump echauffierten und dabei vor allem an die deutschen Interessen dachten. Die aber sollte eine antimilitaristische Bewegung in Deutschland an erster Stelle angreifen. Dabei gilt es, sich dem Schulterschluss mit einer deutschen Politik zu verweigern, die mit dem Finger auf Trump und die USA zeigt, um sich umso nachdrücklicher als neue Führungsmacht anzupreisen. Eine außerparlamentarische Bewegung, die dagegen nicht eindeutig Stellung bezieht, wäre nur eine Hilfskraft für den deutschen Imperialismus.
Peter Nowak