so viele farben

Björn Höcke und sein völkisches Umfeld

Zur faschistischen Agenda der AfD

| Andreas Kemper

Nach der Bundestagswahl im September 2017 zog die AfD mit über neunzig Abgeordneten in den Bundestag ein. Nach dem Austritt Frauke Petrys aus der AfD wird nun von einem "Comeback" Björn Höckes in der AfD gesprochen. Höcke gilt als der rechte Rand der rechten AfD. In den Massenmedien wird aber kaum erläutert, was das heißt.

Gegen Höcke läuft seit Anfang 2017 ein Parteiausschlussverfahren (PAV). Im Gutachten zum PAV heißt es unter anderem, Höcke habe 2011/2012 unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ für die NPD geworben. Dieses Gutachten bezieht sich ausdrücklich auf meine Recherchen und empfiehlt, diese Recherchen zu lesen.

„Landolf Ladig“ hat allerdings vor fünf, sechs Jahren, also unmittelbar vor der AfD-Gründung, nicht nur für die NPD geworben, sondern die „identitäre Systemopposition“ dazu aufgerufen, sich auf eine Revolution vorzubereiten. Sich „aufpotenzierende Krisendynamiken“ von Banken-, Öko- und weiteren Krisen würden zu dieser Revolution führen und unter Führung der nationalen Bewegung könne anschließend eine modernisierte Variante der NS-Wirtschaftspolitik, die „Ladig“ „organische Marktwirtschaft“ nennt, wieder eingeführt werden – auf rassenbiologischer Grundlage, wie gehabt.

Diese Texte von „Ladig“ erschienen in mehreren unterschiedlichen völkischen Magazinen des Neonazis Thorsten Heise, der sowohl Kontakte zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) als auch zur „Europäischen Aktion“ (EA) hat. Die EA ist ein Dachverband europäischer Holocaustleugner, dessen Auflösung in diesem Jahr mit Polizeidurchsuchungen einherging, weil der Verdacht des Aufbaus „rechtsterroristischer Strukturen“ nahe lag.

Höckes Biografie

In diesem Artikel wird die Biografie Höckes beleuchtet, sein völkisches Umfeld in der AfD sowie rechtsterroristische Aufbaustrukturen, die sowohl auf die Bundeswehr als auch auf die AfD verweisen.

Höcke, Poggenburg, Tillschneider, Kalbitz sind Funktionäre des völkischen Flügels der AfD und gehören zu einer Generation, die politisch mit der nationalen Besoffenheit im Zuge der Wiedervereinigung sozialisiert wurden.

Der noch minderjährige Höcke und sein Vater lagen sich 1989 weinend in den Armen, als die Mauer geöffnet wurde.

Diese unterschiedliche Sozialisation zwischen den 89ern und den 68ern erklärt vielleicht das Unverständnis vieler 89er gegenüber den 68ern, aber nicht den Hass dieser AfDler auf 68. Und nicht alle Mitte der 1970er Jahre Geborenen sind völkische Nationalisten geworden wie Höcke, Poggenburg etc.

Tatsächlich hatte Björn Höckes Vater 1989 auch nicht etwa aus Freude wegen der Wiedervereinigung geweint, sondern weil nun auch in der DDR noch der letzte verbliebene Rest eines rein erhaltenen deutschen Volkes der „Multikulturalisierung“ ausgeliefert werde.

Höckes Agenda

Höcke wuchs in einer „Vertriebenen“-Familie auf, Großeltern und Eltern waren Mitglieder der „Landsmannschaft Ostpreußen“. Geburtstagswünsche fanden sich im rechten „Ostpreußenblatt“. Auf Todesanzeigen der Familie fand sich nicht etwa ein christliches Kreuz, sondern das Wappen der Landsmannschaft.

