Laurie Penny: Bitch Doktrin. Gender, Macht und Sehnsucht. Aus dem Englischen von Anne Emmert, Edition Nautilus, Hamburg 2017, 320 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-96054-056-4
Etwas hat sich verändert seit Laurie Pennys letztem Buch „Babys machen“ (1).
Nichts scheint mehr übrig zu sein von der schwarzhumorigen und unterhaltsam bissigen Suche nach Utopien, nach Gegenmodellen zum Patriarchat und zum Kapitalismus.
Stattdessen liest man in „Bitch Doktrin“ die Stimme einer zutiefst entsetzten Frau, die offen zugibt Angst zu haben vor den neuen Mächten im Weißen Haus und in den Sozialen Netzwerken. Aus dieser schieren Angst vor der Katastrophe des Faschismus schreibt Penny nun gegen ihre eigene Verzweiflung an. Sie will nicht aufgeben, auch wenn sie eine Welt zeichnet, die längst im Chaos versunken ist.
Aus diesem Chaos will Penny den Signalen nachspüren für den Traum von einer besseren Welt (S. 26).
Laurie Penny, das Megaphon des Anarchafeminismus
„Bitch Doktrin“ ist eine Zusammenstellung von Essays und Kolumnen der letzten Monate seit der Wahl Donald Trumps zum „Präsidenten“ der USA.
Als solches ist das Buch zu großen Teilen ein guter Einstieg in Pennys Denken für diejenigen, die noch nichts von ihr gelesen haben. Vieles wiederholt sich aus den letzten Büchern, Thematiken werden erneut aufgegriffen und mit aktuelleren Beispielen und Diskursen neu behandelt (z.B. die Silvesternacht 2015 in Köln). Sie beschäftigt sich mit Sexarbeit, mit Polyamorie und dem emanzipatorischen Potenzial des Single-Daseins. Dabei kommt sie nicht wirklich zu revolutionär neuen Ideen – auch anderen ist schon aufgefallen, dass Rey aus „Star Wars“ eine coole Figur ist (S. 89f.) oder dass zunehmend nicht nur sexistische sondern auch feministische Positionen zur Vermarktung von Produkten herangezogen werden (S. 111), aber es ist gut, dass Laurie Penny es aufschreibt. Sie ist eine Multiplikatorin, ein auflagenstarker Lautsprecher der Szene, die die aktuellen feministischen Debatten aus den Spezialist*innenkreisen hinein in die breitere Medienlandschaft transportiert. Sie schreibt unprätentiös und lesbar für ein breites Publikum und wendet sich dabei nicht nur an junge Frauen, wenn auch hauptsächlich, sondern explizit auch an Männer, die sie ebenso als Opfer patriarchaler Zurichtung anspricht (S. 218).
„Toxische Männlichkeit“ und der „orangefarbene Hitler“
Hervorragend wird das Buch dort, wo es um „toxische Männlichkeit“ (S. 12) und den „neuen Chauvinismus“ (S. 220ff.) geht.
Vor allem im ersten Kapitel „Von Wahnsinn und Widerstand: US-Wahl-Tagebuch 2016“ zeigt sich Penny als äußerst betroffen und verstört von den US-Wahlergebnissen sowie vom Brexit-Referendum. Dabei verschweigt sie ihre eigene Angst nicht, berichtet von einer Panikattacke bei der Nominierung Trumps als Präsidentschaftskandidaten und bezeichnet die neue Politik des Trumpismus unmissverständlich als „Faschismus“ (S.45).
Sie sieht in Trump den „orangefarbenen Hitler“ (S. 46), der mit seiner Hassrhetorik jene wütenden weißen Männer‘ aufwiegelt, die sich als ganz normale‘ Menschen empfinden und denken, die Politik müsse für sie gemacht werden – und zwar nur für sie. Jede Sorge um Minderheiten und Randgruppen wird als „Identitätspolitik“ abgetan, die als Schwäche wahrgenommen wird. Der „Kult toxischer Männlichkeit“, für den Trump steht, wertet „jedes Gefühl, das nicht als aggressive Bedrohung daherkommt, als Schwäche“. (52)
Keine Verhandlungen
Deshalb, so Penny, ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Angst zu haben. Es ist nötig zornig zu sein, in den „Überlebensmodus“ zu schalten (S. 53). Die Rhetorik des Missbrauchs (S. 46) der Trumpianer hat nämlich zwei Dinge zur Folge: erstens die gegenseitigen Schuldzuweisungen und Selbstzerfleischungen der Linken und zweitens die Normalisierung des Faschismus, als bequeme aber fatale Strategie mit der neuen Politik zu leben.
Deshalb dürfen wir nicht zaudern und rumverhandeln, auch wenn man sich gerne einigeln und einfach die Nachrichten ausschalten möchte. Aus einer ganz persönlichen Perspektive erklärt Penny warum sie sich trotz übelster Beschimpfungen, Vergewaltigungs- und Todesdrohungen aus den sozialen Netzwerken weiter öffentlich äußern wird: „So brenzlig es für meine psychische Verfassung sein mag, wenn ich mich gegen diese Leute auflehne, wäre es doch gefährlicher, nichts zu tun. Wer jetzt die Bequemlichkeit wählt, nimmt später die Katastrophe in Kauf.“ (S. 55) Statt den neuen Faschismus zu normalisieren und zu akzeptieren müssen wir uns ihm entgegenstellen.
Pennys flammende Rede ist überzeugend, weil sie von einer Frau kommt, die zugibt, Angst zu haben, die nicht wie die Rechten diese Angst mit der Propaganda von „Engstirnigkeit, Rassismus und klassischem Sexismus“ (S. 23) bekämpfen will, sondern mit einer Bitch-Doktrin.
Sie zitiert Tina Fey: „Bitches get stuff done.“ Miststücke kriegen was auf die Reihe. (S. 16)
(1) vgl. Rezension in: Libertäre Buchseiten/GWR 411, Oktober 2016