Die Aktionstage vom 24. bis 29. August 2017 im Rheinischen Braunkohle-Revier gegen den größten Klima-Killer Europas, den Energie-Riesen RWE, waren ein Riesen-Erfolg. Insgesamt etwa 6.000 Menschen aus verschiedenen Gruppierungen, von „Ende Gelände“, „Zucker im Tank“, „Kohle erSetzen“ bis „Rote Linie“ und anderen, haben mit dezentralen Aktionen das Thema des „Sofortigen Ausstiegs aus der Braunkohle“ unüberhörbar in die öffentliche Diskussion gebracht.
Die Aktivist*innen haben sich dabei in der Außendarstellung solidarisch aufeinander bezogen und auch in den Aktionen klug aufeinander abgestimmt. Alle Aktionen waren sehr gut vorbereitet, auch durch Aktions-Trainings, Bezugsgruppen-Bildung usw. Es ist gelungen, ein „Flächenkonzept“ zu realisieren und jegliche Spaltung zu vermeiden. Da ich das Aktions-Mobil des Bündnisses gegen Braunkohle (eine alte Feuerwehr) an diesen Tagen fuhr, konnte ich verschiedene Aktionen persönlich miterleben. Euphorie und Entschlossenheit kennzeichneten überwiegend die Stimmung der vielen Teilnehmenden, während und nach der/n verschiedenen Aktionen.
Einige Blitzlichter:
„Ende Gelände“
Diese Massenaktionsform mit 2.500 bis 3.000 Teilnehmenden blockierte an mehreren Tagen mit direkten Aktionen des Zivilen Ungehorsams an verschiedenen Orten die Infrastruktur der zerstörerischen Braunkohle-Industrie.Eine Gruppe schaffte es, den Tagebau Garzweiler zu betreten. Mit Sitzblockaden verschiedener „Finger“ auf Gleisen der Kohle-Bahnen, die zwischen den Tagebauen und Kraftwerken fahren, gelang es sowohl am 25. als auch am 26.August, eins der klimaschädlichsten Kraftwerke Europas zu einer Drosselung seiner Leistung zu veranlassen. „Wir haben das Kraftwerk Neurath neun Stunden lang von der Kohle-Versorgung abgeschnitten und damit ein Zeichen für weltweite Klimagerechtigkeit gesetzt“, so Insa Vries von Ende Gelände.
„Zucker im Tank“
Am ersten Aktionstag besetzten 13 AktivistInnen von der Kleingruppen-Aktion „Zucker im Tank“ im Tagebau Inden einen der 100 Meter hohen Braunkohlebagger, der daraufhin aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden musste. Bereits vor dem Morgengrauen des 26. August besetzten acht Aktivist*innen der gleichen Gruppe Gleise der Hambachbahn, mit der RWE den Nachschub vom Tagebau Hambach zu den Kraftwerken sichert: Unterstützt von weiteren AktivistInnen ketteten sich zwei Menschen zwischen Oberaußem und Paffendorf an ein im Gleisbett liegendes Betonfass.
„Kohle erSetzen“
Das waren vier mehrstündige Sitzblockaden von 150 bis 200 Menschen am 26. August im öffentlichem Raum auf den verschiedenen Zufahrtstrassen vor dem Kraftwerk Neurath. Es war einerseits ein viel Schutz bietendes Angebot von JunepA für junge Menschen und „Neueinsteiger*innen in direkte gewaltfreie Aktionen. Andererseits passend für erfahrenere Aktivist*innen, die z.B. eine Unterlassungserklärung unterschrieben hatten und von daher nicht mehr das Privatgelände von RWE betreten wollten und schließlich eine stimmige Aktionsform für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.
„Rote Linie“
Rund 3.000 Menschen beteiligten sich am 26. August an der Aktion „Rote Linie gegen Kohle – Klima schützen! Wald retten! Bagger stoppen!“ (siehe dazu den Artikel von Margareta Muer in dieser GWR).
Zur Berichterstattung in den Mainstream-Medien
Über das Klimacamp 2017 und die Aktionstage vom 24. bis zum 29. August wurde in den meisten Medien umfangreich berichtet – in vielen deutschen Zeitungen behandelte der Leitartikel am 28. August das Thema. So titelte beispielsweise der Kölner Stadtanzeiger: „Blockaden und Besetzungen – BRAUNKOHLE Protest verlief weitgehend friedlich – 6000 Demonstranten und 1000 Polizisten“.
