Der RWE-Konzern trägt mit der Förderung von Braunkohle im Rheinland und seinen Kohlenkraftwerken zum Klimawandel in erheblichem Maße bei. Ganze Wälder und Dörfer verschwinden unter den Rädern seiner Bagger. Der Konzern ist außerdem an URENCO, der Betreiberfirma der Urananreicherungsanlage Gronau beteiligt. Die Anlage sorgte jüngst für Schlagzeilen, weil sie angereichertes Uran an die USA liefert, das möglicherweise in Atomsprengköpfe verwendet wird (1). Für 6,8 Milliarden Euro, die er in den Atommüllfond einzahlt, stiehlt sich der Konzern, mit Unterstützung williger Politiker*innen, aus seiner Verantwortung für den eine Million Jahre lang strahlenden Atommüll (siehe GWR 415). Gewinne privatisieren, Risiken und Kosten vergesellschaften, das ist das Modell des RWE-Konzerns. Mit der Gründung der Unternehmens-Tochter Innogy versucht RWE, sich mit dem Etikett erneuerbare Energien einen grünen Anstrich zu geben, seine fossil-atomaren Geschäfte auf Kosten von Klima, Umwelt und Menschenrechten setzt er aber munter fort. Wer dagegen protestiert wird niedergeschlagen, kriminalisiert und mit zivilrechtlichen Forderungen überhäuft. Und dies mit dem Segen des staatlichen Apparates.
RWE und Polizei arbeiten Hand in Hand
Spätestens seit dem gemeinsamen Einsatz von RWE-Sicherheitsdienst und Polizei gegen Aktivist*innen von „Ende Gelände“ im Braunkohletagebau Garzweiler 2015 ist die enge Zusammenarbeit zwischen dem Konzern und der Polizei kein Geheimnis mehr. Wenn es darum geht, unliebsamen Protest gegen den Energiegiganten zu unterbinden, arbeiten RWE und Polizei Hand in Hand.
Nach WDR-Recherchen stellte der Konzern 2015 beispielsweise der Polizei 4.135,93 Euro in Rechnung, für die Nutzung von zehn Geländefahrzeugen und vier Mannschaftstransportwagen samt Personal. Mit diesen Fahrzeugen gingen RWE-Mitarbeiter*innen und Polizei gegen Aktivist*innen von Ende Gelände bei den Massenaktionen des zivilen Ungehorsams im Tagebau von Garzweiler vor. (2) Berichten zu Folge gingen die RWE-Mitarbeiter*innen mit Gewalt gegen die Umweltaktivist*innen vor, einige schlugen mit Metallstangen auf sie ein. (3) Der
Konzern stellte zudem Strafanträge wegen Hausfriedensbruch gegen Demonstrant*innen, um so ihre Unterschrift für eine Unterlassungserklärung zu erzwingen, in der diese sich verpflichten, Liegenschaften, Tagebauen und Wälder im Einflussbereich des Konzerns nicht mehr zu betreten. (4) Wer auf die zivilrechtliche Forderung des Konzerns nicht regiert, wird strafrechtlich verfolgt – so die Drohung. Auch wenn sich inzwischen herausgestellt hat, dass der Tagebau Garzweiler nicht unter dem Schutzzweck des Hausfriedensbruchparagrafen steht, weil dieser nicht eingefriedet ist. (5)
Auch die Stadt Essen ist in RWE-Hand
In Essen sieht es ähnlich wie im Rheinland aus: die Stadt ist de facto in RWE-Hand. Die Polizei verhält sich als käme der Einsatzbefehl direkt aus der RWE-Zentrale, wenn es um die Unterbindung von unliebsamen Protest gegen den Konzern geht. Diese Erfahrung müssen Aktivist*innen, die anlässlich der Hauptversammlung des Konzerns in der Stadt Aktionen durchführen wollen, immer wieder machen. Ein vorläufiger Höhepunkt wurde am 27. April 2017 erreicht. RWE und Polizei hatten sich abgesprochen und waren fest entschlossen jegliche Protestaktion am RWE-Sitz zu unterbinden. Eine Versammlung wurde mit vereinter Gewalt von RWE-Sicherheitsdienst und Polizei gesprengt. Selbst das einfache Hochhalten von Transparenten wurde nicht länger geduldet. Die Demonstrant*innen wurden verhaftet und einige von ihnen verletzt.