Höcke liebte es, die Heimatgeschichten seiner Großeltern zu hören, betonte, wie politisch sein Elternhaus sei und über Generationen gab man in seiner Familie den Kindern „deutsche“ Vornamen. Dies alles könnte man mit „Nationalromantik“ (Gauland) verharmlosen, wenn Höckes Vater nicht die „Bauernschaft“ im Abo gehabt hätte. Die „Bauernschaft“ war das Magazin des Herausgebers des Buches „Die Auschwitz-Lüge“, Thies Christophersen. In diesem Magazin wurde Hitler verherrlicht, auf den Titelseiten fanden sich Hitlerporträts, Christophersen „bekannte“ sich in den 1990ern zu Hitler. Vom Vater Höckes ist politisch wenig bekannt, er war Lehrer und musste sich daher politisch zurückhalten: hier mal eine Solidaritätsbekundung für die neurechte „Junge Freiheit“, dort mal eine Solidarisierung für den wegen Antisemitismus aus der CDU herausgeflogenen Hohmann, mehr wäre gefährlich geworden.

Von Björn Höcke ist nur ein „Ausbruchsversuch“ aus dem völkischen Denken bekannt, er war mal kurz in der „Jungen Union“, was er heute als „Jugendsünde“ sieht. Nach seiner Bundeswehrzeit studierte er in Gießen und Marburg Geschichte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Höcke aufgrund seiner familiären Bindung in den 1990er Jahren Kontakte zur „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO), dem Jugendverband der Landsmannschaft hatte. Vorsitzender der JLO war in den 90ern Jürgen Gansel, der ebenfalls Geschichte studierte, zur selben Zeit wie Höcke in Gießen und Marburg. Gansel war zudem zusammen mit Arne Schimmer Mitglied in der Burschenschaft Dresdensia-Rugia und im Nationaldemokratischen Hochschulbund. Gansel und Schimmer zogen 2004 und 2008 für die NPD in den Sächsischen Landtag ein und gehören zu den „intellektuellen“ Kadern der NPD.

Höcke übernahm später als Landesvorsitzender der AfD zahlreiche Phrasen aus dem Papier zur „Dresdner Schule“ von Gansel, „Ladig“ bezieht sich auf das Wirtschaftskonzept und die Rassenbiologie Schimmers. Höcke nahm 2010 an der Nazidemo der JLO gegen den sogenannten „Bombenholocaust“ in Dresden teil. Das ZDF zeigt eine entsprechende Videoaufnahme. Um Höcke herum wird „Nationaler Sozialismus jetzt!“ gegrölt und Höcke skandiert mit erhobener rechter Faust: „Wir wollen marschieren!“.

Höckes rechte Biografie ist ungebrochen, auch als Lehrer hat er Kontakte zu den Vordenkern der Neuen Rechten Weissmann und Stein. Und er zieht 2008 in die unmittelbare Nachbarschaft von Thorsten Heise. Heise hatte kurz zuvor das Konzept „Volksfront von rechts“ umgesetzt: zahlreiche militante Neonazis traten 2004 in die NPD ein. Seither macht Heise Karriere in der NPD und steht für den zunehmenden Rechtsruck in der NPD. Höcke und Heise haben zugegeben, sich zu kennen, angeblich aber nur, weil sie Kinder in der gleichen Schule hatten. Zahlreiche Überschneidungen der Verlautbarungen von Höcke und dem Heise-Autoren „Ladig“ weisen allerdings darauf hin, dass Höcke „Ladig“ ist, wovon auch der Bundesvorstand der AfD in seinem Gutachten zum Parteiausschlussverfahren ausgeht.

„Ladig“ sagt, Deutschland wurde zweimal überfallen (Erster und Zweiter Weltkrieg), weil die fremden Mächte neidisch auf den Fleiß der Deutschen gewesen seien. Beim Zweiten Weltkrieg sei noch hinzu gekommen, dass sich in Nazi-Deutschland die erste Antiglobalisierungsbewegung (gegen das internationale Finanzkapital) etabliert habe und diese so erfolgreich gewesen sei, dass, wenn ihr „mehr Friedensjahre vergönnt“ gewesen wären, diese sich als Erfolgsmodell auf andere Länder ausgedehnt hätte. Die Begeisterung für dieses Modell sei heute noch in der identitären Systemoppositon zu finden und diese müsse sich auf die Führung der kommenden Revolution vorbereiten, um das „bewährte“ Konzept wieder einzuführen. Diese Texte sind von 2011/ 2012.