Auch die Tagesschau berichtete mehrfach. Insofern existiert neben den vielen eigenen Filmen von www.graswurzel.tv und anderen Aktivist*innen eine Vielzahl von bewegten Bildern der Aktionen. Nach der aufheizenden und teilweise verhetzenden Vorberichtserstattung in vielen Mainstream-Medien wurde häufig eher wohlwollend und manchmal fast schon wertschätzend berichtet.
Diese überwiegend positive Berichterstattung allein betrachtet, wird von vielen schon als großer Erfolg bewertet. Andere sahen darin eher einen Hinweis auf eine Kanalisierung der Proteste und Aktionen in für RWE teilweise ungefährliche Bahnen. Eine geschickt zwischen RWE, deren Unterstützer*innen, wie u.a. der NRW-Landesregierung, der Gewerkschaftsführung der IGBCE und der Polizei abgestimmte sogenannte Deeskalations-Strategie könnte diese Kanalisierung mitbewirkt haben.
Ich hatte den Eindruck, dass in den meisten Medien nach den Aktionstagen keine Aufteilung in „gute“ und „böse“ Aktivist*innen stattfand, sondern eher ein Bild von doch insgesamt friedlichem Protest. Wenn von den Herrschenden bzw. staatlicherseits von friedlichem Protest gesprochen wird, kann dies für mich darauf hinweisen, dass die Aktionen (noch) nicht wirklich gefährlich waren für die Herrschenden. Auf Seite 2 des Kölner Stadtanzeigers vom 28. August stand auch passend als Überschrift: „Polizei blockt Blockierer früh ab.“
Polizei-Gewalt
Fast ausschließlich in den Filmaufnahmen der Aktivist*innen selbst wird die doch umfangreiche Polizei-Gewalt gezeigt. Von allen Aktivist*innen ging keinerlei Gewalt aus, der gewaltfreie Aktionskonsens von Ende Gelände (siehe GWR 421) wurde eingehalten. Menschen, die friedlich zu einer angemeldeten Mahnwache gingen, wurden mit Pfefferspray-Einsatz und Kesselung aufgehalten. Ebenfalls brutal wurden die Räumungen von manchen Polizisten durchgeführt. Etwa eintausend Menschen wurden in Gewahrsam genommen, eindrucks- und wirkungsvoll war die häufige kollektive Verweigerung, die Personalien anzugeben.
Einladung zur Diskussion
Über folgende Fragestellungen möchte ich eine Diskussion anregen:
- Welche Bedeutung hat der Widerstand in den Braunkohle-Revieren für GraswurzelrevolutionärInnen mit dem Ziel einer herrschaftsfreien und gewaltfreien Gesellschaft?
- Gibt es Impulse aus diesem Widerstand für die praktische und theoretische Weiterentwicklung Direkter Gewaltfreier Aktionen bezogen auf andere gesellschaftliche Konflikt-Felder?
Ich bin gespannt auf eure Beiträge.
Im November gehen die Proteste und Aktionen weiter.
Anmerkungen
PROTEST / AKTIONS - Kalender anlässlich der COP 23 im November 2017:
Jugendkonferenz zum Klimaschutz www.coy13.org
Beim People‘s Climate Summit vom 3.-7. November werden Alternativen zur herrschenden Klimapolitik und Wege zu ihrer Durchsetzung beraten. https://pcs2017.org/de/aufruf/
Auf der Demonstration „Klima schützen – Kohle stoppen!“ am 4. November – getragen von Organsisationen wie BUND, WWF, Greenpeace, campact – wird sich Attac u.a. mit einem „SYSTEME-CHANGE“-Block und weitergehenden Forderungen beteiligen. www.klima-kohle-demo.de/
Für den 5. November ruft das Aktionsbündnis Ende Gelände mit Attac u.a. zu einer Massenaktion zivilen Ungehorsams im Rheinischen Braunkohlerevier auf. Mehr dazu auf: www.ende-gelaende.org/de
Für den 11.11. um 11.11 Uhr ruft das Bonner Bündnis „No Climate Change“ zum Karnevalsbeginn auf zur Demo mit karnevalistischen Elementen „Schluss mit dem faulen Zauber! Wir treiben die bösen Geister des Klimawandels aus!“ Die Demoroute geht durch die Bonner Innenstadt. www.no-climate-change.org/