Aufklärung und gute Vorbereitung bieten keinen Schutz gegen Willkür
Die Demonstrant*innen hatten sich gut vorbereitet. Sie erklärten unmissverständlich, demonstrieren zu wollen und übergaben dem Sicherheitsdienst und der Polizei einen Zettel mit rechtlichen Hinweisen und Auszügen aus Gerichtsurteilen (6), die zum einen die Bedeutung von Artikel 8 GG (Versammlungsfreiheit) unterstrichen und zum anderen das rechtswidrige Vorgehen der Polizei gegen Demonstrationen am RWE-Sitz in den vergangenen Jahren belegten. Die Polizei hatte in den Jahren zuvor ihr Vorgehen gegen Demonstrant*innen an gleicher Stelle mit dem Verdacht des Hausfriedensbruchs begründet. Sie hatte vor zwei Jahren mit Unterstützung der Feuerwehr die Transparente, die Kletteraktivist*innen aufgehängt hatten, abgeschnitten, um öffentlichkeitswirksamen Protest zu unterbinden. Im vergangen Jahr wurden die Protestierenden an gleicher Stelle am Demonstrieren gehindert, verhaftet und acht Stunden im Polizeikeller weggesperrt. Diese Ingewahrsamnahme wurde später durch das Landgericht für rechtswidrig erklärt, mit der Begründung, der Gewahrsam sei unrechtmäßig gewesen, da keine Straftat begangen wurde und auch nicht zu erwarten gewesen sei, dass Straftaten begangen werden. Die Staatsanwaltschaft stellte die eingeleiteten Verfahren ein, mit der Begründung, es sei keine Straftat an einem öffentlich zugänglichen Ort (der Gehsteig vor dem Konzernsitz) zu demonstrieren. Es half aber nichts. Der RWE-Sicherheitsdienst der Firma SDL stürtzte sich auf die Demonstrant*innen. Die Polizei eilte nach wenigen Minuten zur Hilfe.
Kein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, wenn RWE den Ton angibt
Eine Demonstrantin, die in der Absicht eine sich auf dem Gehsteig befindliche Säule des Vordachs des RWE-Gebäudes zu beklettern, um dort ein Banner aufzuhängen, war auf eine Leiter geklettert. Sie wurde aus ca. 2 Meter Höhe herunter gezerrt und dabei verletzt. Statt erste Hilfe zu leisten, zerrte die Polizei weiter an ihr herum, verletzte sie mit einem kräftigem Beugegriff am linken Handgelenk und fesselte sie – trotz der Tatsache, dass sie Bandagen trug und des Hinweises, sie habe Rheuma in den Handgelenken und könne diese deshalb nicht biegen. Die Aktivistin schrie und zuckte vor Schmerz, die Handschellen wurden ihr erst nach heftigem Protest der umstehenden Demonstrant*innen nach gut 10 Minuten abgenommen. Von ihren Schmerzen konnte sie sich auch dann nicht erholen. Erste Hilfe wurde ihr weiterhin verweigert. Unter Androhung erneuter Verletzung am Handgelenk wurde sie gezwungen zum Streifenwagen mit zu laufen – obwohl die Polizei inzwischen ihren Schwerbehindertenausweis in der Hand hielt. Durch die Zwangsanwendung durch die Polizei gingen sogar eine ihrer Gehstützen zu Bruch.
„Sie haben hier keine Rechte“, bekam sie im Polizeiwagen zu hören. Grundrechte wurden später von einem Kollegen der Kripo als „Scheiße“ bezeichnet. Außerdem solle sich die Aktivistin von Demonstrationen fern halten, wenn sie schwerbehindert sei und nicht verletzt werden wolle. Die anderen Demonstrationsteilnehmer*innen wurden ebenfalls festgenommen.
Willkür ohne Ende
Die verletze Demonstrantin wurde in eine Zelle gesperrt, Sanitäter trafen erst eine Stunde später ein. Erst zu diesem Zeitpunk erhielt sie ein Kühlpack zur Linderung ihrer Schmerzen. Das war’s dann aber auch. Die Polizei ignorierte drei Stunden lang ihre Rufe und schaltete den Rufknopf aus, sie wurde nicht einmal zur Toilette gelassen, so dass sie in der Zelle mehrfach urinieren musste.
Es folgte eine richterliche Vorführung. Die Polizei erklärte, die Aktivistin würde nur Theater spielen und vortäuschen, darum müsse sie länger festgehalten werden. Dem folgte der Bereitschaftsrichter nicht, er ordnete ihre sofortige Freilassung an. Daran hielt sich die Polizei wiederum nicht. Mit dem Vorwand der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen, hielt sie die Aktivistin weiter fest. Die Maßnahme musste schließlich nach einer großen Anzahl an Grimassen abgebrochen werden.
