Ein halbes Jahrzehnt ist es her, seit wir zum letzten Mal in Winterthur Anarchietage organisiert haben. Seither ist eine Menge Wasser durch die Eulach geflossen, und auch wir LAWs haben uns weiterentwickelt und Prioritäten neu gesetzt oder setzen müssen. Haben Politarbeit und Lohnarbeit geleistet, Studien angefangen, abgeschlossen und abgebrochen, Kinder gekriegt und Kinder ausziehen sehen, und alle sind wir natürlich älter geworden, haben Wegmarken des Lebens überschritten, die 20, die 30, die 50…
…und trotzdem sind wir noch hier und planen die Anarchie, und fragen uns, wie wir unser Leben trotz der immerwährenden Widersprüche rebellisch leben können. Die kommenden Anarchietage sind diesen Widersprüchen und den Rebellionen dagegen gewidmet, die vielleicht nicht immer die grossen sind, doch die unseren Alltag prägen und immer auf diese Widersprüche verweisen. Dabei wollen wir die Komfortzone eines entspannten „es gibt kein richtiges Leben im falschen“ verlassen und nach den Orten suchen, wo wir als Anarchist*innen die Widersprüche tagtäglich spüren und immer wieder vor die Wahl gestellt werden, faule Kompromisse oder aber Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Selbstredend ist die Zeit an den Anarchietagen – wie immer – zu kurz, damit der Themenkomplex auch nur annähernd durchleuchtet werden kann. Was wir anbieten, sind einzelne Schlaglichter und die Möglichkeit für alle Anwesenden, die Nuancen zu setzen.
Freitag 09.02.18
18.00 Z’nacht
20.00 Neben der und über die Volksschule hinaus.
Diskussion über freiheitliche Alternativen zur staatlichen Bildung.
Als Anarchistinnen und Anarchisten lehnen wir den Staat und damit auch das staatliche Bildungsmonopol ab. Doch was sind gangbare Alternativen? Privatschulen? Hausunterricht („Homeschooling“)? Oder ein Lernen ganz ohne Lehrer und Lehrpläne? Und was verstehen wir überhaupt unter Bildung? Welchen Stellenwert hat sie für uns als Individuen und in unserer politischen Arbeit? Und wie können wir Bildung für alle zugänglich machen? Eine Diskussion mit Bildungsaktivist*innen, Unschooler*innen, Unterrichtenden und allen Anwesenden
Samstag 10.02.18
09.00 Z’morge
Diskussionsrunden mit Inputreferat
Pro Block stehen zwei Themen zur Auswahl, die zu Beginn mit einem Inputreferat kurz und thesenartig vorgestellt und anschliessend diskutiert werden.
10.00 Elternschaft und Aktivismus
Eltern* zu werden führt zu tiefgreifenden Veränderungen der persönlichen Lebenswelt. Den Erwachsenen wird ein Stück Autonomie genommen und die freie Zeit wird zu einem knappen Gut. Wie wirkt sich dies auf den politischen Aktivismus aus? Was bedeutet Elternschaft* im Kontext von anarchistischen Idealen? Diese und weitere Fragen wollen wir miteinander diskutieren.
*Mit Elternschaft ist die soziale Elternschaft gemeint, welche keine rechtliche oder biologische Elternschaft voraussetzt. Eltern meint damit alle Bezugspersonen von Kindern, welche ihnen Zuwendung entgegenbringen und langfristig Verantwortung für sie übernehmen.
Input-Referat: Politisch aktive Eltern
10.00 Die Tyrannei unstrukturierter Gruppen
An den Plenas quatschen immer dieselben? Ein Beschluss wird gefasst und nach der Sitzung ist immer noch unklar, was eigentlich beschlossen wurde? Nur die Leute, die regelmässig miteinander abhängen, kriegen mit, was überhaupt läuft?
Zusammen wollen wir über unsere K(r)ämpfe in unseren Strukturen sprechen, unsere eigenen Abläufe reflektieren, neue Möglichkeiten ausleuchten, von einander lernen und Konkretes mitnehmen.
– Wie gehen wir mit unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen um? Wie begegnen wir informellen Hierarchien oder der Reproduktion von Unterdrückungsformen in unseren Strukturen?
Input-Referat: Mäk
14.00 Älter werden und aktiv bleiben!
Es ist ja schon nicht einfach, allen Sozialisationsbedingungen zum Trotz Aktivist*in der emanzipatorischen Linken zu werden; aber was noch viel schwieriger ist, ist über die durchschnittliche „Halbwertszeit“ hinaus, die sich bei zwei bis fünf Jahren einpendeln dürfte, radikal engagiert zu bleiben.
Michael Dandl ist solch ein „älter gewordener“ und „aktiv gebliebener“ Aktivist. Warum sich Dandl trotzdem allem noch nicht in einen alles lähmenden Zynismus oder gar in die pure Ignoranz „geflüchtet“ hat – darum soll es in seinem Input-Referat gehen.
Input-Referat: Michael Dandl
14.00 Revolution als Alltag: Gemeinsame Ökonomie und kollektive Organisation vom Leben
RaAupe ist ein Kollektiv, das im Hier und Jetzt durch sein Tun und Lassen im Alltag versucht, zu einer nicht-kapitalistischen und solidarischen Gesellschaft beizutragen. Deshalb leben die Aktivist*innen zum Beispiel in gemeinsamer Ökonomie – kurz, sie teilen ihr Geld, ohne dass sie miteinander wohnen. In der Diskussion nach dem Input wird es um die Frage gehen, wie und ob das Revolutionäre im Alltag unterzubringen ist.
Input-Referat: RaAupe
18.00 Z’nacht & offenes Abendprogramm
Sonntag 11.02.18
11.00 Disrupt! – Widerstand gegen den technologischen Angriff
DISRUPT! beschreibt die Versuche, das menschliche Dasein den Anforderungen einer reduktionistischen künstlichen Intelligenz zu unterwerfen. Der Anpassungsdruck des Menschen an die Maschine wirkt bereits jetzt – weit vor einer vollständigen Vernetzung aller mit allem. Das redaktionskollektiv çapulcu dechiffriert diese – oft unhinterfragte – Entwicklung als Angriff auf unsere Autonomie und analysiert seine entsolidarisierende Wirkung. Denn Technologie ist nie neutral, sondern immanent politisch. Ein Gegenangriff auf die Praxis und die Ideologie der totalen Erfassung erscheint deshalb zwingend notwendig. Die Referent*innen plädieren für die Wiederbelebung einer praktischen Technologiekritik zwischen Verweigerung und widerständiger Aneignung spezifischer Techniken.
Vortrag: çapulcu
13.00 Suppen-Z’mittag
14.00 Einführung in Tails – Ein Live-Betriebssystem zur sicheren Kommunikation
Workshop: çapulcu
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