Höcke bewarb sich in seiner Rede im April 2013 für die Bundeskandidatur auf der Liste der neu gegründeten AfD Thüringen mit einem Zitat aus einem Ladig-Text von 2012. Ein Internet-Abgleich der Suche nach den „Ladig“-Begriffen „aufpotenzierende Krisendynamiken“ (Revolutions-Vorhersage) und „organische Marktwirtschaft“ (modernisiertes NS-Wirtschaftskonzept) findet in beiden Fällen genau einen weiteren Treffer: Nur Höcke benutzt neben „Ladig“ diese beiden Begriffe – und zwar nach Erscheinen der „Ladig“-Texte. Wir müssen daher davon ausgehen, dass Höcke die nationalrevolutionäre Agenda von „Ladig“ weiter betreibt, unabhängig davon, ob Höcke „Ladig“ ist oder nicht.

Rechtsterroristische Strukturen

Problematisch ist diese Agenda vor dem Hintergrund sich entwickelnder rechtsterroristischer Strukturen. Zu nennen sind hier nicht nur die im Zusammenhang mit Heise stehenden NSU und Europäische Aktion, sondern auch die mit der Bundeswehr und Reservistenverbänden stehenden neueren Entwicklungen.

Vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass sich der Bundeswehrangehörige Franco A. als Geflüchteter ausgegeben hatte und zugleich Anschläge plante. Waffen waren beiseite geschafft, eine Todesliste angelegt worden. Franco A. stand nicht alleine, es ist von einer „Terrorzelle“ in der Bundeswehr die Rede, zu der auch das AfD-Mitglied Maximillian T. gehört. Kontakte aus dieser Gruppe sollen zu einem „Major Horst S.“ bestehen.

Von hier werden weitere Verbindungen genannt. Beispielsweise zu einem Rostocker Rechtsanwalt Jan Hendrik H., der ebenfalls Waffen deponiert haben soll und der zitiert wird mit der Aussage, dass die kommende Krise die Chance böte, Linke zu erschießen.

Der Landtagsabgeordnete der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe, hatte gesagt, man solle versuchen, Jan Hendrik H. für die AfD zu gewinnen, dieser hasse die Linke und habe Kisten voller Munition. Arppe hatte zudem gesagt, man müsse den Medien Honig um den Mund schmieren, sich anpassen und wenn man die Macht habe, würden die Linken an die Wand gestellt. Kontakte des Majors gäbe es auch zu der „Preppergruppe“ „Nordkreuz“ in MV, die über zwei Reservistenvereine regelmäßig Schießübungen durchführe.

Mindestens zwei Mitglieder von „Nordkreuz“ seien AfD-Mitglieder. Ideologisch sei diese Gruppe geprägt durch aktuelle Schriften von W. K. Eichelburg, der von einem nahen Militärputsch gegen die „Islamisierung“ ausgeht. Auch der Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer hatte einen offenen Brief an die Bundeswehrangehörigen geschrieben. Diese sollen in den Kasernen diskutieren, wie sie gegen die „Volksverräterin“ Merkel vorgehen könnten. Er empfehle eine eigenständige Besetzung der Grenzen und Grenzbahnhöfe. Elsässer und Eichelburg hatten bereits kurz vor der Gründung der AfD eine gemeinsame Veranstaltung durchgeführt. Und auch Höcke hat öffentlich die Bundespolizei dazu aufgerufen nicht mehr den Vorgesetzten zu folgen, verbunden mit der Drohung an die Bundespolizei, dass demnächst das Volk an die Macht komme.

Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen und der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland wollen nun nicht nur das PAV beenden, sondern sähen Höcke gerne im Bundesvorstand.

Andreas Kemper

Andreas Kemper ist Publizist und Soziologe, seine Themenschwerpunkte sind Bildungsbenachteiligung, Klassismus, antifeministische Männerrechtsbewegung und die kritische Auseinandersetzung mit neofaschistischen Tendenzen zum Beispiel bei der AfD. Kontakt: https://andreaskemper.org/