Draußen wurde sie von ihren Mitdemonstrant*innen empfangen, die ein paar Stunden früher freigelassen worden waren. Die Vermutung liegt nahe, dass die Aktivistin deshalb länger festgehalten wurde, weil die Polizei die Zeit nutzen wollte, Gründe für ihre Gewalt, herbei zu fantasieren. Dies wird möglicherweise Gegenstand von künftigen Prozessen sein. Die Aktivistin freute sich über den warmherzigen Empfang. Die Aktivist*innen hatten die Polizei mit einem Transparent und lustigen Kreidesprüchen gegen Polizeigewalt auf Trab gehalten. Sie konnte ihre physischen Schmerzen endlich lindern. Die seelischen Spuren, die Polizeigewalt hinterlässt, sind dagegen schwieriger zu heilen. Darum ist gegenseitige Unterstürzung wichtig. Sowohl während der Aktionen als auch danach und bei Prozessen.
Protest geht weiter
So unterschiedlich können Protestaktionen verlaufen. Als Aktivist*innen zwei Wochen später in Karlsruhe eine vergleichbare Aktion wie sie sie in Essen vorhatten, durchführten, lief diese sehr entspannt. Anlass war die Jahreshauptversammlung der EnBW und die anstehenden Castortransporte auf dem Neckar (7).
Der Konzern setzt im Gegenzug zu RWE auf Image und Kommunikation. Zu den anstehenden Transporten hat der Konzern eine Homepage mit Informationen für die Öffentlichkeit aufgesetzt. Darum wundert es nicht, wenn der Konzern Aktivist*innen, die ihm aufs Dach steigen, mit Kaffee empfängt. Das ist eine kluge Einlullungstrategie. Auch todbringende Atomgeschäfte können süßlich schmecken. Das soll Sicherheit vortäuschen. Castortransporte sind – auch auf dem Neckar – alles andere als sicher und schon gar keine Lösung zum Atommüllproblem. Die sinnlose Verschiebung von Atommüll ist erst recht ein gefährliches Geschäft.
Der Protest geht weiter, sowohl gegen die Castoren als auch gegen die Kohlekraft. Er lässt sich nicht verbieten. Vom 24. bis zum 29. August stehen die nächsten Aktionstage gegen die todbringenden Kohlegeschäften von RWE im Rheinland an. (8)
Eichhörnchen
(1) Siehe: https://www.tagesschau.de/ausland/uran-usa-deutschland-101.html
(2) Siehe: www1.wdr.de/archiv/braunkohle/polizei-rwe-garzweiler-104.html
(3) Siehe: www.aachener-zeitung.de/lokales/region/ende-gelaende-diskussionen-ueber-den-einsatz-im-tagebau-1.1160614
(4) Siehe: https://untenlassen.org/
(5) Siehe: http://antirrr.blogsport.de/2017/05/13/freispruch-keine-umfriedung-des-tagebaus/
(6) Siehe: http://blog.eichhoernchen.fr/public/Bilder-Aktionen/rwe/2017/Belehrung_Polizei.pdf
Aus dem Schreiben: „Sehr geehrte Damen und Herren, diese Aktion ist eine gewaltfreie Demonstration. Wir bringen Transparente an, um unsere Kritik an der klimaschädlichen Politik des RWE-Konzerns öffentlich wahrnehmbar zum Ausdruck zu bringen. Die Demonstration dauert nur wenige Stunden an, nach Abschluss dieser Aktion nehmen die KletterInnen ihre Banner wieder mit. Die KletterInnen sind professionell ausgebildet. Ihre MitdemonstrantInnen am Boden sorgen für ihre Sicherheit mit. Diese Versammlung steht unter dem Schutz von Art. 8 und 5 des Grundgesetzes und muss sowohl vom RWE-Konzern als auch von der Polizei geduldet werden. Klettern und das Aufhängen von Bannern sind versammlungsimmanente Handlungen – sie gehören zu einer Versammlung dazu. Der Aktionsort ist öffentlich zugänglich und fällt daher nicht unter dem Schutzzweck von § 123 StGB.“
(7) Siehe: https://www.neckar-castorfrei.de/
(8) Siehe: https://www.ende-gelaende.org/de/aufruf/